Paris. Weltmeister von 2006 gewinnt Neuauflage des EM-Finals 2012 gegen Spanien und trifft nun auf Deutschland

Der unbezwingbare Gianluigi Buffon nahm den Kopf von Giorgio Chiellini zärtlich in seine riesigen Hände, die beiden Helden schrien sich an vor Freude. Dann schwang sich der italienische Torhüter mit seinen 38 Jahren wie ein junger Hüpfer an die Latte seines Tores und riss die rechte Faust in die Höhe. Der alte deutsche Angstgegner Italien hat dem Europameister Spanien beim 2:0-Achtelfinalsieg am Montagabend den letzten Nerv geraubt und fordert im EM-Viertelfinale am Sonnabend (21 Uhr) in Bordeaux nun die Weltmeister heraus.

Bundestrainer Joachim Löw sagte in einem ersten Statement: „Es ist imponierend, wie Italien spielt. Ich freue mich auf das Spiel. Italien hat die älteste, wir die jüngste Mannschaft im Turnier. Es gab in der Vergangenheit viele heiße Duelle, und wir haben in Turnieren immer verloren. Jetzt haben wir die Chance, das mal umzudrehen. Für mich treffen die beiden besten Mannschaften des Turniers bisher aufeinander. Ich erwarte ein heiß umkämpftes, interessantes und intensives Spiel.“

„Italien gegen Deutschland: Man erschaudert davor, es wird äußerst schwierig werden“, sagte Nationaltrainer Antonio Conte, der nach dem zweiten Tor von Pellè in der Nachspielzeit vor Begeisterung halb auf das Dach der Ersatzbank sprang, voller Respekt. Er sandte aber auch gleich eine Botschaft an die DFB-Auswahl nach Evian: „Meine Spieler haben etwas ganz Besonderes in sich! Wir haben gezeigt, dass Italien mehr als nur Catenaccio ist.“

In der Tat. Die deutsche Mannschaft sah in ihrem Quartier am Genfer See live, wie die „Squadra Azzurra“ überraschend mutig und offensiv das gefürchtete Passspiel der spanischen Titelverteidiger ausschaltete. Italien gewann das Achtelfinale der Giganten dank einer taktischen Meisterleistung verdient. Dennoch: „Wir werden mehr als heute Abend leisten müssen, ansonsten werden wir es gegen Deutschland nicht schaffen“, mahnte Torschütze Chiellini, der in der 33. Minute die Führung erzielt hatte.

Der Traum der hilflosen Spanier vom EM-Hattrick platzte zwei Jahre nach dem WM-Debakel mit dem Vorrundenaus in Brasilien brutal. Italien wird gegen Deutschland kaum weniger selbstbewusst auftreten als in St. Denis: Der viermalige Weltmeister hat von acht Turnierspielen gegen die DFB-Auswahl keines verloren, zuletzt siegte er im EM-Halbfinale 2012 mit 2:1. Der damalige Doppeltorschütze Mario Balotelli ist allerdings diesmal nicht im Kader.

Italien nahm durch den Erfolg auch Revanche für das ohne jede Chance mit 0:4 verlorene EM-Finale 2012. Entsprechend stand auf einem Fanplakat: „Spexit“, angelehnt an den „Brexit“ genannten Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union. „Ein solches Erfolgserlebnis haben wir gebraucht!“, sagte Chiellini. Allerdings konnten sich die Italiener in der Schlussphase auch bei ihrem Torhüter Buffon bedanken. Er parierte gegen die anstürmenden Spanier vor 76.125 Zuschauern mehrfach großartig.

Auch Spanien und Italien hatten sich schon häufiger zu wegweisenden Spielen bei großen Turnieren getroffen. Bei der EM 2008 gewann die noch von Luis Aragones trainierte „La Roja“ ein denkwürdiges Viertelfinale mit 4:2 im Elfmeterschießen und machte damit nach Jahrzehnten frühen Scheiterns den Weg frei zum EM-Titel 2008, zum WM-Titel 2010 und zum EM-Titel 2012. Nun aber wirkten die Spanier planlos, die Italiener dagegen taten, was sie am besten können: humorlos verteidigen und schnörkellos angreifen. Das sah äußerst souverän aus und wurde nach einer halben Stunde belohnt. Fünf Minuten, nachdem Sergio Ramos fast ein Eigentor fabriziert hätte, konnte Spaniens Keeper David De Gea einen Freistoß von Eder nicht festhalten. Emanuele Giaccherini blieb beim Nachschussversuch noch hängen, Chiellini aber schob ein.

Was für ein Schock für Spanien: Der erste Gegentreffer in einem K.-o.-Spiel seit der Achtelfinalniederlage bei der WM 2006 gegen Frankreich (1:3) schien die Mannschaft zu lähmen. Die Italiener wirkten frischer, spritziger und entschlossener. Spanien bäumte sich erst nach der Pause auf. Alvaro Morata (49.) bekam eine gute Chance, der Angreifer von Juventus Turin köpfte den Ball hart, aber direkt in die Arme seines Vereinskollegen Buffon. Kurz danach wäre es fast aus gewesen, als De Gea im Duell gegen den heranstürmenden Eder retten musste (55.). Dann warf Spanien alles nach vorne, doch es war Pellè, der für Italien in der Nachspielzeit alles klar machte.

Italien: Buffon – Barzagli, Bonucci, Chiellini – De Rossi (54. Motta) – Florenzi (84. Darmian), Parolo, Giaccherini, De Sciglio – Eder (82. Insigne) – Pellè.Spanien: De Gea – Juanfran, Piqué, Ramos, Alba – Busquets – Fàbregas, Iniesta – Silva. Morata (70. Vàzquez), Nolito (46. Aduriz/81. Pedro Rodriguez).Tore: 1:0 Chiellini (33.), 2:0 Pellè (90.+1). Schiedsrichter: Cakir (Türkei). Zuschauer: 76.165. Gelbe Karten: De Sciglio, Pellè, Motta (2) – Nolito, Busquets, Silva. Erweiterte Statistik: Torschüsse 11:13, Ecken 5:9, Ballbesitz 42:58 Prozent, Zweikämpfe 83:72.