Hamburg. 19-Jährige aus Düsseldorf ist erste Hockey-Nationalspielerin mit türkischen Wurzeln

    Als sie am vergangenen Wochenende bei der Endrunde um die deutsche Feldhockeymeisterschaft in Mannheim am Adidas-Stand vorbeischlenderte, erschrak Selin Oruz. Dieses Gesicht, das ihr mit entschlossenem Blick unter einer Kapuze von einem überlebensgroßen Plakat entgegensprang, war das wirklich ihres? Es gab einige dieser Momente in den vergangenen Monaten, und so hat sich die 19-Jährige zuletzt mehrfach gefragt: „Ist das eigentlich real, was ich gerade erlebe?“

    Ist es, sonst hätte sie am Donnerstagabend im ersten Spiel des Viernationenturniers auf der Anlage des Hamburger Polo Clubs am Hemmingstedter Weg, das die deutschen Damen gegen Südkorea nach Toren von Julia Müller (2.), Lisa-Marie Schütze (58.) und Marie Mävers (60.) mit 3:1 gewannen, nicht als Offensivverteidigerin die rechte Außenbahn beackert. Oruz, die als 16-Jährige im Nationalteam debütiert hatte, zählt zum 16-köpfigen Stammteam für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro (5. bis 21. August), das Bundestrainer Jamilon Mülders bereits fest nominiert hat. „Es ist ein Traum, ein Teil dieses Teams sein zu dürfen“, sagt sie, „ich genieße jeden Moment!“

    Verdient hat sich die Medizinstudentin die Berufung, weil sie eine Art Sinnbild für die Entwicklung ihres Vereins ist. Mit dem Düsseldorfer HC war sie im Sommer 2014 in die Bundesliga aufgestiegen und im Februar 2015 Hallenmeister geworden. Mittlerweile hat sich das Team auch im Feld in der Ligaspitze etabliert. Parallel dazu hat sich die Krefelderin, die noch bei den Eltern in ihrer Heimatstadt lebt, zu einer Führungsspielerin entwickelt, die im Club sogar die Kapitänsbinde trägt.

    Eine Vorbildfunktion würden Selin Oruz und ihr bei RW Köln spielender Bruder Timur (21), der im Herren-Nationalteam noch um sein Rio-Ticket kämpft, auch gern aufgrund ihrer Herkunft einnehmen. Dank ihres Vaters, der mit zehn Jahren aus Istanbul nach Deutschland kam und im Medizinstudium Selins deutsche Mutter kennen lernte, ist sie die erste deutsche Hockey-Nationalspielerin mit türkischen Wurzeln. Im Deutschen Hockey-Bund wird schon seit Jahren überlegt, wie man den bisweilen noch immer als elitär verrufenen Sport bei Migranten populärer machen kann, um bislang unerkannte Talente zu integrieren. „Auch wenn Timur und ich nicht fließend Türkisch sprechen, wären wir gern bereit, uns in Integrationsprojekten zu engagieren, um dabei zu helfen, Einstiegsmöglichkeiten für türkische oder andere ausländische Jugendliche zu schaffen“, sagt sie. Zunächst allerdings könne sie nicht mehr tun, als als Vorbild voranzugehen. Das gelingt derzeit wahrlich gut.

    Nach einem Ruhetag treffen die Damen auf China (Sa., 15.30 Uhr) und auf Argentinien (So., 13.30 Uhr). das sie am Mittwoch in einem inoffiziellen Länderspiel 2:1 geschlagen hatten.