Paris. Verband droht EM-Ausschluss. Heftige Kritik an den Sicherheitsmaßnahmen der französischen Behörden

Feuerwerkskörper im Stadion, Prügeleien auf den Rängen und nun auch rassistisches Verhalten: Die Liste der Fanverfehlungen wird immer länger. Die Europäische Fußball-Union (Uefa) ermittelt mittlerweile gegen die Verbände Kroatiens, Belgiens, Un-garns, Portugals und der Türkei. Bereits am heutigen Montag wird die Disziplinarkommission die ersten Strafen gegen Kroatien und die Türkei aussprechen. Den bereits mehrfach „vorbestraften“ Kroaten droht eine ähnlich harte Strafe wie den Russen, die im Gruppenfinale gegen Wales am Montagabend auf Bewährung spielen. Das heißt: Randalieren Krawallmacher noch einmal, fliegen die Kroaten raus.

Empfindliche Geldstrafen könnten die anderen Verbände treffen. In den Fanblocks der Türkei, Belgiens und Ungarns waren Bengalos gezündet und Gegenstände geworfen worden. Bei der Partie der Türken gegen Spanien (0:3) in Nizza soll ein Anhänger versucht haben, den Platz zu stürmen. Am Dienstag will die Kommission über die Strafe Ungarns entscheiden. Sechs Rowdys, die am Sonnabend in Marseille beim 1:1 gegen Island randaliert hatten, sollen bereits am Montag vor ein Schnellgericht gestellt werden.

Beim 2:2 gegen Tschechien am Freitag hatten sich kroatische Anhänger im Stadion Schlägereien geliefert und Bengalos aufs Spielfeld geworfen, woraufhin die Partie in Saint-Étienne für vier Minuten vom Schiedsrichter unterbrochen worden war. Laut Uefa sollen zudem einige Kroaten mit rassistischen Äußerungen aufgefallen sein.

Erst im vergangen Sommer war es vor dem EM-Qualifikationsspiel Kroatiens gegen Italien in Split zu einem Skandal gekommen. Unbekannte hatten ein Hakenkreuz in den Stadionrasen gebrannt. Auch bei zwei Freundschaftsspielen im März waren diskriminierende Gesänge zu hören. Die kroa-tischen Problemfans sind Wiederho-lungstäter, der Verband HNS hat in den vergangenen zehn Jahren knapp eine Million Euro Strafzahlungen an die Uefa überwiesen. Geholfen hat das nichts, es knallt immer wieder.

Kroatien hat ein Hooligan- und Rassismusproblem, gegen das jahrelang nichts getan wurde. Auf nationaler Ebene äußert sich das hauptsächlich bei den Derbys zwischen Dinamo Za­greb und Hajduk Split – die Ultras von Dinamo (Bad Blue Boys) und Hajduk (Torcida) sind berüchtigt. Vor Polizei und Justiz haben die Hools keinen Respekt, was aber auch daran liegt, dass fast nie drastische Urteile gefällt werden. Zudem randalieren viele Hooligans, weil der zwielichtige Zdravko Mamic, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen „Machtmissbrauchs“ und Steuervergehen ermittelt, der Vizepräsident des Verbandes ist.

Bei der Pressekonferenz der Kroaten gingen die Sicherheitsexperten des Verbands ins Detail. Sie machten die Hooligans des Traditionsclubs Hajduk Split für die Ausschreitungen verantwortlich: „Wir hatten unsere Quellen. Wir wussten, was passieren kann. Wir haben die Polizei und alle relevanten Stellen informiert. In der Pause haben wir die Information erhalten, dass es in der 85. Minute losgehen soll. Entweder mit Pyrotechnik oder einem Platzsturm. Die Gruppe von zehn bis 15 Personen wollte einen Spielabbruch provozieren, um dem Verband zu schaden. Deshalb sind die Sicherheitskräfte unterhalb der Tribüne aufmarschiert.“

Der kroatische Verband gibt der Uefa und den französischen Sicherheitskräften eine Mitschuld an den Krawallen. „In der Vorbereitung auf die Partie hat der Verband alles getan, um Zwischenfälle zu vermeiden – zu diesem Zweck wurden die Uefa und Polizei vor Hooligans gewarnt.“ Auch habe sich gezeigt, dass kein Sicherheitskonzept Garantien bietet. Selbst Warnungen würden ignoriert. Die weiteren Vorwürfe: Wieder seien Feuerwerkskörper ins Stadion gelangt, wieder hätten der Polizei bekannte Schläger für Ärger gesorgt. In Sachen Prävention gäbe es Nachholbedarf – zumal anstatt einer Pyrofackel auch Schlimmeres in die Stadien gelangen könnte.

Evence Richard, der Präfekt des Départements Loire, hat wegen der Vorfälle in Saint-Étienne die Uefa heftig angegriffen: „Der Verband ist für die Sicherheit in den Stadien zuständig. Es haben 150 bis 200 Ordnungskräfte gefehlt. Die Eingangstore wurden mit 30 Minuten Verspätung geöffnet. Ein Zugang blieb verschlossen. 2000 bis 3000 Fans haben ihren Platz erst nach Anpfiff erreicht.“ Die offensichtlich laxen Kontrollen lassen die Behörden Schlimmes für das Spiel Kroatien gegen Spanien am Dienstag in Bordeaux befürchten. Auf einer Facebookseite der kroatischen Ultras wurde ein Stadionplan mit Vorschlägen fürs Reinschmuggeln von Feuerwerkskörpern verbreitet. Nach Saint-Étienne waren nach Erkenntnissen des kroatischen Verbandes etwa 100 Krawallmacher gekommen: „Die Leute waren zwischen 18 und 25 Jahren alt. Sie kämpfen gegen die legitime Führung des Verbands mit Elementen des Terrorismus. Das war ein Angriff auf Kroatien.“