Frankfurt/Main. Selten haben die Schiedsrichter-Entscheidungen in der Bundesliga für so viele Schlagzeilen gesorgt. Drei Routiniers hören auf.

Kaum jemand dürfte den Abpfiff der Bundesliga-Saison so herbeisehnen wie - die Schiedsrichter. Im überhitzten Profifußball, der jedes Jahr noch intensiver öffentlich begleitet wird, haben die Spitzenreferees Kritik einstecken müssen wie nie zuvor. Der scheidende Schiedsrichter-Boss Herbert Fandel will vor dem letzten Spieltag noch keine Bilanz ziehen. Ein Umbruch steht jedenfalls an, auf dem Rasen und auf Funktionärsebene.

Dass die Unparteiischen beim Deutschen Fußball-Bund und nicht wie die 1. und 2. Bundesliga bei der Deutschen Fußball Liga angesiedelt sind, erschwerte zunehmend das Innenverhältnis. Die Verantwortlichen Fandel, Lutz-Michael Fröhlich (beide DFB) und Hellmut Krug (DFL) bestreiten zwar Medienberichte, wonach im Wintertrainingslager auf Mallorca die Auseinandersetzungen aufgebrochen seien.

Ex-Fifa-Referee Markus Merk sprach aber von einem „kleinen Machtkampf“. Fandel zieht sich nach dieser Runde jedenfalls aus dem Tagesgeschäft zurück und hört beim Bundestag im November als Vorsitzender des Schiedsrichter-Ausschusses auf.

Kircher, Meyer und Weiner beenden Karriere

Nicht mehr pfeifen werden 2016/2017 drei Routiniers, die auch international tätig waren: Knut Kircher (Rottenburg), Florian Meyer (Burgdorf) und Michael Weiner (Ottenstein). Der Münchner Felix Brych darf zwei Jahre nach seinen Einsätzen bei der WM in Brasilien zur EM. Für Olympia ist kein deutscher Schiedsrichter nominiert.

Vor allem Meyer und Kircher waren bei den Profis hoch angesehen, die nachrückenden Unparteiischen müssen sich erstmal Respekt erkämpfen auf einem Terrain, wo Spieler und Trainer sehr viel tun, um die „Pfeifenmänner“ zu beeinflussen.

Kircher gilt als Top-Kandidat für eine Funktionärsposition. „Wenn man so lange in diesem Bereich tätig war, dann will man auch seine Erfahrung weitergeben, Impulse setzen“, sagte er und bilanzierte: „Es gab in dieser Saison, wie auch in anderen Spielzeiten, Höhen und Tiefen, die wir Schiedsrichter regelmäßig und selbstkritisch beleuchten (..).“

Er nehme allerdings schon wahr, „dass rein medial mehr und mehr auch eine Schuldfrage am Spielausgang aufgebaut wird, die ich in manchen Formen nicht für gerechtfertigt halte“.

Videobeweis wird getestet

Mit der Torlinientechnologie haben die Schiedsrichter eine weitere Hilfe bekommen, und doch schrieben sie in den vergangenen Monaten Schlagzeilen mit eklatanten, mintunter spielentscheidenden Fehlern. Da war das Handtor von Hannovers Leon Andreasen gegen Köln, der unberechtigte, von Kircher gepfiffene Elfmeter für Bayern München gegen den FC Augsburg, zuletzt das fälschlicherweise von Felix Zwayer nicht gegebene Tor von Werder Bremen in Köln - und vieles mehr.

Von der neuen Saison an wird nun noch der Videobeweis in der Bundesliga getestet. Aber hilft das alles den Unparteiischen wirklich? „Ich glaube, diese Headsets sind das Problem, denn so viele Fehler wie jetzt machen die Schiedsrichter normal nicht“, gab der Frankfurter Ex-Trainer Armin Veh zu bedenken. „Da babbelt plötzlich jeder rein, selbst der Vierte an der Linie. Und der Hauptschiedsrichter selber entscheidet weniger als früher.“

Es sei, meinte Kircher, nicht schwerer geworden, in der Bundesliga zu pfeifen. „Aber das Spiel ist dynamischer geworden, und die Spieler schneller.“ Die Anforderungen, räumte auch DFB-Abteilungsleiter Fröhlich ein, seien gewachsen. Und Fandel beklagte schon mal die Fallsucht der Profis: „Die Angreifer liegen mittlerweile im Strafraum schneller am Boden.“

Der frühere Fifa-Unparteiische Thorsten Kinhöfer kritisierte als Kolumnist der „Bild am Sonntag“ das Verhalten der Trainer in der Coachingzone: „aggressiv, aufbrausend oder despektierlich“. Die Spieler würden das wahrnehmen und sich nicht benehmen. Das erschwere die Leitung ungemein.

Die „furchteinflößende Größe“

Knut Kircher will seine Schiedsrichter-Karriere ohne Aufsehen beenden. „Mit einem Schub Adrenalin und einem Lächeln auf den Lippen in Erinnerung an eine wunderbare und erlebnisreiche Zeit“, erklärt er. Der Rottenburger hört nach dieser Bundesliga-Saison und 243 Spielen ebenso auf wie Florian Meyer (Burgdorf) und Michael Weiner (Giesen), die alle die Altersgrenze von 47 Jahren erreichen.

„Bis zum Ende ist jedes Spiel eine Herausforderung“, sagt Meyer. Über die Ansetzungen ihrer „Abschiedsspiele“ entscheidet der DFB wie bei allen Liga-Begegnungen kurzfristig. Mit Meyer und Kircher gehen nach einer turbulenten Saison für die Spitzenreferees jedenfalls zwei von den Profis sehr geschätzte Unparteiische in den Ruhestand: In der halbjährlichen Umfrage des „Kicker“ gewannen seit Winter 2009 je dreimal Kircher und WM-Referee Felix Brych die Wahl zum besten Schiedsrichter - und neunmal stand Meyer an der Spitze.

Während Meyer vor allem auszeichnete, dass er mit den Spielern auf dem Platz viel sprach und gut umgehen konnte, strahlte Kircher mit seinen 1,96 Metern viel Souveränität aus. Sein Erfolgsgeheimnis? „Authentisch sein und bleiben (...). Und ja, vielleicht war es auch ein wenig meine ‘furchteinflößende’ Größe.“