Die ersten EM-Tage sind wirklich alles andere als gewünscht verlaufen. Das Wetter, der Streik und dann auch noch die schlimmen Bilder aus Marseille von aufeinander einprügelnden Russen und Engländern. Auch deutsche „Fans“ haben in Lille ihre hässliche Fratze gezeigt, haben randaliert, Nazi-Parolen gegrölt, mit der Reichskriegsflagge posiert. Wer live dabei war, musste sich schämen.

Wie soll man da noch an das Gute an so einer EM glauben? An die Idee eines gemeinsamen Europas? An die Hoffnung, dass dieses einfache Spiel mit einem Ball und zwei Toren tatsächlich Menschen zusammenbringt, die eigentlich nie zusammengekommen wären?

Vielleicht wenn man einmal quer durch Frankreich mit dem Zug fährt und zufällig neben einem der zahlreichen Volunteers sitzt. Er sei auch Deutscher, erzählt der Sitznachbar, arbeitet bei Bayer und wohnt in Lyon. Und weil er unbedingt Teil dieser EM sein wollte, habe er Urlaub genommen und sich als Volunteer gemeldet. Ein Spiel der Deutschen wollte der Osnabrück-Fan auch unbedingt sehen. Deswegen habe er so lange im Internet an allen Verkaufsbörsen teilgenommen, bis er eine Karte bekommen hatte. „Einmal die Nationalmannschaft live sehen“, sagt er und strahlt.

Wir unterhalten uns dreieinhalb Stunden. Über die EM, Frankreich, Lyon und Lille. Über seinen Beruf, meinen Beruf. Über seine kleine Familie, über meine Familie. Über den VfL Osnabrück, den HSV und die Nationalmannschaft.

Kurz vor der Ankunft am Bahnhof sagt der Familienvater schließlich: „Übrigens, ich heiße Sohan.“ Angenehm, ich heiße Kai. Danke für das nette Gespräch. Und viel Spaß bei der EM!

Während des Turniers schicken unsere EM-Reporter Daniel Berg, Jörn Meyn und Kai Schiller täglich ihr Tagebuch aus Frankreich.