Brandenburg. Eric Johannesen wird mit dem Deutschland-Achter zum vierten Mal Europameister. Er ist nicht der einzige Hamburger Sieger der Ruder-EM

    Eric Johannesens Trikot war auf der rechten Seite immer noch triefend nass, als er Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im Ehrengastbereich die „reine Willensleistung“ erklärte, die er mit dem Deutschland-Achter gerade vollbracht hatte. Schon das ganze Wochenende hatte stürmischer Seitenwind den Beetzsee aufgepeitscht, ständig schwappte den Ruderern Wasser in den Fußraum, blieben sie mit ihren Blättern an Wellenkanten hängen, mussten sie in ihren kippeligen Rennbooten um die Balance kämpfen. „Es war schon grenzwertig“, fand Johannesen, „mit einem älteren Modell wären wir vollgelaufen.“ Nicht einmal vom Training in Hamburg kennt der Olympiasieger vom RC Bergedorf solche Bedingungen. Und doch waren sie wohl fair, das legte auch dieses finale Rennen der Europameisterschaften in Brandenburg an der Havel nahe. Denn sie waren für alle gleichermaßen schwierig. Und am Ende hatten sich fast ausnahmslos die durchgesetzt, von denen man annimmt, dass sie ihr Fach am besten verstehen.

    Im Fall des Deutschland-Achters allerdings hatte sich die Hoffnung nach 500 Metern verflüchtigt. Alle fünf Konkurrenten lagen bei der ersten Zeitmessung vor dem Titelverteidiger. Bundestrainer Ralf Holtmeyer versuchte später erst gar nicht, das als Taktik zu verkaufen: „Wir sind nicht gut reingekommen ins Rennen.“ Aber zur Hälfte bei 1000 Metern habe er gemerkt, „dass sie sehr gut ins Schieben gekommen sind“. Da war sein Flaggschiff bereits Dritter. Der Zielspurt dann riss die fröstelnden Zuschauer von den Sitzschalen. Während der Konkurrenz nach der üblichen Renndauer von fünfeinhalb Minuten die Kraft ausging, hatte das deutsche Team in der windbedingten Überlänge noch zuzusetzen, Schlag um Schlag schob es sich heran und schließlich vorbei.

    „Es tut gut zu wissen, dass wir mit so schwierigen Bedingungen klarkommen“, sagte Johannesen. Für den Hamburger ist es der vierte goldene Saisonauftakt nacheinander, aber er weiß, wie es in den Vorjahren stets geendet hat: Bei den Weltmeisterschaften hatten die Briten im Schlussspurt den Bug vorn. Vor diesem, dem olympischen Jahr, hat der Cheftrainer Jürgen Grobler die Hälfte seines erfolgreichen Achters in den Vierer umgesetzt, „um in mehr Bootsklassen mitmischen zu können“, wie der Magdeburger dem Abendblatt erklärte. Am Sonntag rettete sein Großboot die Bronzemedaille nur um Tausendstelsekunden ins Ziel. Aber Johannesen ist sich sicher, dass der Weltmeister schon in drei Wochen beim Weltcup auf dem Luzerner Rotsee zurückschlagen wird: „Wenn ich eins gelernt habe, dann, dass man die Briten nicht abschreiben darf.“

    Aber gutgetan hat es schon, einmal selbst das Feld von hinten aufzurollen. Es war ein Ende wie gemalt für dieses erste internationale Kräftemessen, das Marcus Schwarzrock „insgesamt zufrieden“ stimmte. Zehn Medaillen für den Deutschen Ruderverband, davon acht in olympischen Bootsklassen und goldene für den Männerachter und den Frauen-Doppelvierer: Das entspricht in etwa dem, was sich der Hamburger Chef-Bundestrainer von der Heim-EM versprochen hatte. Wobei es keine Zielvereinbarung gegeben hatte: „Wir wollten vor allem sehen, wo wir stehen.“

    Im Einzelfall sogar besser als gedacht. Wer etwa hätte dem Leichtgewichtsvierer schon eine Bronzemedaille zugetraut? Wohl allenfalls seine Hamburger Trainer Tim Schönberg und Christian Dahlke, die das schlingernde Boot im Herbst übernommen haben. Die Qualifikationsregatta in zwei Wochen in Luzern will zwar noch gerudert sein. „Aber das Ergebnis gibt uns Rückenwind“, sagte Dahlke, nachdem er Schlagmann Lars Wichert vom RC Allemannia erleichtert um den Hals gefallen war. Für den dreifachen Weltmeister Wichert war es die erste internationale Medaille in einer olympischen Klasse, „das bedeutet mir viel“.

    Zu den EM-Gewinnern könnte auch Tim Ole Naske von der RG Hansa gehören. Der Jugend-Olympiasieger im Einer war zwar nur als Ersatzmann dabei – Schwarzrock hatte ihn nicht berücksichtigt, nachdem Naske bei der Kleinbootausscheidung Mitte April in Köln nach gewonnenem Halbfinale von Rückenproblemen gestoppt worden war. Aber auf Umwegen könnte das Hamburger Ausnahmetalent schon noch in ein olympisches Boot rutschen.

    In Luzern darf Naske, 20, mit Lars Hartig aus Friedrichstadt im Doppelzweier antreten. Sind sie schneller als Marcel Hacker/Stephan Krüger (Magdeburg/Rostock), dürfen sie nach Rio – wobei Hacker/Krüger bei der EM als Zweite einen starken Eindruck hinterließen. Schwarzrock: „Die beiden haben hier eine Duftmarke gesetzt und genießen unser Vertrauen.“ Wahrscheinlicher ist da schon, dass für Naske ein Rollsitz im Doppelvierer frei wird. Der hat zwar die Originalbesetzung des Olympiasiegs 2012 und des WM-Siegs 2015, aber nicht die Form. In Brandenburg reichte es nur zum vierten Platz, nachdem kurzzeitig ein Skull verloren ging. „Wir müssen das auswerten“, sagte Schwarzrock. Es gebe da Optionen. Eine dürfte Naske heißen.