Hamburg. Topgesetzter Thiem sagt Teilnahme für Hamburger ATP-Turnier ab. Dadurch rückt ein Deutscher in der Setzliste ganz nach oben.

Die Nachricht des Tages erreichte Marvin Möller in London. Und vielleicht war es gut, dass der 17-Jährige beim Juniorenturnier in Wim­bledon spielfrei hatte, denn wer weiß, was die Aufregung ansonsten gemacht hätte mit dem Tennistalent vom Rahlstedter HTC, das in der kommenden Woche den vorläufigen Höhepunkt seiner noch jungen Karriere erleben wird. Möller darf dank einer Wildcard von Turnierdirektor Michael Stich im Hauptfeld der German Open am Hamburger Rothenbaum antreten. „Ich freue mich riesig und bedanke mich herzlich bei Herrn Stich. Ich kann es kaum erwarten, am Rothenbaum zu spielen“, sagte der Youngster.

„Wir wollen Marvin die Chance geben, die große Bühne kennenzulernen und zu erfahren, was ihm noch fehlt, um im Herrenbereich mitzuhalten“, sagte Stich, der Parallelen zu dem Spieler zog, der in diesem Jahr als Zugpferd des traditionsreichsten deutschen Herrenturniers fungiert: Alexander Zverev (19). 2013 war Hamburgs Toptalent, inzwischen an Position 28 der Weltrangliste zweitbester Deutscher nach dem Augsburger Philipp Kohlschreiber (Nr. 22), dank einer Wildcard als 16-Jähriger erstmals ins Rothenbaum-Hauptfeld gerutscht. Gegen den Spanier Roberto Bautista Agut verlor er 3:6, 2:6 – aber gewann an Erfahrung. Letzteres soll nun auch Möller widerfahren.

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Stichs Hoffnungen, einen Nachfolger für sich selbst zu finden und zum ersten Mal seit 1993 einen deutschen Sieger am Rothenbaum küren zu dürfen, ruhen indes auf anderen Schultern. Neben Alexander Zverev, der mit seinem ebenfalls fürs Hauptfeld qualifizierten Bruder Mischa (28) im Doppel antreten wird, und Kohlschreiber zählt auch Florian Mayer zum erweiterten Favoritenkreis. Der 32 Jahre alte Bayreuther, der wegen eines Sehnenanrisses in den Adduktoren sieben Monate pausiert hatte und erst im April auf die Tour zurückgekehrt war, hatte vor zweieinhalb Wochen durch einen Finalsieg über Alexander Zverev im westfälischen Halle seinen zweiten ATP-Titel gewonnen und sich damit die zweite Wildcard für Hamburg verdient. Die beiden weiteren Freitickets werden kurzfristig an deutsche Talente vergeben. Für einen Topstar müssen sie nicht freigehalten werden – weil in diesem Jahr nach der verletzungsbedingten Absage von Titelverteidiger Rafael Nadal (Spanien) keiner kommen wird.

Topgesetzter Thiem muss absagen

Überhaupt ist das 32er-Feld des Sandplatzevents qualitativ so überschaubar wie selten zuvor. Der Termin direkt nach Wimbledon und drei Wochen vor dem Start des Olympischen Turniers, das in Rio de Janeiro auf Hartplatz ausgetragen wird, ist ein Grund. Härter traf die Veranstalter allerdings das parallel angesetzte Viertelfinale im Daviscup. Gemeldete Spieler wie der Italiener Fabio Fognini, Juan Monaco aus Argentinien, der Franzose Lucas Pouille und die Tschechen Lukas Rosol und Jiri Vesely zogen deshalb kurzfristig zurück. Stich, der schon vor Wochen bei der ATP auf das Problem aufmerksam gemacht hatte, aber immer vertröstet wurde, will deshalb nach dem Turnier in Verhandlungen über eine Kompensationszahlung einsteigen.

Und am Donnerstag dann die nächste Hiobsbotschaft für die Veranstalter: Der eigentlich topgesetzte Shootingstar der Saison und Nummer acht der Welt, Dominic Thiem aus Österreich, muss für Hamburg ebenso absagen wie der Südafrikaner Kevin Anderson (ATP-Nr. 25). Beide sind gesundheitlich angeschlagen. "Krankheiten und Verletzungen passieren. Da kann man leider nichts machen", sagte Stich nach den Absagen, durch die Kohlschreiber nun auf der Setzliste an Position eins rückt.

"Wir werden wieder große Namen sehen"

Somit bleibt dem Turnierdirektor die Freude darüber, dass immerhin auch noch die Topspieler Benoît ­Paire und Jeremy Chardy (beide Frankreich) und der Spanier Nicolas Almagro aufschlagen werden. „Wir werden auch ohne ganz große Namen wieder großes Tennis sehen“, sagte Stich, der nach dem Ausstieg von Bet-at-home potenzielle neue Geldgeber zum Turnier eingeladen hat und das diesjährige Fehlen eines Hauptsponsors mit einem Paket aus 45 Partnern abfedert, trotzig.

Marvin Möller wird versuchen, zu großem Tennis beizutragen. Wann der Rahlstedter in die Heimat zurückkehrt, ist nicht abzusehen. In der Einzelkonkurrenz in Wimbledon war er in Runde eins gescheitert, im Doppel spielt er im Achtelfinale an diesem Donnerstag an der Seite des Brasilianers Gabriel Decamps gegen Ulises Blanch und Vasil Kirkov aus den USA. Bleibt abzuwarten, welche Kräfte die Nachricht aus Hamburg freigesetzt hat.