EM-Analyse Im Spielaufbau ist die deutsche Mannschaft die bisher beste der EM

Keine Frage, das war ein höchst dominanter Auftritt der deutschen Nationalmannschaft. Das Team von Joachim Löw war den Slowaken in allen Belangen haushoch überlegen.

Dass Mario Götze nicht in der Startformation stand, hat mich überrascht. Mitleid ist im Hochleistungssport ein unangebrachter Begriff, aber es ist schon bitter, welche Phase seiner Karriere unser Held der WM 2014 gerade durchmacht. Beim FC Bayern ist er unerwünscht. Umso mehr wollte er bei dieser EM zeigen, dass er nach wie vor ein überragender Fußballer ist. Und nun hat er nicht einmal mehr den Rückhalt bei Joachim Löw, der ihn ausgerechnet im ersten K.-o.-Spiel auf die Bank gesetzt hat. Dabei fand ich seine Form in der Vorrunde durchaus ansteigend. Und ganz ehrlich: Gegen diese schwachen Slowaken hätte auch er groß aufspielen können. Aber jetzt wird es für ihn ganz schwer, in die Startformation zurückzukehren, zumal sein Konkurrent Julian Draxler das 2:0 vorbereitete und das 3:0 erzielte. Eine Zukunft als sogenannte falsche Neun, also als spielende Sturmspitze, hat er bei diesem Turnier ohnehin nicht mehr. Mario Gomez hat gegen die Slowakei wieder getroffen, an ihm wird der Bundestrainer festhalten.

Verwundert hat mich auch, dass Mesut Özil den Elfmeter geschossen hat – und nicht Thomas Müller. Der Strafstoß war leider ein dankbares Ding für den slowakischen Torwart. Aber mir hat gefallen, dass Mesut Verantwortung übernommen hat.

Müller hätte es natürlich gut getan, wenn er über einen verwandelten Elfmeter wieder Selbstvertrauen getankt hätte. Nach vier Spielen muss man leider sagen: Es ist bislang nicht sein Turnier. Gegen Nordirland hatte er zumindest noch Chancen, gegen die Slowakei ist er abgetaucht. Und wenn einer wie er gegen zwei Teams, die nun nicht gerade internationale Klasse darstellen, nicht trifft, ist das ein schlechtes Zeichen. Ich fürchte, dass Thomas gerade die erste kleine Delle seiner großartigen Karriere erlebt. Dennoch wird Löw weiter auf ihn setzen, womöglich findet er ja doch noch zu alter Stärke zurück.

Mit großer Spannung werde ich heute Abend das Achtelfinale zwischen Spanien und Italien verfolgen – das Duell ist für mich völlig offen. Ich glaube, dass uns die Spanier im Viertelfinale etwas mehr liegen würden; sie setzen wie wir auf Ballbesitz. Die Italiener respektiere ich vor allem wegen ihrer überragenden Mentalität. Wenn sie einmal in Führung gehen, wird es für jeden Gegner wahnsinnig schwer, da sie in der Defensive kaum zu verwunden sind.

Andererseits hat diese deutsche Mannschaft keinen Gegner bei dieser EM zu fürchten. In Sachen Spielaufbau aus der eigenen Abwehr sind wir dank der Innenverteidiger Mats Hummels und Jerome Boateng bei diesem Turnier bislang die beste Mannschaft. Jeromes überragende Schussqualitäten waren beim 1:0 zu besichtigen. Mit Manuel Neuer haben wir dahinter einen Weltklassetorwart, der trotz Unterbeschäftigung auch gegen die Slowaken wieder gezeigt hat, dass auf sein Können jederzeit Verlass ist. Und mit Joshua Kimmich hat Löw eine gute Besetzung für die zuvor neuralgische rechte Abwehrseite gefunden. Ja, diese Mannschaft kann Europameister werden.

Auf jeden Fall bin ich froh, dass es nun in jedem Spiel um alles oder nichts geht. Ich bleibe dabei: Der Modus mit 24 Mannschaften ist ermüdend. Es sind zu viele Teams dabei, die bei einer Endrunde fehl am Platz sind.