Hamburg. Ausrüster Under Armour zahlt dem Kiezclub in den kommenden fünf Jahren eine Million Euro pro Saison

Nein, in Gänze war Andreas Rettig von dem neuen Outfit nicht angetan. „Ich habe drei Kilo Übergewicht und dachte, mit euren Klamotten kann man das kaschieren. Dem ist aber nicht so“, sagte der Geschäftsführer des FC St. Pauli und blickte während der Trikotpräsentation lächelnd zu Chris Bate, dem Europachef des neuen Ausrüsters Under Armour. Der Brite lächelte, wie es sich für den Chef eines US-Unternehmens gehört, das Problem einfach weg, gelobte Besserung und machte deutlich, dass man genügend Zeit hätte, jegliche Verbesserungen in die Tat umzusetzen.

Die Partnerschaft zwischen dem Kiezclub und dem ambitionierten Sportartikelhersteller, der das Ziel hat, mittelfristig Adidas und Nike vom Thron als Weltmarktführer zu stoßen, ist zunächst auf fünf Jahre befristet und vor allem fürstlich dotiert. Dem Vernehmen nach zahlt Under Armour, der Profi- und Nachwuchsteam ausstatten wird, pro Jahr rund eine Million Euro. Ein Deal auf Bundesliga-Niveau. Zum Vergleich: Vorgänger Hummel überwies jährlich 300.000 Euro an St. Pauli.

„Under Armour wird uns bei sozialen Projekten und im Nachwuchs unterstützen. Das ist vertraglich vereinbart. Daher ist es deutlich, dass es weit mehr ist als nur ein Sponsoring-Vertrag“, sagte Präsident Oke Göttlich.

Und blickte man in die Katakomben der Südtribüne, so wurde auch visuell deutlich, dass am 14. Juli 2016 eine neue Ära beim FC St. Pauli begonnen hat. Zwei Wochen lang wurde der Kabinentrakt, die Mixed-Zone und der Spielertunnel mit Künstlern der Millerntor-Gallery umgestaltet. Dort, wo früher krankenhausweiße Wände zu sehen waren, dominiert nun Kunst in Schwarz, Weiß und passend zum Rotlichtviertel St. Pauli: Rot. Der Spielertunnel zum Spielfeld ähnelt ab sofort nun den Straßenfußball-Käfigen im Stadtteil. Ein Unikum in Fußballdeutschland: „Die Idee hatten wir gemeinsam mit Under Armour. Es ist sehr gelungen. Das ist wirklich etwas anderes“, sagte Göttlich, der keinen Hehl daraus machte, dass es ein besonderer Tag für den Club war.

Die Kooperation mit dem Unternehmen, das Topathleten wie Basketballsuperstar Stephen Curry unter Vertrag hat, geht weit über das Stellen von Arbeitskleidung hinaus. Under Armour, der das Motto „Wir wollen Athleten besser machen“ lebt, hat die Leistungsdiagnostik und Trainingswissenschaft als Nische für sich entdeckt. So will sich der Konzern von den Konkurrenten auf den umkämpften Sportartikelmarkt abheben. „Wir haben eine App konzipiert, die alle Leistungsdaten aufzeichnet. Vom detaillierten Schlafverhalten über die Ernährung bis hin zur Belastung. Wir wollen in einigen Jahren so weit sein, dass wir in dem Bereich Marktführer sind“, sagte Bate, der im Winter 2014 St. Pauli als ideale Marke für die Deutschland-Offensive des Unternehmens auserkoren hatte. Dabei ist Bate bewusst, dass es durchaus auch kritische Stimmen in der Fanszene des FC St. Pauli in Bezug auf Under Armour gab und bei Teilen nach wie vor gibt.

Es wurde vor allem über die bisweilen martialischen Marketing-Methoden der Amerikaner diskutiert. Under Ar­mour pflegt eine große Nähe zum US-Militär. Veteranen erhalten zehn Prozent Rabatt, diverse Spezialeinheiten werden mit hochtechnischer Funktionskleidung ausgestattet. Die Zeitung „Baltimore Sun“ deckte auf, dass Under Armour im Zuge einer Partnerschaft mit dem US-Verteidigungsministerium 4,2 Millionen Dollar kassiert. Ein weiteres wichtiges und vor allem wirtschaftliches Geschäftsfeld ist für Under Armour die Jagd. Auf der weltgrößten Waffenmesse „The Shot Show“ ist der neue Ausrüster des FC St. Pauli ebenso mit einem Stand vertreten wie im Umfeld der umstrittenen Waffenlobby National Rifle Association (NRA).

Da drängt sich die Frage auf: Wie passt eine derartige Außendarstellung zu einem Verein, der öffentlich ethische und moralische Werte vertritt wie kaum ein anderer im Profifußball? „Wir diskriminieren niemanden, sind sehr offen und transparent. St. Pauli hat eine politisch interessierte Fanbasis, und das ist gut so. Man kann es nie allen recht machen, aber der Großteil ist sehr positiv gestimmt. Der Verein und wir passen sehr gut zusammen“, sagte Bate.

Ab diesem Freitag sind die neuen Trikots für 74,95 Euro im Fanshop und europaweit im Internet erhältlich. Es wird spannend sein zu sehen, wie die Fans des FC St. Pauli auf den neuen feinen Zwirn reagieren werden.