Der Derbychef will die Reit-EM nach Hamburg holen. Innensenator Grote habe dem Derby die Unterstützung der Hansestadt zugesichert.

Hamburg. „Der langersehnte Tag bricht heran“, heißt es übersetzt im Refrain der irischen Nationalhymne. Im 87. Deutschen Springderby war es wieder einmal soweit: Der Ire Billy Twomey dirigierte seinen braunen Wallach Diaghilev im Stechen derart souverän und zudem schnell über den Parcours, dass die Konkurrenz das Nachsehen hatte.

Nach Hymne und Siegerehrung absolvierte das Gespann zweieinhalb Ehrenrunden. Gut 25.000 Zuschauer in Klein Flottbek klatschten im Takt des Triumphmarsches, und das Blaue Band des Champions wehte im Wind. Es war ein Bild für Götter zum Ausklang eines insgesamt geglückten Pferdefestivals.

Tatsächlich war das Publikum mit einem Stechen als Zugabe auf seine Kosten gekommen. Zuvor hatte keiner der 32 Kandidaten den 152. Nullfehlerritt der Derbygeschichte geschafft. Neun Reiter verbuchten je einen Abwurf. Im Stechen war Billy Twomey der Schnellste unter vier fehlerfreien Ritten. Knapp zwei Sekunden zurück wurde der Engländer Nigel Coupe im Sattel von Golvers Hill Zweiter vor dem Mecklenburger André Thieme auf Voigtsdorfs Quonschbob. Lokalmatadorin Janne Friederike Meyer und Cellagon Anna auf Rang vier erhielten besonders intensiven Beifall. Im ersten Durchgang war beiden hinter dem Wall ein Missgeschick widerfahren.

Twomey setzte alles auf eine Karte

„Mein Pferd hatte richtig Mumm“, sagte Twomey nach der Ehrenzeremonie. „Wir wollten es heute wissen.“ Das Duo war im Englischen Derby in Hickstead 2015 auf Platz zwei gesprungen. In Hamburg setzte der dreifache Familienvater mit Wohnsitz in Nottingham alles auf eine Karte. Zuletzt hatte Hugo Simon 1997 als Teilnehmer aus dem Ausland das Blaue Band gewonnen. Diesmal platzierten sich zwei Reiter von der Insel ganz vorn.

„Die begeisternde Stimmung in Klein Flottbek hat uns zusätzlich motiviert“, sagte Billy Twomey. Noch am Abend flog der 39-Jährige von Fuhlsbüttel zurück nach England. Wie gut, dass er auf den Rat seines früheren Ausbilders und Freundes Michael Whitaker gehört hatte, das Derby in Klein Flottbek zu wagen. Schließlich kennen sich die Whitakers im Westen der Hansestadt exzellent aus und verbuchten hier großartige Siege.

Der zweimalige Derbysieger Achaz von Buchwaldt hatte den Triumph des Iren kommen sehen. „Der Junge wird’s machen“, orakelte der Reitmeister aus Blankenese vor dem Stechen. „Er hat ein starkes Pferd und ist ein schneller Reiter, der alles riskiert und dabei klaren Kopf bewahrt.“ Wohl wahr: Billy bewies Fortune wie Chuzpe.

Natürlich hätten die Besucher Janne Friederike Meyer den Coup im Heimspiel von Herzen gegönnt. Doch von wegen hanseatisch zurückhaltend: Twomeys couragierter Husarenritt wurde fair minutenlang bejubelt. Da das Umfeld stimmte, ließ man sich auch von einer Malaise nicht verdrießen: Nach dem ersten Derbydurchgang wurde das Stechen ohne dramaturgisches Feingefühl mit Tempo durchgepeitscht. Das Fernsehen, für die Sponsoren unverzichtbar, ließ grüßen. Die ARD spielte mit und verlängerte die Live-Übertragung um acht Minuten.

Anlage müsste für EM-Bewerbung renoviert werden

Direkt vor Ort wie auch auf den Bildschirmen kam Spannung auf. Auch wenn die ganz großen Namen im Derby teilweise fehlten, gab es den legendären Kitzel: Verweigerungen, Abwürfe, Eskapaden. Elf Reiter, mithin mehr als ein Drittel, kamen nicht über die Runde. Verletzungen bei Mensch und Tier blieben aus. „Billys Sieg tut dem Derby gut“, analysierte Achaz von Buchwaldt. Zuletzt hätten meist Holsteiner oder Mecklenburger dominiert. Internationaler Spirit sorge für Belebung. Apropos: Nach dem Olympia-Aus setzte die Stadt am Sonntag ein kleines Zeichen. Hatte im Vorjahr noch ein Staatsrat den Senatspreis übergeben, war diesmal auch der Innen- und Sportsenator Andy Grote vor Ort. Mehr als vier Stunden überzeugte sich der SPD-Politiker vom Flair des Flottbeker Pferdefestivals. Das Stechen erlebte er an der Seite von Derbychef Volker Wulff inmitten des Parcours.

Fest steht, dass sich Hamburg nur mit einer zeitgemäß renovierten Anlage für die Europameisterschaft der Springreiter chancenreich bewerben kann. Die Frist für 2019 läuft am kommenden Sonntag ab, doch ist dieser Termin für Klein Flottbek illusorisch. Das 88. Deutsche Spring-und Dressur-Derby steht am 28. Mai 2017 auf dem Programm, also fast drei Wochen später als diesmal. Bis dahin muss eine Vorentscheidung gefallen sein. „Wir wollen die EM“, machte Derbychef Volker Wulff klar.

Mehr als eine halbe Stunde hatte er im Ehrengastzelt mit Innen- und Sportsenator Grote gesprochen. „Wir werden uns bald wieder treffen“, sagte Wulff. Der Politiker habe dem Derby die Unterstützung der Hansestadt zugesichert. „Der Senator hat bekräftigt, am Standort Klein Flottbek festzuhalten“, sagte Wulff. Wer am Sonntag im Derbypark weilte, hätte sich über jede andere Aussage gewundert. Doch ein Festhalten alleine wird nicht reichen.