Hamburg. Jakob und Richard Golz könnten beim HSV eine einmalige Geschichte schreiben. Zwei Typen mit erstaunlichen Parallelen – und einem großen Unterschied

    In vier Wochen steht die mündliche Prüfung an. Eine Präsentation in Sporttheorie. Dann hat Jakob Golz sein Abitur geschafft. Es folgen drei Monate Pause, ehe der 17-Jährige ein duales Studium an der Hamburg School of Business Adminis­tration beginnt. Eine Zeit, in der sich die Abiturienten in der Regel erholen können. Urlaub machen. Auf andere Gedanken kommen. Schön chillen, wie die Schüler sagen würden.

    Jakob Golz hat dafür keine Zeit. Wenn seine Freunde auf Abireisen gehen, beginnt für ihn die Vorbereitung auf die neue Saison. Viermal die Woche Training. Jakob ist Torwart in der U19 des HSV. Läuft alles nach Plan, wird er in ein paar Jahren in der Bundesliga spielen. So wie sein Vater. So wie Richard Golz, der ehemalige HSV-Torhüter. „Die Bundesliga ist mein großer Traum. Dafür arbeite ich jeden Tag hart“, sagt Jakob. Er steht am Rande des Rasens im Volksparkstadion neben seinem Vater, der hier von 1987 bis 1998 das Tor hütete. Für das Abendblatt haben sich die beiden Zeit genommen, um ihre Geschichte zu erzählen.

    „Wir gehen ab und an gemeinsam ins Stadion. Dann stelle ich mir vor, wie es wäre, hier eines Tages zu spielen“, sagt Jakob. Es wäre eine in der Bundesliga einmalige Geschichte. Ein Torwart, dessen Sohn es ebenfalls als Torwart in die erste Liga schafft, das gab es in Deutschland noch nie. Kasper Schmeichel (Leicester City) hat es in der Premier League seinem Vater Peter (Manchester United) gleichgetan. Geht es nach Richard Golz, könnte sich die Geschichte bald auch in der Bundesliga ereignen. „Ich habe schnell gesehen, dass aus Jakob etwas werden kann.“

    Die Geschichte begann am 16. August 1998. Vater Golz hatte tags zuvor nach elf Jahren beim HSV sein erstes Spiel für den SC Freiburg gemacht und beim 2:1-Sieg in Bochum gleich einen Elfmeter von Stefan Kuntz pariert. Nach dem Spiel ging es schnell wieder nach Hamburg, wo sein zweiter Sohn Jacob zur Welt kam. Und während Vater Richard noch zehn Jahre mit Freiburg und Hannover 96 durch die Bundesliga reiste, zogen seine Söhne mit ihrer Mutter nach Hamburg. So war es auch nicht der Vater, der Jakobs Torwarttalent erkannte, sondern die Scouts des HSV, die ihn als Jungen bei Eintracht Norderstedt beobachteten.

    Dass Jakob heute auf den Spuren seines Vaters wandelt, war zu Beginn seiner Fußballlaufbahn gar nicht so klar. Denn so wie Richard einst unter Felix Magath für einige Minuten im HSV-Sturm spielen durfte, so hatte auch Jakob als Junge mehr Spaß im gegnerischen Strafraum. „Dann war unser Torwart im Training krank, so bin ich zwischen den Pfosten gelandet“, erzählt Golz junior. Nachdem er vom SC Alstertal Langenhorn zu Eintracht Norderstedt wechselte, wurde der HSV auf ihn aufmerksam. Seit der U12 spielt Jakob nun für seinen Lieblingsverein. Am Gymnasium Heidberg ging er nebenbei zur Schule – genau wie sein Vater vor 30 Jahren.

    Es gibt viele Parallelen im Lebenslauf von Richard und Jakob Golz. Und doch erlebten sie eine komplett andere Ausbildung. „In meinen elf Profijahren beim HSV habe ich zwei Jahre einen Torwarttrainer gehabt. Heute gibt es in allen Jugendteams kontinuierliches Training für die Keeper. Das ist perfekt“, sagt Golz senior, der nach seiner Karriere selbst als Torwarttrainer arbeitete – beim HSV. Und wie es die Geschichte so wollte, trainierte er in Hamburg seinen eigenen Sohn.

    Eine Zeit, auf die er heute selbstkritisch zurückblickt. „Die Gefahr besteht bei seinen eigenen Kindern, dass man zu nett ist oder zu kritisch. Und ich war eindeutig zu kritisch“, sagt Richard. Das bestätigt auch sein Sohn. „Man durfte keinen Fehler machen“, sagt Jacob und lacht. Geschadet hat ihm die strenge Ausbildung seines Vaters nicht. „Jakob ist ein moderner Torwart“, sagt sein Vater. „Er beteiligt sich ständig im Spielaufbau. Das Fußballerische, was man mir immer als Schwäche nachgesagt hat, ist seine Stärke. Als Torwart hat er zudem eine gute Ausstrahlung und eine wahnsinnige Ruhe.“

    Eine Eigenschaft, die Richard und Jakob verbindet. „Wir sind sehr ähnliche Typen. Das liegt wohl in der Familie“, sagt der Vater, der wie sein Sohn großen Wert auf Bescheidenheit legt. Zum Termin mit dem Abendblatt kommen die beiden mit einem Smart. Ein ungewöhnliches Bild, denn Jakob (1,86 Meter) ist zwar deutlich kleiner als Richard (2,02), für einen angehenden Bundesligatorwart aber groß genug.

    Ein eigenes Auto wird Jakob spätestens in einem Jahr brauchen. Dann will er für die neue U21 des HSV spielen, die im Volkspark trainiert. Bislang pendelt er zwischen dem Haus der Familie in Hummelsbüttel, der Schule am Heidberg, dem Nachwuchsleistungszentrum in Norderstedt und der HSV-Arena, wo das Perspektivtraining stattfindet. Vor wenigen Wochen wurde Jakob zudem zum DFB-Lehrgang nach Kaiserau eingeladen.

    Es ist ein straff getakteter Stundenplan, den der Schüler ausfüllen muss. Ihm gefällt das. „Ich bin ein Typ, der gerne viel zu tun hat. Das tut mir gut“, sagt Jakob, der seinen Alltag ohne die Hilfe seiner Eltern strukturiert. „Jakob ist sehr viel organisierter. Er plant sehr viel mehr im Voraus als ich. Das hat er eindeutig von seiner Mutter“, sagt Richard. Beide müssen grinsen.

    Auch im Haushalt macht Jakob seinen Eltern keine Arbeit. Nur eine kleine Schwäche verrät er dann doch. „Ich vergesse immer im Haus das Licht auszumachen“, erzählt Jakob. „Mein Vater ruft mich dann immer.“ Beide dürften sich dann an das gemeinsame Torwarttraining erinnern. Aber nur kurz. „Jakob ist so ordentlich“, sagt Richard, „da muss ich heute nicht mehr streng sein.“