Hamburg. Der 28-Jährige feiert ein gelungenes Comeback bei deutschen Turnmeisterschaften in Hamburg. Lob für den Gastgeber.

Als auch die letzte Frage beantwortet war, hatte Fabian Hambüchenselbst eine Frage: „Darf ich jetzt pinkeln gehen?“ Die Dopingprobe im zweiten Obergeschoss der Sporthalle Hamburg wartete noch. Sie hatte sich der deutsche Vorturner gewissermaßen selbst aufgehalst: mit der Goldmedaille, die ihm kurz zuvor Sportstaatsrat Christoph Holstein umgehängt hatte, seiner 40. bei deutschen Meisterschaften. Hambüchen (28) hatte sie sich mit einer fehlerfreien Reckübung erturnt, mit spektakulären Fliegern, geschmeidigen Verbindungen und einem Abgang ohne jeden Wackler. Es war ein Abschluss wie gemalt für diese gelungene Veranstaltung, die ja gleichzeitig wohl auch der letzte nationale Titelkampf einer großartigen Turnkarriere bleiben wird.

„Ich bin mehr als zufrieden“, sagte Hambüchen später, „zwei Titel waren sicher nicht zu erwarten.“ Auch am Boden hatte sich der frühere Reckweltmeister aus Wetzlar Gold gesichert. Auch da nicht mit dem schwierigsten Programm, das er je geturnt hat, sondern indem er das, was nach drei Monaten Verletzungspause, vier Kilogramm Gewichtsverlust und nur drei Wochen Training möglich war, in Perfektion vorgeführt hat.

Die Konkurrenz riskierte teilweise mehr – als gut war. Andreas Bret­schnei­der aus Chemnitz setzte am Reck die Weltpremiere seines spektakulären Fliegers – gestreckter Doppelsalto mit zwei Schrauben – gleich zweimal auf die Matte, was er später mit Übermotivation erklärte: „Das kann unter Adrenalin schon mal passieren.“

Der Satz wird Cheftrainer Andreas Hirsch zu denken geben. Am 10. Juli, dem Tag nach der zweiten Olympiaqualifikation in Frankfurt, muss er fünf Männer für die Spiele in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) benennen. Auf Hambüchen wird er kaum verzichten wollen, wenngleich der sich im hohen Turnalter auf drei Geräte – Reck, Boden, Sprung – beschränkt. Den Mehrkampftitel musste Hambüchen so nach vier Jahren anderen überlassen. Ihn gewann etwas überraschend Andreas Toba aus Hannover, was auch eine schöne Geschichte war: Sein Vater Marius hatte 1994 an gleicher Stelle den gleichen Titel gewonnen. Toba empfahl sich zudem mit dem Ringetitel, den er sich allerdings mit Marcel Nguyen teilen musste, dem Olympiazweiten im Mehrkampf aus Unterhaching.

Deutlich leichter als Hirsch dürfte es seine Kollegin Ulla Koch bei der Auswahl haben. In Hamburg machte genau jenes Quintett um Mehrkampfmeisterin Sophie Scheder (Chemnitz) die Titel unter sich aus, das Koch bereits für Rio eingeplant hat. „Wenn alle gesund bleiben, haben wir keine Pro­bleme“, sagte die Cheftrainerin.

Sein Heimspiel nur zur Hälfte genießen konnte Jasper Vennemann vom Altonaer TSV. Hamburgs einziger Meisterschaftsteilnehmer musste seinen Mehrkampf wie befürchtet auf Pauschenpferd, Ringe und Barren reduzieren. Boden, Reck und Sprung hätten dem lädierten Sprunggelenk dann doch zu sehr zugesetzt. Er kann sich damit trösten, als 34. nur einen Rang schlechter als Fabian Hambüchen abgeschnitten zu haben. Dass es Vennemann mit seinen 35 Jahren als Feierabendturner überhaupt in den Wettbewerb geschafft hatte, ist Erfolg genug.

Als Gewinner dürfen sich auch die Organisatoren vom Verband für Turnen und Freizeit (VTF) fühlen. „Wir sind sehr zufrieden mit der Veranstaltung, hier wurden große Anstrengungen unternommen“, sagte Rainer Brechtken, Präsident des Deutschen Turner-Bundes (DTB). Wie sonst nur bei internationalen Meisterschaften üblich, wurden die Geräte auf Podien gestellt, um die Sichtbarkeit zu verbessern. Das Publikum dankte es, indem es prächtig Stimmung machte. Die Mehrkampfentscheidung am Sonnabend verfolgten 2500 (Männer) und 3000 Zuschauer. Für die Gerätefinals am Sonntag wurden 3800 Karten verkauft.

Die Einnahmen helfen, den Zuschuss der Stadt zu reduzieren, ohne den sich die Veranstaltung nicht hätte durchführen lassen. Die Suche nach lokalen Sponsoren war weitgehend erfolglos verlaufen. „Die Zurückhaltung hat uns schon enttäuscht“, sagte Uschi Schmitz, Geschäftsführerin der DTB Service GmbH, und vermutete einen Zusammenhang mit dem gescheiterten Olympia-Referendum. 2015 in Gießen hatten die Meisterschaften noch ausschließlich durch Kartenverkauf und Werbung finanziert werden können.

DTB-Chef Brechtken hofft dennoch, dass es nicht noch einmal 22 Jahre dauert, bis in Hamburg wieder großes Gerätturnen zu sehen ist: „Ich bin zuversichtlich, dass wir nach der positiven Erfahrung ein bisschen Kontinuität reinbekommen.“ Es müssen ja nicht gleich deutsche Meisterschaften sein. Europameisterschaften wären auch bald wieder zu vergeben.