Bordeaux .

Davor Suker ist jetzt grauhaarig und etwas korpulenter, aber wenn die kroatischen Fans nicht gerade irgendwo einen Bengaloregen niederprasseln lassen, dann versprüht er immer noch dieselbe Fußballlust wie früher. Vor allem natürlich in Frankreich, wo er an allen Ecken und Enden an seine größte Stunde erinnert wird – als Torschützenkönig führte er seine Nation bei der WM 1998 ins Halbfinale. Und vor allem nach einem Spiel wie diesem beeindruckenden 2:1 gegen Spanien.

„Nein, dieses Ziel will ich nicht vorgeben, ich will nicht vergleichen“, sagte er mit Legendengroßmut zwar auf die Frage, ob Ähnliches wie 1998 nun wieder möglich sei. Aber angesichts der Parallelität beim Austragungsort fügte der heutige Verbandschef hinzu: „Da ist schon etwas in der Luft“. Was? Die Frage kann jeder beantworten, der die bisherige EM verfolgt hat und sich Kroatiens weitere Gegner in der oberen Tableauhälfte anschaut. Das so talentierte wie kampfstarke Team von Trainer Ante Cacic scheint auf eine Direttissima ins Finale eingebogen zu haben. Kroatien mutiert vom Geheimfavoriten zum Turnierfavoriten.

Wie es Spanien mit extrem hohem Pressing zu Fehlern zwang, den frühen Rückstand, einen Lattenpfostenpendler von Ivan Rakitic sowie den ungerechtfertigten Elfmeter wegsteckte, das war eine beeindruckende Darbietung.

„Ich kann nicht versprechen, dass wir das Turnier gewinnen werden“, sagte Nikola Kalinic, „aber mit Gottes Hilfe können wir wirklich weit kommen.“ Ein Anfang war in Bordeaux schon mal, dass der Allmächtige die eigenen Ultras zur Räson brachte, denn Kroatien kann ja nicht nur auf sportlichem Wege eliminiert werden.

Nachdem es sogar Gerüchte über eine geplante Attacke auf den Schiedsrichter gegeben hatte, blieben ähnliche Zwischenfälle wie während des Spiels gegen Tschechien diesmal aus. „Ich möchte die französische Polizei und die Sicherheitskräfte beglückwünschen“, sagte ein erleichterter Suker. „Ich hoffe, dass auch unsere Regierung endlich unternimmt, was zu tun ist.“ Über eine Million Euro Strafe an Fifa und Uefa habe sein Verband in den vergangenen zehn Jahren bezahlt.

Während die Regierung zuhause allerdings gerade mit ihrem eigenen Chaos beschäftigt ist, hat auch der Verband selbst noch genug Aufräumarbeit vor sich. Dabei geht es nicht mal nur um Korruption. Wo der2014 wegen seines faschistischen Grußes gesperrte Josip Simunic als Assistenztrainer willkommen ist, herrscht auch nicht unbedingt ein liberaler Geist. „Wir spielen und kämpfen für die Kroaten in aller Welt“, sagte Simunics Vorgesetzter Cacic nach dem Triumph über Spanien in gewohnt martialischer Rhetorik. „Dieses Team ist unsere Nation, diese Spieler zeigen, wie man ein Land repräsentiert, wie man handeln muss.“ Zwischen Leidenschaft und Nationalismus ist es bei den Kroaten nur ein schmaler Grat, das war schon zu Sukers aktiven Zeiten so.