Der krasse Außenseiter Island bezwingt Österreich in der Nachspielzeit. Ronaldo rettet Portugal mit Doppelpack in das Achtelfinale.

Rekordmann Cristiano Ronaldo hat Portugal mit einer sensationellen One-Man-Show vor einer historischen EM-Blamage bewahrt. Drei Geistesblitze des dreimaligen Weltfußballers retteten den immer noch sieglosen Portugiesen in einer total verrückten Partie ein 3:3 (1:1) gegen Ungarn - und damit den Einzug ins EM-Achtelfinale.

Höhepunkt des Galaauftritts von „CR7“ war sein traumhaftes Hackentor zum zwischenzeitlichen 2:2 (50.). Doch gegen offensivstarke Ungarn musste der Superstar von Real Madrid sein ganzes Können zeigen: Sein genialer Pass vor Nanis Treffer zum 1:1 (42.) und sein Kopfballtor zum Endstand (62.) bescherte Portugal das Achtelfinale am Samstag in Lens gegen Kroatien.

Die von Bernd Storck trainierten Ungarn, die in Lyon durch Zoltán Gera (19.) und Balázs Dzsudzsák (47./55.) dreimal in Führung gegangen waren, treffen als Sieger der Gruppe F am Sonntag in Toulouse auf Belgien, Schweden oder Irland.

Rekord für Ronaldo

Ronaldo, der erstmals seit 375 Tagen wieder ein Pflichtspieltor für Portugal erzielte, verewigte sich an einem denkwürdigen Abend gleich dreifach in den Geschichtsbüchern: Als erster Fußballer traf er bei vier EM-Endrunden, kletterte in der ewigen EM-Torjägerliste mit jetzt acht Toren auf Rang zwei und avancierte mit 17 Einsätzen zum alleinigen EM-Rekordspieler. Mit seinen beiden Toren verhinderte er das erstmalige Scheitern Portugals in der EM-Vorrunde.

Dabei lagen bei Ronaldo vor dem Spiel noch die Nerven blank. Beim morgendlichen Spaziergang entriss er einem Reporter nach der Frage, ob er für das Spiel bereit sei, kurzerhand das Mikrofon und warf es in einen angrenzenden See.

Nach dem Anpfiff deutete vor 55.514 Zuschauern zunächst nichts auf die große Ronaldo-Show hin. Als Nani bei einem Konter zu eigensinnig agierte, drehte sich Ronaldo wild gestikulierend ab und schimpfte vor sich hin (7.). Der 31-Jährige fand 40 Minuten lang überhaupt nicht ins Spiel. Ronaldo meckerte, Ronaldo diskutierte - und ließ wie schon nach seinem verschossenen Elfmeter gegen Österreich (0:0) den Kopf hängen.

Eine dramatische Partie

Bernd Storck ging die Partie wesentlich gelassener an als der Topstar. Er schonte alle vier mit einer Gelben Karte vorbelasteten Spieler. Es sei wichtiger keine Spieler zu verlieren, als Gruppensieger zu werden, begründete der ehemalige BVB-Profi seine taktische Maßnahme.

Auch ohne die Stammkräfte mache der Vize-Weltmeister von 1954 dem Favoriten das Leben schwer. Mit großem läuferischen Aufwand und taktisch diszipliniertem Verhalten nahmen sie Ronaldo und Co. zunächst die Lust am Spiel - und gingen sogar in Führung. Mit seinem sehenswerten 20-Meter-Schuss avancierte Gera mit 37 Jahren und 61 Tagen hinter dem Österreicher Ivica Vastić (38 Jahre/257 Tage) zum zweitältesten Torschützen der EM-Geschichte.

Der Rückstand lähmte Portugal noch mehr, Torwart-Oldie Gabor Kiraly verlebte ruhige erste 40 Minuten. Akos Elek hatte sogar das 2:0 auf dem Fuß (24.).

Kurz vor der Pause hatte Ronaldo dann seinen ersten genialen Moment. Sein sehenswertes Zuspiel nutzte Nani zu seinem zweiten Turniertreffer. Ronaldo zeigte die Faust. Es war der Startschuss für eine dramatische Partie.

Dzsudzsák brachte Ungarn mit einem von Andre Gomes abgefälschten Freistoß wieder in Front, dann zauberte Ronaldo. Per Hacke verwertete er eine Hereingabe von Joao Mario sensationell. Doch Ungarn antwortete sofort. Dzsudzsák traf erneut, diesmal fälschte Nani seinen Schuss unhaltbar ab. Doch Portugal hatte Ronaldo, diesmal traf der Topstar per Kopf zum Ausgleich. Akos Elek hatte nur Minuten später das 4:3 für Ungarn auf dem Fuß, er traf aber nur den Innenpfosten (64.).

Islands schickt Österreich nach Hause

Island feiert den Treffer gegen Österreich
Island feiert den Treffer gegen Österreich © imago/DeFodi | imago sportfotodienst

Der krasse Außenseiter Island hat gleich bei seinem ersten großen Turnier das Achtelfinale erreicht und die EM-Enttäuschung Österreich schon nach der Vorrunde nach Hause geschickt. Beide trennten sich am Mittwoch vor 65 714 Zuschauern im Stade de France 2:1 (1:0) - das reichte den Isländern zum Weiterkommen, für die deutlich ambitionierteren Österreicher aber war es zu wenig. Damit trifft Island am Montag in Nizza auf England. Kroatien.

Stürmer Jon Dadi Bödvarsson vom 1. FC Kaiserslautern brachte den EM-Neuling in der 18. Minute in Führung, Arnor Freyr Traustason traf in der Nachspielzeit zum 2:1. Alessandro Schöpf vom FC Schalke 04 gelang nur noch der Ausgleich (60.). Österreichs Verteidiger Aleksandar Dragovic hatte bereits vor der Pause einen Foulelfmeter verschossen (37.).

Die Österreicher, die mit sechs aktuellen und vier ehemaligen Deutschland-Profis in der Anfangsformation starteten, wurden mit ihrer erstmals praktizierten Dreier-Abwehrkette schon in der 2. Minute vom einem fulminanten Linksschuss durch Johann Berg Gudmundsson überrascht. Der Isländer traf nur das Quergebälk. Neun Minuten später hatte Torhüter Robert Almer erneut Glück, als eine Ecke von Gylfi Sirgurdsson den Pfosten streifte.

Gegen die völlig indisponierte Elf von Trainer Marcel Koller hatten die Isländer in der Offensive fast leichtes Spiel. Mit einem seiner weiten Einwürfe bereitete Gunnarson den Führungstreffer durch Bödvarsson vor. Der Profi vom 1. FC Kaiserslautern traf aus sieben Metern zum verdienten 1:0.

Dragovic vergibt Elfmeter

Die Österreicher hatten mit ihrer veränderten Formation, in der die Bundesliga-Profis Zlatko Junuzovic und Martin Harnik fehlten, große Schwierigkeiten und kamen lediglich durch Marko Arnautovic zu zwei Chancen (12./29.). Bei der ersten Möglichkeit profitierte er auch von einem Fehler des isländischen Torhüters Hannes Thor Halldorsson, verstolperte die Chance aber dann.

Zu der schwachen Leistung der Koller-Elf in der ersten Halbzeit passte auch der vergebene Foulelfmeter von Dragovic, der den Strafstoß nach einem Foul an David Alaba in der 37. Minute nur an den Außenpfosten setzte.

Nach der Pause verstärkten die Österreicher ihre Angriffsbemühungen. Alaba scheiterte in der 47. Minute aus kurzer Distanz, sein Schuss wurde auf der Torlinie geblockt. Der Druck des Teams um Mannschaftskapitän Christian Fuchs wurde immer größer. Dem eingewechselten Schöpf gelang dann nach einer Stunde der Ausgleich. Der Schalker Bundesligaprofi dribbelte sich durch die Abwehrreihe und traf mit links zum 1:1. Kurz zuvor und danach in der 65. Minute scheiterte der starke Sigurdsson. Aber Torhüter Robert Almer war auf dem Posten.

Die im zweiten Abschnitt deutlich verbesserten Österreicher blieben am Drücker und hatte durch Schöpf, Marc Janko und erneut Alaba weitere gute Torgelegenheiten, kam aber gegen die starke isländische Defensive nicht mehr zum Erfolg. Dafür gelang Traustason der Siegtreffer für Island.