Hamburg. Mike Franke wurde krankenhausreif geschlagen – jetzt trifft er den Täter vor Gericht wieder

    Am 13. Juni um 9.30 Uhr ist es so weit. Schiedsrichter Mike Franke, 24, wird Murat T. im Amtsgericht Barmbek wiedersehen. Den Mann, der ihn am Abend des 4. September nach dem Landesligaspiel zwischen Bramfeld und Dersimspor (2:1) krankenhausreif schlug. „Ich bin froh, als Zeuge in der Strafsache aussagen zu können“, sagt Franke.

    Die Gewalttat gegen ihn entpuppte sich als Auftakt zu einem schwarzen September im Hamburger Amateurfußball. Ein Spielabbruch jagte den nächsten. Die Schiedsrichter schienen Freiwild zu sein, wehrten sich mit einem offenen Brief. Das Sportgericht bestrafte Murat T. mit fünf Jahren Sportplatzverbot. Lebenslang darf er zudem bei keinem Hamburger Club spielen. In der Sportgerichtsverhandlung zeigte Murat T. Reue: „Ich möchte mich entschuldigen. Obwohl ich weiß, dass es nicht zu entschuldigen ist.“ Die Tat sei aus Frust über den Mord an einem Bekannten unter Alkoholeinfluss geschehen. Franke nahm die Entschuldigung nicht an, zweifelt bis heute ob der gezielten Schläge und Tritte an dieser Version.

    Die öffentliche Debatte beruhigte sich, als die Übergriffe gegen Schiedsrichter wieder abnahmen. Doch die Leidenszeit für Mike Franke, seine Mutter Claudia, 46, und seine ebenfalls als Schiedsrichterin für den SC Schwarzenbek aktive Schwester Jessica, 21, hatte erst begonnen. „20 Jahre haben wir keine Gewalt beim Fußball erlebt. Plötzlich verprügelt jemand einfach meinen Sohn und verändert unser aller Leben total. Das macht mich bis heute fassungslos“, sagt Claudia Franke.

    Wochenlang bangte Mike Franke um sein rechtes Auge. Eine Netzhautablösung drohte. Er wurde schweigsam, litt an Schlafstörungen, nahm zehn Kilo ab. „Ich hatte sogar Angst, im Dunkeln rauszugehen. Diese Zeit war echt heftig“, erinnert er sich. Mutter Claudia setzte alle Hebel in Bewegung und eine zeitnahe Behandlung mit einer Traumatherapie für ihren Sohn durch. „Ich habe ihm gesagt, er soll sich sein Hobby nicht von einem Gewalttäter kaputt machen lassen“, so Schwester Jessica im Rückblick. Trotz aller Zuwendung wurde die Situation für die Familie zur extremen Belastung. „Mike wollte eine Zeit lang nur reden, wenn er mir ein Zeichen gibt. Manchmal habe ich das kaum ausgehalten, weil ich nicht wusste, wohin mit meiner Muttersorge“, sagt Claudia Franke.

    „Meiner Familie, meinem Schwager Adrian Höhns und meinem besten Freund Dominik Voigt habe ich es zu verdanken, wieder auf dem Fußballplatz zu stehen. Sie waren immer für mich da“, sagt Mike Franke. Am 6. Dezember feierte er sein Comeback. Ausgerechnet beim Spiel Bramfeld gegen Hamm an der Ellernreihe. „Ich wollte an dem Ort, wo alles passierte, ein gutes Spiel abliefern. Es hat geklappt.“

    Seitdem pfeift er wieder. Ohne Angst? Ja! Das tiefe Tal sei überwunden. Mutter Claudia stellen sich allerdings „immer noch die Nackenhaare auf, wenn auf dem Platz gepöbelt wird. Ich finde, was passiert ist, wurde viel zu schnell vergessen, und ich bin mir nicht sicher, ob das Sportplatzverbot für den Täter zum Beispiel bei Dersimspor wirklich kontrolliert wird“. Mit der Amtsgerichtsverhandlung am 13. Juni wird die Sache noch nicht erledigt sein. Franke erhebt auch zivilrechtliche Ansprüche gegen Murat T.