Evian-les-Bains. Der 3:0-Erfolg im EM-Achtelfinale gegen die Slowakei hat das Selbstvertrauen des DFB-Teams vor dem Duell mit Italien gestärkt.

Der riesige Raum ist hergerichtet wie ein Kinosaal, die Sitzreihen allerdings fallen etwas üppiger aus als gewöhnlich: Es sind Couchen und Sessel, hinten Korb, vorne weißer Stoffbezug auf dickem Polster. Die Aufführung, die es am Montagabend zu sehen gab, zählte zu den Klassikern europäischer Fußball-Unterhaltung, und ein bisschen ließ sich aus deutscher Sicht auch das cineastische Motiv vom Spiel mit der Angst herauslesen: Spanien gegen Italien flimmerte da über die Leinwand, und die deutschen Nationalspieler sahen in ihrem Quartier zu, welche der beiden durchaus gefürchteten Mannschaften nun am Sonnabend (21 Uhr) in Bordeaux der Gegner im Viertelfinale dieser EM sein würde.

Italien siegte 2:0, und das hätte etwas Unbehagen auslösen können am Genfer See, weil die teutonische Erfolgsgeschichte bei den Turnieren seit 2006 endete, wenn sich die „Squadra Azzurra“ in den Weg stellte. Halbfinale gegen Italien bei der Heim-WM 2006 – mit 0:2 nach Verlängerung verloren. Halbfinale bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine – gegen Italien mit 1:2 verloren. Tatsächlich aber machte sich im Lager der besten deutschen Fußballer eine beschwingte Laune breit. Zum Training am Montagmittag erschien DFB-Präsident Reinhard Grindel im blütenweißen Hemd, das so strahlte wie das Lachen der Ersatzspieler.

Italiens alte Herren siegen abgezockt gegen Spanien

Italiens alte Herren siegen abgezockt gegen Spanien

Graziano Pelle traf in der Nachspielzeit zum 2:0 für Italien gegen Spanien und machte damit alles klar: Deutschland trifft im Viertelfinale auf seinen Angstgegner
Graziano Pelle traf in der Nachspielzeit zum 2:0 für Italien gegen Spanien und machte damit alles klar: Deutschland trifft im Viertelfinale auf seinen Angstgegner © REUTERS | Darren Staples
Piqué hatte in der 89. Minute noch die Riesenchance zum Ausgleich, der Verteidiger scheiterte aber an Buffon
Piqué hatte in der 89. Minute noch die Riesenchance zum Ausgleich, der Verteidiger scheiterte aber an Buffon © REUTERS | Lee Smith
Italien mausert sich immer mehr zum Titelfavoriten bei der EM
Italien mausert sich immer mehr zum Titelfavoriten bei der EM © REUTERS | Darren Staples
Riesenjubel nach dem Spiel bei den Oldies Gianluigi Buffon und Giorgio Chiellini
Riesenjubel nach dem Spiel bei den Oldies Gianluigi Buffon und Giorgio Chiellini © REUTERS | Lee Smith
Buffon war der bärenstarke Rückhalt für Italien. Wie Neuer hat auch er noch kein Gegentor bei der EM kassiert
Buffon war der bärenstarke Rückhalt für Italien. Wie Neuer hat auch er noch kein Gegentor bei der EM kassiert © REUTERS | John Sibley
Nach dem Schlusspfiff schloss er sogar Frieden mit der Latte. Nach dem Belgien-Spiel stürzte er noch beim Griff an den Querbalken
Nach dem Schlusspfiff schloss er sogar Frieden mit der Latte. Nach dem Belgien-Spiel stürzte er noch beim Griff an den Querbalken © REUTERS | Christian Hartmann
Für Titelverteidiger Spanien ist Turnier nach zwei Niederlagen in Folge hingegen früh beendet
Für Titelverteidiger Spanien ist Turnier nach zwei Niederlagen in Folge hingegen früh beendet © REUTERS | John Sibley
Das Spiel war spielerisch und taktisch auf hohem Niveau
Das Spiel war spielerisch und taktisch auf hohem Niveau © dpa | Filip Singer
Chiellini schoss Italien in Führung, als er in dieser Szene den Ball über die Linie drückte
Chiellini schoss Italien in Führung, als er in dieser Szene den Ball über die Linie drückte © dpa | Christian Charisius
War es das für Spaniens Nationaltrainer Vicente del Bosque?
War es das für Spaniens Nationaltrainer Vicente del Bosque? © dpa | Christian Charisius
Es ging häufig hart zur Sache
Es ging häufig hart zur Sache © dpa | Christian Charisius
Die spanischen Ballkünstler Andres Iniesta und David Silva waren lange Zeit abgemeldet und fanden erst spät ins Spiel
Die spanischen Ballkünstler Andres Iniesta und David Silva waren lange Zeit abgemeldet und fanden erst spät ins Spiel © dpa | Georgi Licovski
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Gewiss, den 3:0-Sieg gegen die Slowakei am Vorabend in Lille wollten Bundestrainer Joachim Löw („Wir müssen uns steigern, wenn wir das Turnier gewinnen wollen“) und die Spieler aufgrund der unzureichenden Qualität des Gegners nicht überbewerten. Aber zur Wahrheit gehörte auch, dass sich der Weltmeister von 2014 seit jener magischen Nacht in Rio zwei Jahre lang durch allerhand Spiele gequält hatte. Biedere Spiele, die schlechte Ergebnisse zur Folge hatten, manchmal auch schlechte Spiele mit besserem Ausgang, so gut wie nie aber Spiele von prägnanter Schönheit und überzeugendem Ergebnis. Das war am Sonntagabend anders – zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Fußballnation und sogar die Spieler selbst einen deutlichen Sieg wünschten.

Weil es so gekommen war, macht sich auf dem Kontinent gerade mal wieder jene Gewissheit breit, die die Konkurrenz wahlweise bestaunt, verflucht oder bewundert. Deutschland ist da, wenn es wichtig wird. „Es braucht immer ein bisschen, bis man richtig reinkommt ins Turnier. Es ist selten so gewesen, dass eine Mannschaft alle Spiele mit zwei, drei Toren Unterschied gewinnt und am Ende Turniersieger wird. Dementsprechend liegen wir gut im Plan“, meinte Bayern-Profi Thomas Müller nach der Partie und stellte den gebotenen Leistungssprung als Folge von harmonisiertem Rhythmus und wachsendem Kollektivgefühl dar.

Aber es ließe sich auch eine psychologische Komponente feststellen. Eine – bewusst oder unbewusst – gesteigerte Wachsamkeit in den Phasen, in denen es um Größeres geht. „Wir sind eher eine Turniermannschaft als eine Testspielmannschaft, aber das müssen wir erst noch abschließend beweisen bei diesem Turnier“, meinte zum Beispiel Mittelfeldstratege Toni Kroos. Er spielt bei Real Madrid und hat gerade die Champions League mit diesem edelsten aller edlen Clubs gewonnen. Spielern seiner Klasse – wie sie Deutschland hat – darf man unterstellen, dass sie die persönliche Bereitschaft rechtzeitig noch etwas nach oben regeln. Dass es so abläuft, davon sind sie im Ausland ziemlich überzeugt. „Deutschland ist einfach eine Turniermannschaft. Die Spieler wissen, wann sie aufdrehen müssen“, sagte der slowakische Trainer Jan Kozak nach dem Spiel, in dem seine Mannschaft vollkommen chancenlos geblieben war: „Ich glaube, die Deutschen haben das Turnier jetzt erst begonnen.“

3:0! Deutschland fertigt die Slowakei ab

3:0! Deutschland fertigt die Slowakei ab

Julian Draxler erzielte das 3:0 gegen die Slowakei
Julian Draxler erzielte das 3:0 gegen die Slowakei © REUTERS | Pascal Rossignol
Der Wolfsburger traf sehenswert in den Winkel
Der Wolfsburger traf sehenswert in den Winkel © REUTERS | BENOIT TESSIER
Mario Gomez jubelt über sein Tor zum 2:0 für Deutschland nach einer starken Vorarbeit von Draxler
Mario Gomez jubelt über sein Tor zum 2:0 für Deutschland nach einer starken Vorarbeit von Draxler © REUTERS | Lee Smith
Gomez vollstreckte eiskalt
Gomez vollstreckte eiskalt © Getty Images | Matthias Hangst
Boateng schoss Deutschland im Achtelfinale gegen die Slowakei in Führung
Boateng schoss Deutschland im Achtelfinale gegen die Slowakei in Führung © REUTERS | Carl Recine
Der Abwehrchef rannte beim Jubel sofort zu Mannschaftsarzt Müller-Wohlfahrt, der ihn rechtzeitig fit machte
Der Abwehrchef rannte beim Jubel sofort zu Mannschaftsarzt Müller-Wohlfahrt, der ihn rechtzeitig fit machte © dpa | Rolex Dela Pena
Der Ball schlug flach unten links im Eck ein
Der Ball schlug flach unten links im Eck ein © dpa | Rolex Dela Pena
Boateng traf mit einem herrlichen Volley
Boateng traf mit einem herrlichen Volley © REUTERS | Carl Recine
Mesut Özil verschoss einen Elfmeter in der Anfangsphase
Mesut Özil verschoss einen Elfmeter in der Anfangsphase © REUTERS | Lee Smith
Der Elfmeter war ganz schwach halbhoch ins Eck geschossen
Der Elfmeter war ganz schwach halbhoch ins Eck geschossen © Getty Images | Matthias Hangst
Ein Foul von Skrtel an Gomez führte zum Strafstoß
Ein Foul von Skrtel an Gomez führte zum Strafstoß © Getty Images | Mike Hewitt
Es will einfach nicht sein Turnier werden: Mesut Özil
Es will einfach nicht sein Turnier werden: Mesut Özil © Getty Images | Mike Hewitt
Von Starspieler Marek Hamsik war nur wenig zu sehen
Von Starspieler Marek Hamsik war nur wenig zu sehen © dpa | Laurent Dubrule
Manuel Neuer musste in der ersten Halbzeit zweimal für Deutschland klären. Einmal bei einem zu kurz geratenen Rückpass von Hector...
Manuel Neuer musste in der ersten Halbzeit zweimal für Deutschland klären. Einmal bei einem zu kurz geratenen Rückpass von Hector... © dpa | Shawn Thew
... Und einmal nach einem Kopfball von Kucka, der sich im Luftduell mit Kimmich durchsetzte
... Und einmal nach einem Kopfball von Kucka, der sich im Luftduell mit Kimmich durchsetzte © REUTERS | Gonzalo Fuentes
Thomas Müller ist weiterhin auf der Suche nach seinem ersten EM-Tor
Thomas Müller ist weiterhin auf der Suche nach seinem ersten EM-Tor © Getty Images | Alexander Hassenstein
Joshua Kimmich erhielt erneut den Vorzug als Rechtsverteidiger
Joshua Kimmich erhielt erneut den Vorzug als Rechtsverteidiger © REUTERS | Gonzalo Fuentes
Julian Draxler verdrängte überraschend Mario Götze aus der Startelf
Julian Draxler verdrängte überraschend Mario Götze aus der Startelf © dpa | Laurent Dubrule
Egal welche Änderungen Löw in der Startelf vornimmt, Özil spielt immer
Egal welche Änderungen Löw in der Startelf vornimmt, Özil spielt immer © REUTERS | Gonzalo Fuentes
Die Slowaken haben sich auch optisch Verstärkung auf den Rängen organisiert
Die Slowaken haben sich auch optisch Verstärkung auf den Rängen organisiert © Getty Images | Clive Rose
Kapitän Bastian Schweinsteiger fand sich erneut auf der Bank wieder
Kapitän Bastian Schweinsteiger fand sich erneut auf der Bank wieder © dpa | Arne Dedert
Am 10. Juli soll der Pokal in die Luft gereckt werden
Am 10. Juli soll der Pokal in die Luft gereckt werden © Getty Images | Clive Rose
Deutsche Fans lassen ihrer Kreativität freien Lauf
Deutsche Fans lassen ihrer Kreativität freien Lauf © dpa | Shawn Thew
Diese beiden Herren hatten sich wohl verirrt
Diese beiden Herren hatten sich wohl verirrt © dpa | Shawn Thew
Joachim Löw war auch auf den Rängen ein gefragter Mann
Joachim Löw war auch auf den Rängen ein gefragter Mann © REUTERS | Gonzalo Fuentes
Egal ob Deutschland oder die Slowakei – Hauptsache EU
Egal ob Deutschland oder die Slowakei – Hauptsache EU © REUTERS | Pascal Rossignol
Deutsche Fans stimmen sich auf das Spiel ein
Deutsche Fans stimmen sich auf das Spiel ein © dpa | Christian Charisius
Gute Stimmung vor dem Spiel unter den Slowakei-Fans
Gute Stimmung vor dem Spiel unter den Slowakei-Fans © REUTERS | Pascal Rossignol
Cathy Hummels war natürlich wieder im Stadion
Cathy Hummels war natürlich wieder im Stadion © dpa | Arne Dedert
Deutsche Fans waren in Lille in der Überzahl
Deutsche Fans waren in Lille in der Überzahl © dpa | Filip Singer
Diese Anhänger glaubten im Vorfeld an ihre Nation und den Viertelfinaleinzug
Diese Anhänger glaubten im Vorfeld an ihre Nation und den Viertelfinaleinzug © dpa | Christian Charisius
Die deutsche Mannschaft machte beim Betreten des Rasens einen entspannten Eindruck
Die deutsche Mannschaft machte beim Betreten des Rasens einen entspannten Eindruck © dpa | Peter Kneffel
Daumen runter? Deutschland steht im Viertelfinale
Daumen runter? Deutschland steht im Viertelfinale © REUTERS | Pascal Rossignol
Einige Experten erwarteten Leroy Sané in der Startelf. Doch Löw entschied sich für Draxler statt Götze
Einige Experten erwarteten Leroy Sané in der Startelf. Doch Löw entschied sich für Draxler statt Götze © REUTERS | Carl Recine
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Ab jetzt aber wartet auf den Bundestrainer und seine Mannschaft gehobene bis höchste europäische Qualität. „Spanien war die technisch beste Mannschaft bei diesem Turnier. Sie sind verdammt ballsicher“, lobte Abwehrchef Jerome Boateng erst die spanische Offensive, dann die italienische Defensive: „Sie sind taktisch super geschult, die Abstände stimmen zentimetergenau.“ Aber selbst die Aussicht auf Angstgegner Italien im Viertelfinale bringt niemanden so recht aus der Ruhe. „Beide Mannschaften, die Italiener und wir, sind in die Kategorie Turnierfavorit einzuordnen“, befand Joachim Löw, aber „das bereitet mir keine schlaflosen Nächte“. Er weiß, was seine Mannschaft kann und dass es gute Gründe gibt, an ein Weiterkommen zu glauben.

Da wäre erstens die Defensive, die zwei Jahre lang so geordnet wirkte wie ein Pariser Kreisverkehr im Feierabendverkehr, nun aber Bestwerte erzielt. Keinen einzigen Gegentreffer musste sie in den ersten vier EM-Spielen hinnehmen, selbst die gefürchteten Konter des Gegners hat sie erstaunlich gut im Griff, was gegen Italien helfen dürfte. Mittlerweile – Punkt zwei – hat die Offensive ihre Leichtigkeit zurück. In den zurückliegenden beiden Spielen produzierte sie eine geradezu unübersichtliche Anzahl bester Chancen, von denen allerdings zu viele ungenutzt blieben. Und drittens scheint Joachim Löw das goldene Händchen für seine Mannschaft nicht eingebüßt zu haben. Er brachte zuletzt auf der Rechtsverteidigerposition Joshua Kimmich für Benedikt Höwedes, was die Offensive belebte. Er entschied sich für Mario Gomez als Stürmer, der sich in zwei Spielen mit zwei Toren bedankte. Und er brachte Mittelfeldspieler Julian Draxler wieder ins Spiel, der gegen die Slowakei ein Schlüsselspieler war.

Deutschlands EM-Film bewegt sich nach etwas tempolosem Beginn nun auf einen ersten Höhepunkt zu. Und spätestens am 10. Juli wird dann feststehen, welchem Genre er zuzuordnen ist: Drama, Tragikomödie oder doch Fortsetzungsroman mit Happy End.