Berlin. Ein Abschied unter Tränen: Nach dem Sieg im Pokalfinale gegen Borussia Dortmund ließ Bayern Münchens Trainer Guardiola seinen Emotionen freien Lauf

    Pep Guardiola weinte und lachte, lachte und weinte. Nach dem dramatischen, aber glücklichen Ende seiner Bayern-Ära mit dem Triumph im DFB-Pokal wusste der 45-Jährige gar nicht mehr, wohin mit seinen Emotionen. Der Mann, für den Titel nur „Nummern“ sind, zeigte sich gerührt wie nie zuvor in drei Jahren München. Er heulte an der Schulter seiner Spieler wie ein kleines Kind. Er herzte jeden Einzelnen, vom halb nackten Elfmeter-Helden Douglas Costa bis hin zum Ersatz-Ersatz-Torwart Tom Starke. Und am Ende seiner berührenden Gefühle-Show ließ sich der oft so verkniffen-kühle Katalane sogar dazu hinreißen, eine eherne deutsche Fußball-Tradition in die Mottenkiste zu packen. Um kurz nach 23 Uhr riss Guardiola – nicht Kapitän Philipp Lahm – den Pokal in den Berliner Nachthimmel. Und dann, ja, auch das noch, küsste der Coach den Pott – so, wie er zuvor seine Goldmedaille geknutscht hatte.

    „Die vergangenen fünf Monate waren nicht einfach für mich“, erklärte Guardiola die Mischung aus Erlösung und unbändiger Freude, die unmittelbar nach Costas entscheidendem Elfmeter zum 4:3 gegen Borussia Dortmund aus ihm herausbrach. Da versuchte er noch, seine Tränen zu verbergen, doch als er auf der Tribüne seine Familie erblickte, war es um ihn geschehen. „Jetzt kann er endlich auch mal Mensch sein“, sagte Thomas Müller über den scheidenden Chef.

    Dem war sehr nahegegangen, was er nach der Bekanntgabe seines Wechsels zu Manchester City am 1. Februar über sich lesen, sehen und hören musste. Das öffentliche Urteil sei plötzlich umgeschlagen, klagte er im Olympiastadion. Aus dem „Hosianna!“ für den Trainer-Messias war hier und da ein „Kreuzigt ihn!“ geworden. „Das habe ich nicht verstanden“, sagte Guardiola, aber so sei es nun mal: „Wenn du nicht gewinnst, bist du schuld.“ Wegen seiner drei Halbfinalpleiten in der Champions League sieht er sich selbst als Unvoll­endeten – trotz ruhmreichen Endes mit dem 18. Münchner Pokalsieg und elften Double.

    Karl-Heinz Rummenigge machte bei seiner mitternächtlichen Bankettrede keinen Hehl daraus, wie sehr ihn die verpasste Krönung – gerade für Guardiola – wurmte. „Was mich ein bisschen ärgert, muss ich nach wie vor sagen, ist, dass wir nicht noch eine Woche zusammenleben“, sagte er zum Coach, dem er väterlich die linke Hand auf die Schulter gelegt hatte. In einer Woche, am 28. Mai, schauen die Bayern neidisch zum größten Finale nach Mailand.

    Rummenigge zupfte und zuppelte an Guardiolas grauem Pullover herum, als könne er ihn noch irgendwie dabehalten. Doch dem machtlosen Boss blieb nicht mehr als eine letzte Würdigung dreier „großartiger Jahre“ mit dem Über-Trainer. „Wir haben von Pep viel gelernt“, sagte Rummenigge, und zwar nicht nur auf dem Platz – aber doch vor allem dort.

    Die Fans, in deren Herzen er nie so recht gefunden habe, wie er zuletzt traurig berichtete, bedankten sich im Olympiastadion mit Sprechchören und Plakaten („Danke, Pep“). Seine Spieler warfen ihn vor der Bayern-Kurve in die Luft und bedachten Guardiola ein letztes Mal mit warmen Worten. „Wir hatten eine superschöne Zeit“, sagte Lahm, „er hat uns gefördert, gefordert und das Niveau der Mannschaft noch mal angehoben.“ Torwart Manuel Neuer meinte: „Er liebt die Spieler, er liebt den Verein.“ Der Pokalerfolg war sein 124. Sieg im 161. Pflichtspiel mit den Bayern.

    Er werde „diese Jungen“ vermissen, die im Elfmeterschießen für ihn ihre „Eier in die Hand nahmen“ (Müller), sagte Guardiola in der Nacht, als die Double-Party längst in Gange war. In der Kabine flossen Schampus und Bier, Bad Boy Franck Ribéry gab mit dem goldenen Cup in der Hand den Vortänzer. Auf dem Bankett unterhielten „Radio“ Müller und David Alaba mit ihrer eigenwilligen Interpretation des österreichischen Hits „Ham kummst“. Guardiola stand da schon wieder abseits. In München hinterlässt er Großes, nicht nur fünf Titel (drei Meisterschaften, zwei Pokalsiege). Der Club sei „mit diesen Spielern in den richtigen Händen“, sagte er, „sie haben Enthusiasmus und Charakter“. Er sei glücklich, dass sie ihn damals angerufen haben: „Es war die richtige Entscheidung, herzukommen und diesen Wahnsinnsverein zu trainieren.“