Hamburg. In der ersten Beiersdorfer-Ära waren die Hamburger erfolgreich bei der Spielersuche in Belgien und den Niederlanden – jetzt gibt es die Wiederauflage

    24.956 Zuschauer passen in die kleine Cristal Arena in Genk. Am Donnerstagabend war das Stadion in der belgischen Provinz Limburg mal wieder voll besetzt. Am vorletzten Spieltag der Pro League traf der KRC Genk auf den RSC Anderlecht. Und zum wiederholten Male dürfte dabei auch ein Beobachter aus Hamburg anwesend gewesen sein. Das Objekt der HSV-Begierde: Genks Onyinye Wilfred Ndidi, 19 Jahre alt, Mittelfeldspieler. Wie das Abendblatt bereits in der vergangenen Woche berichtete, befindet sich der HSV schon seit Wochen in Gesprächen mit Genk über einen Wechsel des Nigerianers nach Hamburg. „Ja, es gibt Verhandlungen“, bestätigte Ndidis Berater Luca Vittorini.

    Am 20. Januar hatte der in der vergangenen Woche entlassene Sportchef Peter Knäbel das Toptalent beim Pokalspiel in Lüttich das erste Mal vor Ort beobachtet. Ein Transfer scheiterte im Winter aber an der zu hohen Ablösesumme von sechs bis sieben Millionen Euro. Weil Ndidi seinen Vertrag in Genk im Februar vorzeitig verlängerte, hat sich an der Summe nichts geändert. Im Gegenteil. Ein Wechsel hängt daher maßgeblich davon ab, ob HSV-Investor Klaus-Michael Kühne in diesem Sommer wie berichtet bis zu 50 Millionen Euro in neue Spieler investieren will.

    In jedem Fall ist Ndidi ein Beispiel für die verstärkte Ausrichtung des HSV-Scoutings auf den belgischen und den niederländischen Markt. Neben dem Nigerianer hat sich der HSV auch mit Tonny Vilhena von Feyenoord Rotterdam (ist ablösefrei) intensiv beschäftigt. Den 21 Jahre alten Mittelfeldspieler haben die Hamburger bereits mehrfach beobachtet. Im Zuge dessen ist auch Vilhenas Teamkollege Terence Kongolo, 22, beim HSV ins Gespräch gekommen. An dem Innenverteidiger sollen aber auch Bayer Leverkusen und der AFC Sunderland aus der Premier League interessiert sein.

    Während ein Wechsel Kongolos nach Hamburg als eher unwahrscheinlich gilt, wurden die Bemühungen um Vilhena bislang deutlich konkreter. Um den niederländischen Mittelfeldspieler muss sich der HSV allerdings mit dem italienischen Topclub AC Mailand streiten. Die Erfolgsaussichten sind daher gering. „Tonny hat unglaubliches Potenzial. Er kann es überall schaffen“, sagt Rodger Linse. Der niederländische Spielerberater kennt die „Eredivisie“ wie kein Zweiter. Linse vermittelte einst Khalid Boulahrouz, Nigel de Jong und Joris Mathijsen nach Hamburg. Der Agent erklärt, warum der HSV in Holland nicht mehr so interessant ist wie noch vor zehn Jahren. „In den vergangenen Jahren herrschte dort immer Unruhe. Es ging fast immer gegen den Abstieg. Ich habe meinen Spielern nicht mehr geraten, zum HSV zu gehen“, sagt Linse im Gespräch mit dem Abendblatt offen.

    Er hofft, dass sich durch den Wechsel von Dietmar Beiersdorfer auf den Posten des Sportchefs wieder eine neue Perspektive für junge niederländische Talente beim HSV ergibt. „Wir hatten zu Dietmar Beiersdorfer immer einen guten Kontakt. Er hat als Sportchef bewiesen, dass er die Spieler gut einschätzen kann“, sagt Linse. 2004 entstand der Kontakt des Beraters zu Beiersdorfer, der den damals unbekannten Verteidiger Boulahrouz für 1,5 Millionen Euro von RKC Waalwijk zum HSV holte. Im selben Jahr verpflichteten die Hamburger den Belgier Daniel van Buyten für 3,8 Millionen Euro von Olympique Marseille. Mit diesen Transfers begann Beiersdorfers erfolgreichste Zeit als Manager in Hamburg.

    Boulahrouz ging zwei Jahre später für 13 Millionen Euro zum FC Chelsea, van Buyten sicherte sich der FC Bayern München für acht Millionen Euro. „Für junge Spieler mit Perspektive war der HSV ein guter Verein. Hier konnten die Spieler den nächsten Schritt in ihrer Karriere machen“, sagt Linse, der 2006 schließlich in Absprache mit Beiersdorfer auch Nigel de Jong von Ajax Amsterdam für nur 1,5 Millionen Euro nach Hamburg vermittelte. Der spätere Wechsel des Nationalspielers für 18 Millionen Euro zu Manchester City ist bis heute der Rekordtransfer des HSV.

    Seitdem hat sich der Transfermarkt „brutal verändert“, wie es ein Scout der Hamburger formuliert. Einen Spieler wie Rafael van der Vaart, der 2005 für fünf Millionen Euro von Ajax zum HSV kam, würden die Hamburger heute nicht mehr für diesen Preis bekommen.

    Und so konzentriert sich die Suche der Hanseaten heute wieder auf Talente, die eine Perspektive haben, aber für die großen Clubs noch nicht reif genug sind. Vor allem in Belgien und den Niederlanden glaubt der HSV in dieser Kategorie fündig zu werden. Die Aufgabe teilte sich Knäbel beim HSV zuletzt mit den Scouts Michael Schröder, Nuni Kucukovic und Benjamin Schmedes. Spielerberater Linse glaubt, dass es mit der nötigen Marktkenntnis auch heute noch möglich ist, Transfers der Sorte de Jong oder Boulahrouz zu verwirklichen. „Man braucht nur Kreativität und Fachkenntnis“, sagt Linse.

    Der 19-Jährige Onyinye Wilfred Ndidi zählt mit einer Ablösesumme von mehr als sechs Millionen Euro allerdings nicht mehr zu dieser Kategorie. Zumal der HSV nicht der einzige Verein ist, der den Nigerianer am Donnerstag beobachten konnte. Ndidi gehörte beim KRC Genk gegen Anderlecht zur Startformation.