Peter Knäbel spricht über die Zeit nach seinem Aus in Hamburg, Kapitän Djourou und die Transfermöglichkeiten des HSV

Den Reiseplan hatte Peter Knäbel noch beim HSV erstellt. Am Freitag besuchte der vor rund sechs Wochen entlassene Sportchef der Hamburger bereits sein fünftes Spiel bei der Europameisterschaft in Frankreich. Nachdem Knäbel beide Partien der Deutschen sowie der Schweiz im Stadion sah, schaute er sich in Toulouse das Spiel der Schweden gegen Italien an. Ursprünglich wollte Knäbel HSV-Profi Albin Ekdal beobachten. Jetzt nutzt er die Reise, um ein wenig Abstand zu gewinnen nach seinem plötzlichen Aus in Hamburg. „Es geht mir gut, ich schaue nur nach vorne“, sagte Knäbel am Freitag im Gespräch mit dem Abendblatt. Ganz in Ruhe will der 49-Jährige die Zukunft auf sich zukommen lassen. „Es ist gut sich Zeit zu nehmen, zu analysieren und gestärkt an die kommenden Aufgaben zu gehen.“

Zeit, die Knäbel vor allem mit Fußballgucken verbringt. Jegliche EM-Spiele hat er sich angeschaut. Überzeugt ist er von dem bisherigen Turnier aber nicht – was angesichts des vergrößerten Teilnehmerfelds aber weniger an den Außenseitern liege. „Die Topteams gehen in der Vorrunde noch nicht an ihre Grenzen. Das wird sich in den K.-o.-Spielen schlagartig ändern“, sagt Knäbel. Trotz des Sturmtiefs sieht er die Deutschen weiterhin in der Favoritenrolle. „Deutschland hat die am klarsten strukturierte Mannschaft im letzten Drittel. Da kann nur Spanien mithalten. Die Franzosen tun sich dort bisher sehr viel schwerer“, sagt Knäbel.

Knäbel besuchte das Teamquartier der Schweiz

Die größte Überraschung der ersten Spiele sei die überzeugende Vorstellung der Kroaten gewesen. Bei der Schweiz, für die Knäbel vor seiner HSV-Zeit fünf Jahre als technischer Direktor des Verbands arbeitete, sieht er dagegen trotz vier Punkten und guter Chancen auf das Achtelfinale noch Steigerungspotenzial. „Die Mannschaft hat eine stabile Spielanlage, sie braucht aber mehr Selbstverständnis vor dem Tor“, sagt Knäbel. „Das Achtelfinale wäre sehr wichtig, um weitere K.-o.-Rundenerfahrung zu machen und erfolgreich zu bestehen.“

Dass Knäbel noch gute Kontakte zur Schweiz pflegt, wurde nicht nur während seiner Transferaktivität in Hamburg deutlich, sondern auch in Frankreich. Auf Einladung der „Nati“ besuchte Knäbel das Teamhotel von Valon Behrami und seinen Kollegen. Dabei konnte er auch den HSV-Kapitän Johan Djourou begrüßen. Der Innenverteidiger spielte gegen Albanien und Rumänien jeweils über 90 Minuten. „Er hat noch Luft nach oben, aber Johan wächst mit seinen Aufgaben. Das hat er schon gegen Weltklassestürmer bewiesen“, sagt Knäbel. Zuletzt wurde angesichts des 2017 auslaufenden Vertrags immer wieder spekuliert, dass Djourou beim HSV zu den Verkaufskandidaten zähle. Unter Sportchef Knäbel habe es diese Überlegung aber nicht gegeben.

Das dürfte sich nun auch unter Dietmar Beiersdorfer nicht verändern. Zumal sich die finanziellen Rahmenbedingungen beim HSV durch die neue Vereinbarung mit Investor Klaus-Michael Kühne, die am Freitag von der DFL als unproblematisch eingeschätzt wurde, verändert haben und der HSV sich nicht mehr in der Not befindet, Spieler zu verkaufen. Eine Situation, die Knäbel in seiner Hamburger Zeit nicht vorfand. Eine Situation, der er aber nicht hinterhertrauert. „Ich gönne dem HSV und seinen Entscheidungsträgern die Möglichkeiten, die sich dank Herrn Kühnes erneutem Engagement nun ergeben haben“, sagt Knäbel.

Nur einer Chance blickt er mit etwas Wehmut hinterher: „Die Transfer- und Vorbereitungsphase bietet große Möglichkeiten. Es bestand frühzeitig Planungssicherheit, der HSV kann trotz EM über einen langen Zeitraum die Grundlagen legen und als Gruppe zusammenwachsen.“ Eine Möglichkeit, die er in Hamburg nicht kannte.

Doch mit Konjunktiven will sich Knäbel nicht lange aufhalten. Seine Fußball-Reise geht weiter. Direkt nach der Männer-EM besucht er die U19-Europameisterschaft in Baden-Württemberg. Auch dieser Besuch stand ursprünglich in seinem HSV-Kalender.