St. Etienne. Wales gewinnt das “Battle of Britain“ gegen Nordirland durch ein Eigentor. Polen setzt sich im Elfmeterschießen gegen Schweiz durch.

Die polnische Fußball-Nationalmannschaft hat im ersten Elfmeterkrimi der EM einen historischen Sieg gefeiert und das Schweizer „Team Bundesliga“ nach Hause geschickt. Dank des einzigen Fehlschusses von Granit Xhaka gewannen die Polen das Achtelfinale der beiden K.o.-Runden-Debütanten in St. Etienne mit 5:4 i.E. und zogen erstmals ins Viertelfinale ein. Nach 90 und 120 Minuten hatte es 1:1 gestanden.

Die Polen fordern nach ihrem ersten K.o.-Spiel seit der WM 1986 am Donnerstag (21.00 Uhr) in Marseille den Sieger des Achtelfinals am Samstagabend zwischen Kroatien und Portugal. Für die Schweiz, die ebenfalls erstmals eine EM-Vorrunde überstanden hatte, geht es zurück in die Heimat. Xhaka versagten die Nerven.

Selbst der sensationelle 1:1- Ausgleich von Xherdan Shaqiri per Fallrückzieher aus 16 Metern (82.) führte die Schweizer nicht auf die Siegerstraße. Jakub Blaszczykowski (39.), von Borussia Dortmund an den AC Florenz ausgeliehen, hatte 10.000 polnische Fans unter den 38.842 Zuschauern im Stade Geoffroy Guichard zuvor mit seinem 18. Länderspieltor verzückt.

In der Verlängerung suchte die Schweiz die Entscheidung, der frühere Leverkusener Eren Derdiyok (113.) vergab jedoch die Riesenchance. Polen war am Ende seiner Kräfte.

Fabianski hielt Polen im Spiel

Garant des polnischen Sieges war auch Torhüter Lukasz Fabianski, der in der 73. Minute einen Freistoß des Wolfsburgers Ricardo Rodriguez mit einer herausragenden Parade aus dem Torwinkel lenkte. Zudem rettete die Querlatte bei einem Schuss von Haris Seferovic (78.). Polens Superstar Robert Lewandowski vom FC Bayern war hingegen wieder unauffällig - eine Schrecksekunde war seine minutenlange Behandlungspause nach einem groben Foul des Hoffenheimers Fabian Schär (55.). Seinen Elfmeter verwandelte er sicher - wie Blaszczykowski.

Allgemein war ein Spiel erwartet worden, in dem beide Mannschaften primär das eigene Tor absichern. Weit gefehlt: Nach 26 Sekunden spielte Johan Djourou vom Hamburger SV einen Katastrophen-Rückpass auf den Gladbacher Torhüter Yann Sommer, aber Polens Arkadiusz Milik traf das leere Tor nicht. Auch danach zeigte sich die Schweiz überrascht vom polnischen Pressing - die Spieler der „Nati“ sagten sich auf dem Rasen nach Fehlpässen mehrmals deutlich die Meinung.

Lewandowski hatte bei der Europameisterschaft noch nichts bewirkt, aber Polens Nationaltrainer Adam Nawalka setzte unverdrossen auf seinen Star-Torjäger. Für die Schweiz stürmte nach einem Spiel Denkpause wieder Seferovic (Eintracht Frankfurt), der in den ersten beiden Gruppenspielen sechsmal alleine vor dem gegnerischen Torwart gescheitert war. Breel Embolo, von Schalke 04 umworben, saß dafür bis zur 58. Minute auf der Bank.

Polen hielt seinen anfänglichen Schwung nicht durch, hatte aber weiter die besseren Chancen. Die vorerst beste bot sich Grzegorz Krychowiak, der nach einem Milik-Eckball frei über das Tor köpfte (29.). Eine ähnliche Gelegenheit vergab kurz darauf der Schweizer Schär (35.), Milik selbst schoss aus kurzer Distanz drüber (33.).

Dann stand Blaszczykowski im Strafraum frei, nachdem Milik sensationell am Elfmeterpunkt durchgelassen heute. „Kuba“ schob Sommer den Ball durch die Beine ins Tor - und in der 53. Minute hätte er fast einen zweiten Treffer nachgelegt.

Die Schweizer verstanden daraufhin endlich, welche Chance sich ihnen eröffnete. Xhaka und Shaqiri trieben ihre Mitspieler an, doch vorerst blieb die polnische Abwehr weiter ohne Gegentor - denn bei Shaqiris Fernschuss (51.) riss der aufmerksame Torhüter Fabianski die Fäuste hoch.

Nordirland schlägt sich gegen Wales selbst

Ein Eigentor von Gareth McAuley hat den zähen „Battle of Britain II“ entschieden und Wales gleich bei der ersten EM-Teilnahme den Sprung ins Viertelfinale beschert. Der nordirische Verteidiger beförderte am Samstag nach einer Flanke von Superstar Gareth Bale in einem niveauarmen Bruderduell den Ball zum entscheidenden 0:1 (0:0) über die eigene Torlinie. Damit trifft Wales am Freitag (21.00 Uhr) in Lille auf den Sieger der Partie zwischen Ungarn und Belgien. Die Nordiren dürften aber trotz ihres Ausscheidens die erste EM-Teilnahme ebenfalls in guter Erinnerung behalten, insbesondere durch ihre verrückten Fans hatte sich die „Green and White Army“ viele Freunde in Frankreich gemacht.

Vor 48.000 Zuschauern im Pariser Prinzenparkstadion war es fast schon bezeichnend, dass ein Eigentor die Partie in der 75. Minute entschied. Ausgerechnet McAuley unterlief dabei das Missgeschick. Der 36 Jahre alte Abwehrhüne war im zweiten Gruppenspiel noch gefeierter Held, als er das erste nordirische Tor beim 2:0 gegen die Ukraine erzielt hatte.

„Sie sind unser Gegner, spielen in andersfarbigen Trikots. Woher die kommen, ist irrelevant“, hatte Wales-Trainer Chris Coleman mit deutlichen Worten den „Battle“ angeheizt. Auf dem Rasen entwickelte sich das Spiel dagegen eher zu einem lauschigen Sommerkick. Wenige Torraumszenen, kaum packende Zweikämpfe - das größere Spektakel spielte sich auf den Rängen ab, wo die stimmgewaltigen Fangruppen aus beiden Lagern erneut zur Höchstform aufliefen - mit Vorteilen für die nordirischen Anhänger.

Der Platz gehörte eher den Walisern

Auf dem Rasen waren es eher die Waliser, die von zwei technisch schwachen Mannschaften noch über die reifere und strukturiertere Spielanlage verfügten. Allerdings fehlte es gegen die dicht formierte Deckung der Nordiren an Ideen und Durchschlagskraft, dazu wurde Wales-Superstar Bale per Sonderbewachung gut aus dem Spiel genommen.

Der erste Torchance ging gar auf das Konto der Nordiren, wenngleich der Schuss von Steven Davis für Torhüter Wayne Hennessey keine allzu große Prüfung war (10.). Gleiches galt für den Versuch von Jamie Ward aus der Distanz (22.). Auf der Gegenseite versuchte es Aaron Ramsey zunächst vergeblich per Hacke (12.). Sieben Minuten später brachte der Mann vom FC Arsenal den Ball gar im Tor unter, stand dabei nach einem Kopfball von Sam Vokes aber im Abseits. Das war es auch schon, was die die beiden britischen Vertreter im ersten Durchgang zu bieten hatten.

Dabei hatte Nordirlands Trainer Michael O'Neill seinen besten Torjäger Kyle Lafferty anstelle von Conor Washington zurück in die Startelf beordert, der siebenmalige Torschütze in der EM-Qualifikation kam aber nicht zur Geltung. Bei Wales hatte Coleman der gleichen Elf wie beim 3:0 gegen Russland im letzten Gruppenspiel vertraut.

Niveauarm blieb es auch in der zweiten Halbzeit, wenngleich die Waliser nun zielstrebiger agierten. Dabei hatte Vokes die große Chance zur Führung, als er nach Flanke von Ramsey freistehend einen Kopfball neben das Tor setzte (53.). Kurz darauf hatte auch Bale seine erste große Szene. Nachdem er von Oliver Norwood gefoult worden war, zwang der 100-Millionen-Mann von Real Madrid den nordirischen Schlussmann Michael McGovern beim anschließenden Freistoß aus 27 Metern zu einer Parade (58.).

Der Führungstreffer kam daher nicht unverdient, nach dem Rückstand warfen die Nordiren noch einmal alles nach vorne. Zu Torchancen kamen sie aber nicht.