Paris. Beim 1:0 gegen Nordirland präsentierte sich die deutsche Nationalelf spielerisch verbessert, scheiterte aber im Abschluss kläglich

Die Partie zwischen Deutschland und Nordirland war schon eine ganze Weile vorbei, als die Anhänger der „green and white army“ immer noch nicht genug hatten. Es wurde geklatscht, gejubelt und vor allem gesungen. Der Klassiker „Will Grigg’s on fire“ natürlich, aber auch „The Field of Athenry“ und „Everywhere we go, we’re the Ulster boys making all the noise“. Deutschlands Fußballer staunten nicht schlecht, ehe sie kurz der eigenen Kurve zuwinkten und relativ zügig im Bauch des Prinzenparks verschwanden.

Die deutliche Niederlage im europäischen Gesangswettbewerb konnte Deutschlands Bundestrainer Joachim Löw allerdings verschmerzen. Denn das sportliche Duell des Abends, und das war dem bekennenden Freund von Countrymusik und Helene Fischer deutlich wichtiger, konnten er und sein Team dank eines Treffers von Mario Gomez mit 1:0 für sich entscheiden. „Das geht nicht!“, kommentierte Lös die vielen vergebenen Chancen dennoch grimmig. „Wenn man in der K.o.-Runde mal nur wenige Chancen bekommt, dann muss man die verwerten.“

Dabei zeigte sich vor allem die Entscheidung von Deutschlands Chefdirigenten, erstmals Gomez und Joshua Kimmich von Anfang in sein Orchester zu berufen, als goldrichtig. Besonders Löws Chorknabe Kimmich (21) sorgte von Anfang an für zuletzt vermisste Fortune über die rechte Seite (s. Seite 24). So dauerte es gerade mal sieben Minuten, ehe der Münchner im Zusammenspiel mit Mesut Özil den ersten Paukenschlag des Abends einleitete. Doch der zuletzt glücklose Thomas Müller scheiterte freistehend an Nordirlands Torhüter Michael McGovern.

Und während Nordirlands Anhänger trotz der einseitigen Partie des Turniers weiterhin fröhlich vor sich hinsangen, durften sich Deutschlands Fans zunächst über ein Chancenfeuerwerk im Dreivierteltakt freuen. Özil (11.), Mario Götze (12.), erneut Özil (19.), Müller (23) und noch mal Müller (27.) hätten längst für das erlösende Führungstor sorgen müssen, das nach einer halben Stunde aber mit Gomez dem Rückkehrer der DFB-Boyband vorbehalten war. Ausgerechnet der Black-Music-Anhänger, muss es an dieser Stelle wohl heißen. „Ich hatte gehofft, dass wir höher gewinnen, aber es reichte dann immerhin zum ersten Platz“, sagte der 30 Jahre alte Torjäger, der beim WM-Casting vor zwei Jahren noch relativ überraschend aussortiert worden war.

Im ersten Spiel gegen die Ukraine musste Gomez nun noch zuschauen, im zweiten Spiel gegen Polen wurde er immerhin eingewechselt. Nachdem die Offensive relativ bescheidenen Erfolg vorweisen konnte, entschied sich Löw, es mit Gomez (Lieblingsband: Black Eyed Peas) von Anfang an zu probieren.

Dass der Angreifer noch vor der Pause einen zweiten Treffer nachlegen hätte können (oder müssen), sollte keine Auswirkungen haben. Denn auch in Hälfte zwei ließ die deutsche Mannschaft lediglich Nordirlands herausragenden Solisten McGovern mitspielen. Der vereitelte auch direkt nach dem Wiederanpfiff eine Großchance Götzes (52.), woraufhin dieser kurz darauf gegen Löws Lieblingsjoker André Schürrle ausgewechselt wurde.

Auf den Rängen blieb es laut, auf dem Platz wurde es immer leiser. So musste Bundestrainer Löw mitansehen, wie seine Mannschaft das Spiel zwar weiterhin dominierte, sich im Gegensatz zur ersten Halbzeit allerdings nicht mehr die Vielzahl an Chancen herausspielen konnte. Nach 90 einseitigen, im zweiten Durchgang nicht mehr wirklich unterhaltsamen Minuten war der Gruppensieg geschafft.

„Ich kenne nur den Weg nach Lille“, hatte der Bundestrainer schon vor dem Spiel den Ton angegeben – und sollte Recht behalten. Am Wochenende muss der Weltmeister also erneut in die hübsche Hauptstadt der Region Nord-Pas-de-Calais-Picardie reisen. Auf wen „Die Mannschaft“trifft, stand noch nicht fest. Albanien (Dritter der Gruppe A) oder die Slowakei (Dritter der Gruppe B) kommen infrage. Der Dritte aus der Gruppe F (Ungarn, Island, Portugal, Österreich) ist kein möglicher Gegner im Achtelfinale mehr. Ob auch Nordirlands Männerchor in der Runde der letzten 16 weitersingen darf, bleibt vorerst ungewiss. Immerhin: Musikalisch, das steht nach dem Abend im Prinzenpark fest, dürfen sich die Grün-weißen schon jetzt als Europameister fühlen.

Nordirland: McGovern – Hughes, McAuley, Cathcart, Jonny Evans – Davis – Corry Evans (84. McGinn), Norwood – Ward (70. Magennis), Dallas – Washington (59. Lafferty).
Deutschland: Neuer – Kimmich, Boateng (77. Höwedes), Hummels, Hector – Khedira (69. Schweinsteiger), Kroos – Özil, Müller, Götze (55. Schürrle) – Gomez.
Tor: 0:1 Gomez (30.). Schiedsrichter: Turpin (Frankreich). Zuschauer: 44.125. Statistik: Torschüsse: 2:28, Ecken: 3:6, Ballbesitz: 26:74 Prozent, Zweikämpfe: 81:80.Kommentar, Seite 2