Mexiko-Stadt. Nach dem verlorenen Finale einer mauen Copa América tritt Lionel Messi aus Argentiniens Nationalteam zurück

Die Bombe platzte, als Lionel Messi frisch geduscht aus der Umkleidekabine kam. „Meine Zeit in der Nationalmannschaft ist vorbei“, sagte er den Reportern. „Ich habe drei Finals am Stück verloren. Das ist jetzt genug. Ich habe es so sehr gewollt. Es ist für alle das Beste. Die Entscheidung steht.“ Messi, der weltbeste Fußballer, ließ ein ganzes Land und vielleicht alle Fans auf der Welt verdutzt zurück. Für die argentinische Auswahl bestritt der 29-Jährige vom FC Barcelona 113 Länderspiele. Titel gewann er keine. Auch Javier Mascherano (32) und Sergio Agüero (28) erklärten ihren Rücktritt.

Für sie war die Niederlage der himmelblau-weißen Auswahl kurz zuvor im Finale der Copa América zu viel. Wieder Elfmeterschießen, wieder Chile, wieder verloren. Und Messi konnte das Ende nicht mehr ertragen. Als Francisco Silva für Chile zum letzten und entscheidenden Elfmeter anlief, vergrub er sein Gesicht in das Trikot.

Der beste Fußballer der Welt war in der Elfer-Lotterie zwischen Chile und Argentinien als Erster für seine Mannschaft angetreten, hatte den Ball in den Nachthimmel von East Rutherford gedroschen und sein Team damit auf die Verliererstraße gebracht. Argentiniens goldene Generation um Messi, Ángel di María (28) und Mascherano verlor auch das dritte Finale in Folge: WM 2014 gegen Deutschland, Copa América gegen Chile im Elfmeterschießen 2015 und ein Jahr später das Déjà-vu bei der Jubiläumsausgabe der Copa América in den USA. Zu den 23 Jahren ohne Titel kommen mindestens noch zwei hinzu. Und ob diese argentinischen Spieler, die alle um die 30 oder älter sind, bei der WM in Russland 2018 noch mal um den ersten Platz mitspielen können? Eher nicht! Ohne Messi und Mascherano schon gar nicht. Wenn es sich die beiden nicht noch einmal anders überlegen.

Als Messi, sich die Haare raufend, zur Ersatzbank schlich und dort minutenlang mit leerem Blick sitzen blieb, wird er geahnt haben, was daheim los war. Wieder konnte der Ausnahmekönner und Rekordtorschütze (55 Treffer) seiner Auswahl keinen Titel bringen.

Argentinier sind im Fußball keine guten Verlierer. Und der Schuldige ist schnell ausgemacht. Es scheint ein Fluch auf Messi im Trikot seiner Heimat zu liegen. Und auch ein Fluch auf einer der begabtesten Nationalmannschaften Argentiniens aller Zeiten.

Die 120 torlosen Minuten waren ein Endspiel für Freunde des Kampf- und Kontaktsports. Raufen, Treten, Zerren war die Devise. Fußball wurde in der ersten Hälfte überhaupt nicht gespielt, im zweiten Durchgang und in der Verlängerung nur sehr wenig. Sieben Gelbe Karten, eine Gelb-Rote und eine Rote standen am Ende zu Buche und damit deutlich mehr als die großzügig gerechneten fünf Torschüsse. Messis auffälligste Szene in der regulären Spielzeit war eine Verwarnung für den Versuch, einen Strafstoß zu schinden.

Am Ende gewann nicht das bessere, sondern das glücklichere Team, das bei diesem Turnier allerdings für die wenigen Highlights gesorgt hatte. Chiles 7:0-Sieg über Mexiko im Viertelfinale war das schönste Spiel der Copa.

Das Finale aber war ein würdiges Ende eines Turniers, das niemand so richtig wollte, sondern sich die korrupten Verbandsbosse des südamerikanischen Fußballbundes Conmebol und seiner nordamerikanischen Schwester Concacaf ausgedacht hatten, um noch mehr Gelder in die Kassen und die eigenen Taschen zu spülen. Bei der Copa América Centenario, dem Jubiläumsturnier zum 100. Geburtstag, spielten die zehn Teams der Conmebol und sechs Mannschaften aus der Concacaf.

Am Ende aber war der Fußball sehr schlicht, den die meisten Mannschaften boten. Bis auf Argentinien, Chile und die USA, die das Spiel um Platz drei gegen Kolumbien mit 0:1 verloren, waren viele Nationen mit besseren B-Teams angereist. Und so dominierte fußballerische Armut, ruppiges Spiel – und dazu unterirdisch schlechte Schiedsrichterleistungen. Im Gruppenspiel Chiles gegen Bolivien ließ der Schiedsrichter zehn Minuten nachspielen und erkannte Chile im letzten Moment einen fragwürdigen Elfmeter zu. Geradezu dramatisch erscheint der Unterschied, wenn man die EM in Frankreich sieht, wo der Fußball zwar nicht immer offensiv, aber taktisch ausgereift und fair ist. Und die Leistungen der Referees sind untadelig.

Diese Sonderausgabe der Copa hat auch bestätigt, dass Argentinien und Chile die derzeit dominierenden Teams in Lateinamerika sind. Brasilien ist nur noch ein Team unter vielen. Der Rekordweltmeister, einst Garant des schönen Fußballs, ist auch zwei Jahre nach der Schmach bei der Heim-WM kein Stück weiter. Die Mannschaft, die ohne Superstar Neymar angetreten war, überstand nicht einmal die Gruppenphase. Einfallsloser Fußball, defensiv anfällig, Spieler, die ihren Zenit lange hinter sich haben – so macht die gelb-blaue Auswahl niemandem mehr Angst.

Die Erneuerung, nach dem 1:7 im Halbfinale 2014 gegen Deutschland so oft gefordert, blieb aus. Trainer Carlos Dunga brachte keine neuen Spielideen mit, als er nach der WM übernahm. Nach dem frühen Aus beim ältesten Nationenturnier der Welt fiel für den ehemaligen Stuttgarter Bundesligaprofi der Vorhang. Nun soll es ein nahezu Unbekannter richten. Adenor Leonardo Bachi alias Tite (55) war vor allem im heimischen Vereinsfußball erfolgreich. Er soll Brasilien bei Olympia in Rio im August die ersehnte Goldmedaille sichern.