Spielberg. Formel-1-Weltmeister gewinnt Großen Preis von Österreich. Vettel platzt bei Tempo 300 der rechte Hinterreifen. Erster Punkt für Wehrlein

In seiner Wut auf Sieger Lewis Hamilton (31) stand Nico Rosberg (30) nach dem Österreich-Crash der Silberpfeile allein da. Die Schuldfrage für den Unfall in der Schlussrunde, der den deutschen Formel-1-Spitzenreiter den Sieg-Hattrick in Spielberg kostete, entfachte den Dauerzoff der Mercedes-Piloten aufs Neue. „Mannomann, das ist echt hart. Ich war voll überzeugt, dass ich das nach Hause fahre“, gestand der über Platz vier schwer frustrierte Rosberg. Er gab klar zu erkennen, dass er Hamilton wegen seines harten Überholmanövers in der letzten Runde für den Unfallverursacher hielt. Der Brite konterte die Vorwürfe nach seinem dritten Saisonsieg vor Red-Bull-Fahrer Max Verstappen und Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen kühl: „Er hat einen Fehler gemacht und hat mir nicht viel Platz gelassen. Deshalb sind wir kollidiert.“ Hamilton reduzierte den Rückstand auf Rosberg in der WM-Gesamtwertung vor seinem Heimspiel in Silverstone am nächsten Sonntag auf elf Punkte. Die Rennkommissare untersuchten anschließend den Crash dreieinhalb Stunden lang. Ihr Urteil: Rosberg ist Schuld. Er erhielt eine Zeitstrafe von zehn Sekunden, die am Ergebnis nichts änderte.

Bei der Siegerehrung wurde Hamilton zwar ausgepfiffen, aber auch die Teamspitze sah in Rosberg den Schuldigen. „Er hat ihm da nicht genug Platz gegeben. Das ist schade, das darf nicht passieren“, klagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Aufsichtsratschef Niki Lauda sah es genauso: „Nico hat aller Kraft versucht, mit nicht mehr funktionierenden Bremsen, das Überholmanöver von Lewis zu verhindern.“

Rosberg hatte das Rennen nach einer starken Aufholjagd von Startplatz sechs bis kurz vor Ende angeführt, nachdem er in der 27. Runde die Spitze von Landsmann Sebastian Vettel übernommen hatte. Vettel musste ausgerechnet an seinem 29. Geburtstag vorzeitig aufgeben, weil ihm bei Tempo 300 der rechte Hinterreifen explodiert war. Danach schien Rosberg auf dem besten Weg zum dritten Sieg in Österreich nacheinander, ehe Hamilton auf den letzten Kilometern immer näher kam und ihn gnadenlos attackierte. „In der letzten Runde haben meine Bremsen überhitzt. Mein Bremsweg war etwas länger, aber eigentlich war alles unter Kontrolle“, beschrieb Rosberg die umstrittene Szene. „Ich war auf der Innenbahn und deshalb überrascht, dass Lewis da reinlenkt, das war echt heftig.“

Prompt kam es zur erneuten Kollision der Mercedes-Stars. Schon Mitte Mai in Barcelona waren die beiden zusammengestoßen, damals schieden beide aus. „Dass sie sich ins Auto fahren, das geht nicht mehr. Das war das zweite Mal, jetzt ist es genug“, sagte Teamchef Wolff, kündigte interne Krisengespräche an und schloss für künftige Rennen eine Stallorder nicht aus. Hamilton stellte trotz Rosbergs Vorwürfen und der Buh-Rufe der Fans bereits auf dem Podium seine Sicht klar: „Ich bin hier, um zu gewinnen. Das ist mein Job.“

Schon im nächsten Rennen in Großbritannien könnte Hamilton die WM-Führung von Rosberg übernehmen. Die Ferrari-Verfolger Vettel und Räikkönen liegen nach dem ernüchternden Österreich-Ausflug 57 Punkte hinter Rosberg und 46 Zähler hinter Hamilton. Für Vettel war das Gastspiel in der Heimat seines früheren Arbeitgebers Red Bull besonders frustrierend. „Ich habe nichts falsch gemacht. Wir haben nichts Aggressives oder Dummes versucht, fertig“, sagte der Hesse nach seinem frühen Aus. „Wir wissen nicht, was da los war. Das kam überraschend, wir hatten keinerlei Hinweis. Das müssen wir jetzt untersuchen“, sagte Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene.

Auch für Nico Hülkenberg, der als Zweiter seit sechs Jahren wieder aus der ersten Reihe gestartet war, gab es keine Punkte. Er schied in seinem Force India wegen Bremsproblemen ebenfalls vorzeitig aus. „Die Balance vom Auto war unterirdisch. So schlimm hatte ich das echt nicht erwartet“, erklärte der Rheinländer. Dagegen eroberte Neuling Pascal Wehrlein im Manor als Zehnter unerwartet seinen ersten WM-Zähler. „Ich hatte so zu kämpfen mit meinen Reifen, wir hatten ein unglückliches Timing mit dem Boxenstopp. Dann noch auf Platz zehn nach vorn zu fahren, super“, beschrieb der amtierende Champion des Deutschen Tourenwagen Masters seinen Arbeitstag. Als einziger deutscher Fahrer verließ Wehrlein Spielberg mit einem Lächeln.