Hamburg. St. Paulis zweifacher Torschütze Ryo Miyaichi weckt beim 5:2 gegen den 1. FC Kaiserslautern schon reichlich Vorfreude auf die nächste Spielzeit

    Alexander Berthold

    Bei einigen besonders geschäftstüchtigen Clubs des Profifußballs ist es seit einigen Jahren üblich, dass die eigene Mannschaft im letzten Heimspiel einer Saison bereits im Trikot der jeweils kommenden Spielzeit aufläuft. Diese Maßnahme sichert den Umsatz in der monatelangen Sommerpause, bevor erst im August endlich wieder um Liga-Punkte gespielt wird.

    In dieser Hinsicht ist der FC St. Pauli noch etwas rückständig, am Pfingstsonntag beim Saisonfinalspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern (5:2) gab es die Kollektion der nun abgelaufenen Serie vom scheidenden Ausrüster Hummel zum halben Preis zu kaufen. Die neuen Gewänder werden wohl erst mit Beginn des Vertrages mit dem US-Unternehmen Under Armour am 1. Juli zu kaufen sein.

    Am Pfingstsonntag aber verursachte anstelle eines Stoffstücks ein leibhaftiger Spieler bei den Anhängern des FC St. Pauli eine schon unbändige Vorfreude auf die nächste Zweitligasaison, die am 5. August beginnen wird. Bei seinem ersten Einsatz in St. Paulis Startelf weckte Ryo Miyaichi kühnste Hoffnungen und Erwartungen. Der 23 Jahre alte Japaner war monatelang die tragische Figur des Kiezclubs, hatte er sich doch nach einer guten Vorbereitung im vergangenen Sommer beim letzten Testspiel vor Beginn der Saison einen Kreuzbandriss erlitten. Jetzt trumpfte er gegen Kaiserslautern mit zwei sehenswerten Toren zum 1:1-Ausgleich sowie zum vorentscheidenden 3:1, einer mustergültigen Torvorlage für Lennart Thy zum 2:1, einem Schuss an die Latte und einigen weiteren gefährlichen Offensivaktionen auf.

    „Es war ein sehr emotionaler Moment, als ich mein erstes Tor geschossen habe“, sagte Miyaichi später. Dies war auch deutlich zu sehen, denn der variable Offensivspieler rieb sich nach dem Torjubel Tränen aus seinen Augen. Auch als er über diesen Glücksmoment und die damit verbundenen Gefühle sprach, versagte ihm kurzfristig die Stimme. In diesem Augenblick war zu spüren, wie schwer die lange Zeit des Ausfalls und der Reha für Miyaichi und welch Befreiung sein grandioser Auftritt gewesen sein muss. „Ich bin so glücklich darüber, dass ich getroffen habe. Das habe ich nicht erwartet“, sagte er, als er wieder bei Stimme war.

    Vor diesem denkwürdigen Spiel gegen Kaiserslautern war er zwar schon viermal als „Joker“ ins Team gekommen, hatte jedoch in diesen insgesamt 44 Spielminuten kaum nennenswerte Akzente setzen können. Oft war er einfach zu hektisch gewesen angesichts der jeweils wenigen bis zum Abpfiff verbleibenden Minuten. „Da hatte man gesehen, dass er noch Zeit braucht, um zu alter Stärke zu kommen“, sagte Trainer Ewald Lienen.

    Erst zwei Tage zuvor, so berichtete Miyaichi, habe sich im Training angedeutet, dass er nun erstmals eine Chance in St. Paulis Startelf erhalten könnte. „Wirklich Gewusst habe ich es aber erst am Sonntagmorgen“, erzählte er. „Ryo hat unter der Woche sehr gut trainiert und einen Sprung nach vorn gemacht. Das hat uns auf die Idee gebracht, ihn auch mal von Beginn an zu bringen. Es konnte aber keiner ahnen, dass er gleich so gut funktioniert, zwei Tore schießt und eines super vorbereitet“, sagte Lienen. „Ich hoffe, dass er dieses Niveau beibehalten und für uns in der neuen Saison eine große Verstärkung sein kann.“

    „Es ist wie im Paradies. Da kommt einer aus dem fernen Land, kommt in Holland unter die Räder, wofür er nichts kann, kommt hier an und bekommt auf dem Parkplatz gesagt, er habe einen Kreuzbandriss. Hut ab, wie er sich zurückgekämpft hat“, fasste St. Paulis Sportchef Miyaichis Erlebnisse der vergangenen Jahre zusammen. Auch Miyaichi selbst dachte nach dem Spiel an die Zukunft. „Ich bin ein bisschen traurig, dass jetzt erst einmal eine Pause ist. Aber ich freue mich auch schon darauf, wenn es weitergeht und ich der Mannschaft helfen kann“, sagte er. Seinen Urlaub wird er gemeinsam mit seiner Frau in Japan verbringen.

    Zunächst aber ging es für ihn am Montag zusammen mit den anderen St.-Pauli-Akteuren für drei Tage nach Mallorca, um dort die insgesamt starke Saison und die Steigerung vom 15. auf den vierten Tabellenplatz im Vergleich zum Vorjahr zu feiern. Letzter Termin vor der Sommerpause wird dann am kommenden Sonntag (15.30 Uhr) ein Freundschaftsspiel in Delmenhorst gegen eine Stadtauswahl sein.

    „Die Saison ist für uns sehr, sehr gut gelaufen. Es gab zwar ein paar kleine Krisen, als wir doch hätten oben anklopfen können. Aber wenn man die 34 Spieltage betrachtet, ist das die Leistungsstärke, die wir maximal zeigen können“, sagte bilanzierend St. Paulis Sportchef Thomas Meggle. Nach dem knapp erreichten Klassenerhalt vor einem Jahr war realistisch eher ein Mittelfeldplatz zu erwarten gewesen. Ärgerlich ist dennoch, dass die Aufstiegschance durch Niederlagen und Punktverluste gegen die Abstiegskandidaten verspielt wurde. „Die Einstellung wie heute hätten wir auch in den Heimspielen gegen 1860 München, Paderborn und den FSV Frankfurt an den Tag legen müssen. Da haben wir den allerletzten Biss vermissen lassen und sind auch nicht über unsere Grenzen gegangen“, sagte Ewald Lienen, den die Fans auf der Südtribüne nach dem Spiel vergeblich dazu aufforderten, auf den Zaun zu steigen.

    St. Paulis Trainer wird nun mit erhöhten Erwartungen für die neue Saison leben müssen. Einen Vorgeschmack lieferte bereits Kaiserslauterns Trainer Konrad Fünfstück: „Ich lege mich jetzt schon fest: St. Pauli wird in der nächsten Saison ein absoluter Favorit sein, oben anzuklopfen. Die Mannschaft hat alle Chancen, den sogenannten ganz großen Favoriten richtig Paroli zu bieten.“ Lienen war dies gar nicht recht. „Konrad, sei ruhig. Das war völlig anders abgesprochen eben auf dem Weg hierher“, frotzelte er. Lennart Thy, der dank seines Kopfballtores zum 2:1 mit gerade acht Treffern St. Paulis bester Saisontorschütze wurde und nun zu Werder Bremen wechselt, sieht vor allem in Miyaichi einen künftigen Erfolgsgaranten für St. Pauli: „Ryo kann mit seiner Qualität hier noch jede Menge Freude verbreiten.“

    Jean-Fabrice „Fafa“ Picault wurde von US-Nationaltrainer Jürgen Klinsmann für ein einwöchiges Trainingslager des amerikanischen Teams sowie ein Testspiel gegen Puerto Rico (22.5.) nominiert.