Lille.

Tief in der historischen Nacht von Lille bewiesen die irischen Kraftfußballer Finesse. Nachdem sie mit brachialer Gewalt erstmals in die K.-o.-Runde einer EM vorgestoßen waren, umdribbelten die „Boys in Green“ elegant das heikelste Thema. „Das ist Vergangenheit“, sagte Abwehrspieler Stephen Ward mit Blick auf den Achtelfinalgegner Frankreich und fügte grinsend an: „Ob ich an Rache denke? Nein, niemals.“ Mit dem EM-Gastgeber verbinden alle Iren eine Erinnerung: Der 18. November 2009, Stade de France. Nach einem Tor von Robbie Keane führt der Außenseiter im Play-off-Rückspiel zur WM in Südafrika 1:0, als Thierry Henry mit einen Handspiel den Ausgleich durch William Gallas vorbereitet. Irland scheidet aus.

Vor der Revanche stand der Genuss. Das 1:0 gegen Italien feierten 25.000 Iren in Lille die ganze Nacht. „Es fühlte sich an, als hätte ich meinen Körper verlassen“, sagte Kopfball-Torschütze Robbie Bradys und wischte sich Tränen aus den Augen, „von diesem Moment habe ich als Kind geträumt. Jetzt habe ich es gemacht, und meine Familie schaut auf der Tribüne zu. Es ist unglaublich.“ Die Italiener, als feststehender Gruppensieger mit einer B-Elf angetreten, waren schon längst in der Kabine verschwunden, als Brady und Co. noch immer in einem Meer aus Grün badeten. Brady: „Wir haben Geschichte geschrieben.“