Elf Tage ist die EM nun alt. Und das nach Deutschland transportierte Zwischenfazit scheint eindeutig auszufallen: zu wenig Tore, zu viele Hooligans. Zu wenig Fußball, zu viele Zwischenfälle. Zu wenig Sonne, zu viele Sicherheitsdebatten. Und vor allem: zu wenig Stimmung.

Doch wer alles schwarz und weiß malt, der vergisst die Farben. Und die können viel bunter daherkommen, als man es aus dem Pressezentrum oder von der Tribüne des Trainingsplatzes der deutschen Mannschaft erahnen könnte.

Am Sonntagabend musste man nur 30 Minuten lang von Évian-les-Bains am Genfer See entlang bis an die Schweizer Grenze fahren, um eine ganz wunderbare EM-Stimmung zu erfahren. Très magnifique. Die Farben: ganz viel Blau-Weiß-Rot. Oder auch nur: Rot-Weiß.

Saint-Gingolph, ein Ort, zwei Teile. Der französische mit einer Bürgermeisterin und 800 Einwohnern. Und der Schweizer mit einem Bürgermeister und 900 Einwohnern. Wo könnte man wohl besser das Nachbarschaftsduell zwischen Frankreich und der Schweiz zele­brieren als genau hier?

Richtig: nirgendwo! Tatsächlich traf sich der ganze Ort im Gemeindezentrum direkt am Genfer See und schaute das letzte Vorrundenspiel gemeinsam. Mit Blaskapelle, gegrillten Würsten, Bier, Fahnen und: ganz viel Stimmung.

Zwei Schwestern, Vater Schweizer, Mutter Französin, hatten die Hälfte ihrer Gesichter in Rot-Weiß, die andere Hälfte in Blau-Weiß-Rot bemalt. Beide Nationalhymnen wurden gespielt (und lautstark gesungen), jede Torchance bejubelt (oder verdammt). Am Ende hieß das Ergebnis 0:0. Die Franzosen waren weiter, die Schweizer natürlich auch. Bien sûr, es geht also doch.