Stuttgart. Desolate Schwaben können sich nicht mehr aus eigener Kraft retten – Abstiegsduell zwischen Bremen und Frankfurt

    Schon am Tag nach dem chaotischen Platzsturm herrschte beim VfB Stuttgart wieder triste Normalität. Nur ein paar Anhänger verfolgten bei strahlendem Sonnenschein das Auslaufen ihrer Mannschaft, die nach dem 1:3 gegen Mainz kurz vor dem Abstieg in die Zweite Liga steht. Anstelle von wütenden Protesten gab es Wünsche nach Selfies und Autogrammen, niemand mochte sich anscheinend mehr über den sportlichen Absturz aufregen. Nur noch die größten Optimisten glauben an den theoretisch noch möglichen Klassenverbleib. Bei einem Sieg in Wolfsburg am Sonnabend und einer Heimniederlage von Bremen gegen Frankfurt schafft es der VfB auf Relegationsplatz 16 – oder wenn er sechs Tore auf die Eintracht gutmacht.

    „Das ist alles nicht spurlos an uns vorbeigegangen“, beteuerte Sportvorstand Robin Dutt mit Blick auf die Szenen nach dem Abpfiff. Hunderte wütende Anhänger hatten sich auf dem Rasen versammelt und den Dialog mit der Mannschaft gefordert. Später blockierten Fans das Stadioneingangstor. Es hagelte Schmährufe, Beleidigungen. Erst nach drei Stunden beruhigte sich die Lage, Spieler und Funktionäre konnten den Heimweg antreten.

    Dutt war der einzige, der am Tag nach dem sportlichen Offenbarungseid mit den Journalisten sprechen wollte. Der für gewöhnlich redselige Manager sprach mit leiser Stimme und gesenktem Kopf. „Dass Wut und Enttäuschung der Fans groß sind, kann man verstehen“, meinte der 51-Jährige. „Es geht jetzt nicht nur um die theoretische Chance, es geht auch um Anstand und Ehre.“ Dutt versicherte, dass der Club „auf den möglichen Worst Case sehr gut vorbereitet“ sei.

    Am Vortag hatten sich VfB-Urgestein Christian Gentner und der von den Anhängern verehrte Kevin Großkreutz mutig den aufgebrachten Fans („Bis auf Kevin könnt ihr alle gehen“) gestellt. Der Kapitän und der erst im Winter verpflichtete Hoffnungsträger versuchten die auf den Platz gestürmten Anhänger zu beruhigen, die vor der Haupttribüne und dem Spielertunnel für Aufruhr und Chaos sorgten. Vereinspräsident Bernd Wahler sprach mit belegter Stimme von einer „teilweise bedrohlichen Situation“.

    Leicht hätte die Lage sogar noch stärker eskalieren können. Aber Großkreutz und Gentner trugen mit ihren couragierten Auftritten mitten unter den brodelnden Anhängern entscheidend zur Beruhigung bei. Wie sehr der hautnahe Kontakt den beiden Profis an die Nieren ging, zeigten auch Großkreutz’ Tränen. „Ich kann die Fans verstehen“, sagte der Verteidiger. „Wir sind dafür verantwortlich.“

    Auch Trainer Jürgen Kramny äußerte sichtlich betroffen ein gewisses Verständnis für Trauer und Enttäuschung: „Die Leute sind enttäuscht.“ Der Frust habe dazu geführt, dass einige Anhänger „auf uns losgegangen sind. Das müssen wir erst mal zusammen verarbeiten.“ Dutt versicherte, dass Kramny Trainer bleibt: „Es ist wichtig, dass wir nach den Geschehnissen des Spieltags als Einheit gemeinsam mit Jürgen diesen Schritt gehen.“ Zuvor hatte Präsident Bernd Wahler noch offen gelassen, ob Kramny in Wolfsburg noch auf der Bank sitzen werde. Nur ein Beleg für die Panikstimmung bei den Schwaben.

    In die Partie beim VfL Wolfsburg setzen Trainer, Mannschaft und Vereinsspitze nun ihre letzten Hoffnungen, den zweiten Bundesliga-Abstieg nach 1975 verhindern zu können. „Aufgeben gibt es nicht“, beteuerte Kramny nach dieser „brutalen Geschichte“. „So lange rechnerisch noch was möglich ist, muss man es versuchen.“ Danach aber dürfte nicht nur für Kramny das Kapitel VfB beendet sein. Unwahrscheinlich, dass Dutt bleiben darf, genauso steht Wahler zur Disposition.

    Eintracht Frankfurt benötigt in Bremen ein Remis für den Klassenerhalt

    Das Kontrastprogramm spielte sich in der Frankfurter Commerzbank-Arena ab. Nach dem 1:0 gegen Dortmund – dem dritten Sieg in Folge – fahren die Hessen als Tabellen-15. zum 16. nach Bremen. „Wenn man die letzten drei Spiele gesehen hat, kann man davon ausgehen, dass sich die Bundesliga am nächsten Sonnabend um 17.20 Uhr darauf freuen kann, die geilste Mannschaft ein weiteres Jahr in der ersten Klasse zu haben“, jubelte Präsident Peter Fischer, der mit seiner verbalen Breitbeinigkeit den Nerv der meisten Fans und Spieler traf. Eine Woche nach seinem Siegtreffer in Darmstadt erzielte Stefan Aigner auch gegen den BVB das entscheidende Tor (14.). Trainer Nico Kovac ist es gelungen, ein sportlich am Boden liegendes Team zu reanimieren: Die Eintracht verteidigt konsequenter, tritt geschlossen auf und läuft vor allem mehr.