Paris. Trotz Fan-Randale kommt der WM-Dritte von 1998 mit Geldstrafe davon und trifft heute auf Spanien

Die aus ihrer Sicht bislang beste Nachricht dieser EM erhielten die Kroaten kurz vor dem Abschlusstraining für das letzte Gruppenspiel gegen Spanien. Sie dürfen an diesem Dienstagabend (21 Uhr/ARD) in Bordeaux gegen den Titelverteidiger antreten. Nach den schweren Ausschreitungen ihrer Fans während der Partie gegen Tschechien (2:2) am vergangenen Freitag verurteilte der Europaverband Uefa die Kroaten am Montag nur zu einer Geldstrafe von 100.000 Euro. Auf Bewährung darf der Verband zudem keine Tickets mehr an polizeibekannte Krawallmacher verkaufen.

Bei der Partie in Saint-Etienne waren zahlreiche kroatische Fans mit dem Zünden von Feuerwerkskörpern, Raketen und rassistischem Verhalten aufgefallen. Außerdem hatten sie sich untereinander wüste Schlägereien geliefert, worauf die Partie vom Schiedsrichter sogar für vier Minuten unterbrochen worden war. Zuvor waren auch mehrere Gegenstände auf den Platz geworfen worden. Viele Beobachter hatten ein deutlich härteres Urteil gegen die Kroaten erwartet. Vor allem, weil Kroatien aus Sicht der Uefa ein Wiederholungstäter ist. Bereits mehrfach war der Verband HNS allein seit Beginn der EM-Qualifikation im Herbst 2014 wegen ähnlicher Delikte seiner Fans bestraft worden. Unter anderem hatte es bereits Zuschauerausschlüsse, Geldstrafen und sogar einen Punktabzug in der EM-Qualifikation gegeben.

Zum anderen war Russlands Verband für ähnliches Fehlverhalten seiner Anhänger beim Spiel am 11. Juni in Marseille gegen England deutlich härter bestraft worden. Die Russen spielen seitdem nur noch auf Bewährung und könnten bei einer Wiederholung der Ausschreitungen vom Turnier ausgeschlossen werden. Außerdem war gegen sie eine noch höhere Geldstrafe von 150.000 Euro verhängt worden.

Eine große Frage bleibt aber auch nach dem unerwartet milden Uefa-Urteil: Werden sich die Kroaten von dem großen Schock am Freitagabend noch einmal erholen können? Werden sie bei dieser EM noch einmal so leichtfüßig und selbstsicher aufspielen können wie bis zu jener ominösen 86. Minute des Tschechien-Spiels?

Bis dahin waren Ivan Rakitic und Co. eines der größten Versprechen des Turniers. Angriffslustig, kombinationssicher, neben dem nächsten Gegner Spanien vielleicht sogar das spielstärkste Team der EM. Doch dann kamen binnen kurzer Zeit die Verletzung ihres besten Spielers Luka Modric, die Randale auf der Tribüne, die Unterbrechung des Spiels und der 2:2-Ausgleich für Tschechien. Was für ein Drama.

Trainer Ante Cacic behauptet trotzdem: „Sie werden uns nicht stoppen, sie werden unseren Traum nicht zerstören. Wir werden dadurch noch stärker werden.“ Mit „sie“ meinte der 62-Jährige die randalierenden Fans, die sich in Teilen schon seit Jahren einen Kleinkrieg mit dem Verband liefern. Bereits vor der Partie gegen die Tschechen hatten einige Ultra-Gruppierungen einen Spielabbruch angekündigt. Im vergangen Sommer war es vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Italien in Split zu einem Skandal gekommen. Unbekannte hatten ein Hakenkreuz in den Rasen des Stadions gebrannt.

„Das ist eine Art Terror“, sagte Cacic, der dennoch betonte: „Unsere Spieler wissen genau, dass wir stark sind. Wir haben noch nie in den letzten Jahren in einer besseren Atmosphäre gearbeitet. Die Spieler sind nicht frus­triert.“ Kroatiens Hoffnung ist, dass die Spieler sich tatsächlich auf einer Art Mission sehen. Manchmal, wenn in nur einem Sommer alle Faktoren zusammenpassen, dann kann auch ein kleines Land einmal einen großen Titel gewinnen. Dann, wenn sich eine Generation herausragender Spieler untereinander sehr gut versteht und dafür auch noch genau das richtige Alter hat.

Rakitic ist jetzt 28, Modric und Mario Mandzukic sind schon 30. „Wir leben für eine solche Gelegenheit bei diesem Turnier“, sagte Rakitic. Bei der Weltmeisterschaft in zwei Jahren in Russland kann es für diese Generation schon zu spät sein. Nun aber wartet erst einmal das Spanien-Spiel, was jenseits des Uefa-Urteils allein deshalb interessant ist, weil beide Gruppensieger werden wollen, um Italien im Achtelfinale aus dem Weg zu gehen. „Spanien ist vielleicht die kompletteste Mannschaft der Welt“, sagte Rakitic. „Aber ich bin mir sicher: Sie denken auch ein wenig über uns nach.“

Er selbst und Modric spielen mit den spanischen Stars beim FC Barcelona beziehungsweise Real Madrid zusammen. Nach Lage der Dinge soll Modric am Dienstag aber wegen seiner muskulären Probleme geschont werden. Niemand sonst können die Kroaten schwerer ersetzen, auch wenn ihr Kader gerade im Mittelfeld noch einige Alternativen hergibt. Modrics Part zentral vor der Abwehr soll Rakitic selbst übernehmen. Für dessen Zehnerposition kommen dann entweder das 19 Jahre alte Riesentalent Ante Coric oder Mateo Kovacic von Real Madrid infrage.

Kroatien: Subasic – Srna, Schildenfeld, Vida, Strinic – Badelj, Kovacic – Brozovic, Rakitic, Perisic – Mandzukic.Spanien: De Gea – Juanfran, Pique, Ramos, Alba – Busquets, Fabregas, Iniesta – Silva, Morata, Nolito.Schiedsrichter: Kuipers (Niederlande).