Evian. Bastian Schweinsteiger glaubt, von Beginn an spielen zu können. Fraglich ist, ob der Bundestrainer ihn lässt

Bastian Schweinsteiger ist ein großer Basketballfan. Bevor er sich aus anderen Motiven für Tennis zu interessieren begann, verbrachte der 31-Jährige viel Zeit bei den Korbjägern des FC Bayern. Und zwar nicht erst, als die Münchner Basketballer unter dem Trainer Svetislav Pesic die Bundesliga dominierten. Die Liebe zu diesem Sport ging sogar so weit, dass Schweinsteiger bei der WM 2014 seine Kollegen aus der deutschen Fußball-Nationalelf mit Pesic-Shirts ausstattete.

Weil Bastian Schweinsteiger so ein Kenner ist, weiß er, was ansteht: Im Basketball nennt man die Phase, die jetzt bei der EM anbricht, Crunch Time – die Zeit, in der sich entscheidet, wer den Triumph davonträgt. In der Helden gemacht werden. Das Viertelfinale wird die erste große Reifeprüfung für die deutsche Nationalelf bei diesem Turnier. Es läutet die Crunch Time ein, und Schweinsteiger ist der Crunch-Time-Spieler. So hatte es sich Joachim Löw zumindest vor der EM ausgedacht, als sein Kapitän von zwei Knieverletzungen zurückkehrte, aber keiner wusste, ob er fit genug werden würde.

Jetzt, nach drei Einwechslungen, weiß immer noch keiner, wie weit der Fitnessstand des Mittelfeldstrategen wirklich fortgeschritten ist. Auch Schweinsteiger selbst nicht: „Ich fühle mich gut“, berichtete der Profi von Manchester United nach dem 3:0-Achtelfinalsieg gegen die Slowakei zwar, bei dem er für 18 Minuten mitmachen durfte. Aber nach einem Kurzeinsatz gegen die Ukraine samt eigenem Treffer, 20 Minuten gegen Nordirland und nun ähnlich vielen gegen die Slowakei sagte er auch: „Vom Rhythmus her ist es nicht ganz ideal.“ Ob er sich trotzdem imstande sehe, schon wieder 90 Minuten zu spielen, wurde Schweinsteiger gefragt: „Ich würde mir zutrauen, von Anfang an zu spielen“, antwortete er.

Es ist das erste Mal, dass Schwein­steiger bei der EM zu seiner Person Stellung nimmt, die bereits für viele Schlagzeilen gesorgt hat. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ taufte ihn zuletzt „Phantomkapitän“, weil er zwar auf dem Papier der Spielführer, auf dem Platz aber kaum noch zu sehen ist. Vielleicht bringt sich Schweinsteiger auch deshalb in Stellung. Zwar sagte er: „Für mich ging es in erster Linie darum, dabei zu sein, gesund zu sein. Von daher bin ich froh, wie es läuft.“ Aber der ehemalige Münchner ist lang genug im Geschäft, um zu wissen, was eine Ich-kann-von-Beginn-an-spielen-Aussage von ihm in der Öffentlichkeit auslöst: Sie tritt eine Debatte darüber los, ob Löw ihn jetzt nicht aufstellen müsse.

Schweinsteiger spielt in Frankreich sein siebtes Turnier. Seit zwölf Jahren ist er Teil der Nationalelf, sogar etwas länger als Löw. Und bisher hatten beide stets eine gemeinsame Agenda. Bei der WM 2014 hat Schweinsteiger seiner Mannschaft die richtige Haltung verliehen. Er war da, als er am nötigsten gebraucht wurde. Er führte das Team im Finale unter größter Anstrengung zum Titel und wurde zum Helden. Danach lagen sich Löw und Schweinsteiger weinend in den Armen. Auch damals hatte der Bundestrainer mit der Karte Schweinsteiger gepokert, weil dieser aus einer Verletzung kam und zu Beginn nicht fit genug für 90 Minuten war. Der Plan ging auf. Und Löw wollte ihn in Frankreich kopieren.

Schweinsteiger mache im Training einen sehr guten Eindruck, sagte Löw zwar und ließ einen nachhallenden Satz stehen: „Ich glaube, Bastian wird für uns noch wichtig sein bei diesem Turnier.“ Schweinsteiger sagte: „Ich hoffe, dass wir uns als Mannschaft jetzt gegen einen großen Gegner beweisen können“, und das klang nicht so, als meinte er sich selbst als Startelfspieler. Bei aller Sonderstellung für den Helden von Rio darf man ja auch nicht vergessen, dass Schweinsteiger stets ein Teamplayer war. Beim Training am Montag in Evian unterlief ihm ein Eigentor. Das gab großes Gelächter der Kollegen. Und Schweinsteiger lachte mit.