Hamburg. Keine Tennisveranstaltung der dritten Kategorie ist seit Jahren schlechter besetzt als der Rothenbaum

Stéphane Robert winkte den 1900 Zuschauern auf dem Centre-Court zu, machte einen kleinen Hüpfer, riss eine Hand nach oben, „Oui!“, rief er sichtbar. Erleichterung, Freude, Glück. Der Franzose hatte das Viertelfinale am Rothenbaum erreicht. Mit 36 Jahren. Endlich, endlich bei einem 500er-Turnier unter den besten acht. 90 Punkte für die Weltrangliste, knapp 37.000 Euro für das Konto.

„Das ist nach dem Achtelfinale bei den Australian Open 2014 der größte Erfolg in meiner Karriere“, sagte Robert nach seinem 7:5, 4:6, 6:1-Erfolg über den Spanier Íñigo Cervantes, der in der ersten Runde Alexander Zverev ausgeschaltet hatte. In der Runde der letzten acht trifft Robert nun auf Guillermo García-López, als Nummer 56 ebenfalls einer von denen, die den Fans eher weniger bekannt sind.

„Vielleicht sind hier nicht so viele Topspieler unter den Gesetzten“, sagte der 32-Jährige, „ich habe gemeldet, weil es ein 500er-Turnier ist und weil es viele Punkte und Preisgeld gibt.“ Robert sieht es ähnlich pragmatisch: „Hamburg war eine großartige Chance für mich“, sagte die Nummer 83 der Welt, „und ich habe sie ergriffen.“

Die German Open am Rothenbaum gehören zu den 13 Turnieren weltweit, die in der dritthöchsten sportlichen Kategorie nach den vier Grand Slams und den neun Masters­turnieren angesiedelt sind. „Ich wusste, dass es sich lohnen würde, für Hamburg zu melden“, sagte Robert. Bei einem vergleichbaren Turnier hätte er keine Chance gehabt, in das 32 Spieler umfassende Hauptfeld zu kommen.

Aber in diesem Jahr ist eben vieles anders. Turnierdirektor Michael Stich muss das schwächste Feld verkraften, seit er 2009 die Verantwortung für die Veranstaltung übernommen hat. Der Weltranglisten-22. Philipp Kohlschreiber steht an der Spitze der Setzliste. Schlimmer noch: Mit dem Argentinier Nicolas Kicker (Nr. 144) schaffte es ein Spieler direkt ins Hauptfeld, der vor seiner Achtelfinalniederlage gegen Kohlschreiber noch nie ein Match auf ATP-Level bestritten hatte.

Dabei kann Stich sogar noch von Glück sagen, dass das deutsche Davis­cupteam in der ersten Runde gegen Tschechien gescheitert war. Sonst wären auch Viertelfinalist Kohlschreiber und Zverev nicht erschienen.

Doch die Probleme des Hamburger Turniers mit dem Sommertermin sind nicht neu. Der Sandplatz nach dem Rasenhighlight in Wimbledon und vor der US-Hartplatzsaison sorgt dafür, dass viele Spieler einen Bogen um die Hansestadt machen. Seit 2014 hatte Hamburg unter den 500er-Turnieren, gemessen an der Ranglistenposition der topgesetzten Spieler, immer die schwächste Besetzung. Sieben weitere dieser Veranstaltungen gab es in diesem Jahr bereits. Bei sechs waren mindestens zwei Top-Ten-Spieler am Start. Nur Rotterdam hatte keinen, aber wenigstens traten dort zwei aus den ersten 20 an. So konnte sich das Turnier in Rio über Rafael Nadal, David Ferrer und Jo-Wilfried Tsonga freuen. In Acapulco schlugen Ferrer, Kei Nishikori und Marin Cilic auf, in Barcelona Nadal und Nishikori.

„Das Teilnehmerfeld ist hart an der Schmerzgrenze“, hatte Unternehmenssprecher Claus Retschitzegger von Bet-at-home im vergangenen Jahr moniert – und damit den Ausstieg des Hauptsponsors nach fünf Jahren vorbereitet. 500.000 Euro waren verloren. Dieses Jahr konnte kein Titelsponsor präsentiert werden. Zudem ist bekannt, dass Stich in der Regel nicht willens und nur in Ausnahmefällen in der Lage ist, Antrittsgelder zu bezahlen. Die auch von privaten Gönnern mitfinanzierten Auftritte von Rafael Nadal (Antrittsgeld 350.000 Euro) im vergangenen Jahr und Roger Federer (300.000) 2013 waren nur wegen der schwierigen sportlichen Situation der beiden Superstars in dem jeweiligen Moment möglich.

Deutsche Turniere in Stuttgart (Mercedes), München (BMW) oder dem westfälischen Halle (Gerry Weber) haben andere Möglichkeiten, Spieler davon zu überzeugen, bei ihnen aufzuschlagen. Gar nicht zu reden von den Turnieren in Dubai und Peking, die als 500er sportlich theoretisch auf der gleichen Ebene liegen wie Hamburg.

Mit Preisgeldern von 2,6 beziehungsweise 4,1 Millionen Dollar spielen sie aber in einer anderen Welt. Spieler wie Novak Djokovic, Nadal oder Andy Murray treten dort für eine satte Extragebühr nur zu gern an. Das seit 1892 ausgetragene Turnier am Rothenbaum aber hat sich zu einem Ziel für die ehrlichen, auf Sandplatz spezialisierten Tennisarbeiter ohne große Namen entwickelt. Ändern kann sich das vermutlich nur, wenn man über einen Umstieg auf Hartplatz oder einen anderen Termin ernsthaft nachdenkt. Ab 2018, wenn der Vertrag des Rechteinhabers Deutscher Tennis-Bund mit Stichs HSE ausläuft, ist das denkbar. „Ein anderer Termin wäre sicherlich besser“, sagt DTB-Präsident Ulrich Klaus. „Vielleicht gibt es in Zukunft nach Wimbledon in Europa nur Hartplatzturniere. Auch darauf müssen wir vorbereitet sein.“ Eines scheint aber klar: So wie in diesem Jahr kann es nicht weitergehen.