Dortmund. Der Hamburger Eric Johannesen behauptet seinen Sitz im Deutschland-Achter, sein Bruder Torben darf noch auf Rio hoffen

    Alle kennen den Deutschland-Achter, aber nur Experten können wirklich die Namen aufzählen. Und dennoch ist es das größte Ziel eines jeden Ruderers, einen Sitz in diesem Flaggschiff zu ergattern. Am Donnerstag lüftete Bundestrainer Ralf Holtmeyer in Dortmund das Geheimnis, mit welcher Besatzung er die Mission Gold, die Titelverteidigung bei den Olympischen Spielen im August in Rio de Janeiro, aufnehmen wird.

    Eric Johannesen, 27, vom RC Bergedorf wird wie 2012 in London versuchen, Gold zu gewinnen. Sein sechs Jahre jüngerer Bruder Torben macht die Vorbereitung auf Rio mit und hält sich als Ersatzmann für den Fall bereit, dass im Achter, Vierer oder Zweier ein Sportler auf der Backbordseite ausfällt.

    „Das olympische Gold ist unser Ziel“, sagte Bundestrainer Ralf Holtmeyer. „Wir sind schon auf einem stabil hohen Niveau. Aber wir sind noch nicht so gut, wie wir sein wollen. Wir müssen noch richtig reinhauen.“

    Auf Experimente verzichtete Holtmeyer, der schon 1988 den Achter zum Olympiasieg führte, bei der Auswahl seiner Besatzung. Neben Eric Johannesen vertraut Holtmeyer auf weitere vier Goldmedaillengewinner von London 2012: Maximilian Reinelt (Ulm), Richard Schmidt (Trier), Andreas Kuffner (Berlin) und Steuermann Martin Sauer (Berlin). Außerdem fiel die Wahl des Bundestrainers auf Hannes Ocik (Schwerin), der die Position des Schlagmanns übernimmt, Malte Jakschik (Castrop-Rauxel), den für Lübeck startenden Hamburger Maximilian Munski und Felix Drahotta (Leverkusen).

    „Ich freue mich riesig, dass ich wieder dabei bin“, sagte Eric Johannesen. „Nach all der Schinderei freuen wir uns auf die Wettkämpfe. In der nächsten Woche geht es ja schon zur Europameisterschaft nach Brandenburg an der Havel.“ Der Student hat für das große Ziel Rio unglaublich viel Zeit und Energie investiert. Dienstags bis sonnabends ist er in Dortmund. Woche für Woche, unterbrochen nur von Trainingslagern. Das goldene Erlebnis von 2012 hat ihn bewogen, sich weiter und weiter zu quälen: „Ich habe alles noch einmal auf mich genommen, denn ich weiß seit dem Olympiasieg in London, dass sich die Entbehrungen lohnen.“

    Obwohl man mit seinem Sport nicht reich wird und auch in der Öffentlichkeit als ein Mitglied des Achters keine über Hamburg hinausgehende Popularität genießt, hat der 27-Jährige nie bereut, sich dem Rudern verschrieben zu haben. „Ich mache das nicht, um in der Öffentlichkeit zu stehen. Ich habe einfach Spaß daran, mich mit anderen zu messen. Ich finde es faszinierend zu sehen, wie acht Ruderer und ein Steuermann zu einer harmonischen Einheit verschmelzen.“

    Natürlich hätte er gern mit seinem Bruder zusammen im Achter gesessen. Doch der Schritt dahin war für den 21-jährigen Torben Johannesen noch zu groß. „Es ist ein großer Erfolg für ihn, dass er als Ersatzmann dabei ist. Torbens Jahre kommen noch, er kann bis 2020 planen“, sagt Eric Johannesen. „Und es kann immer mal ein Ruderer krank werden oder sich verletzen. Dann winkt ihm eine Chance.“ Johannesen d. J. zeigte sich auch glücklich: „Letztes Jahr war ich noch gar nicht dabei. Diesmal bin ich im Winter im Nachrückverfahren dazu gestoßen. Ich schaue schon nach Tokio 2020.“

    Ein Ruderer, der fest mit seiner Nominierung für das Paradeboot gerechnet hatte, fehlte bei der Präsentation in Dortmund. Als der Berliner Anton Braun vor einigen Tagen erfuhr, dass er im Vierer und nicht im Achter sitzen sollte, packte er voller Frust seine Sachen und verschwand. Inzwischen ist er wieder im Training, gehört aber zunächst weder zum Achter noch zum Vierer und Zweier. „Ich kann seine Enttäuschung verstehen“, sagte Holtmeyer. „Anton will sich hinten anstellen und bleibt bei der EM in der nächsten Woche in Brandenburg außen vor. Die Tür bleibt aber für ihn offen. Er ist weiterhin ein Kandidat für Rio.“

    Der Ausleseprozess für den Deutschland-Achter ist kompliziert. Neben zwei Ergometer-Tests, die Aufschluss über die körperliche Stärke der Kandidaten gibt, haben sich die 22 Bewerber in zwei Zweier-Tests gemessen. Braun gewann beide Rennen mit seinem Partner Drahotta. Zu Holtmeyers Erfolgsrezept gehört auch, dass er die letzte Entscheidung nicht allein nach objektiven Kriterien trifft: „Ich höre auch auf meinen Bauch – und der wächst immer mehr.“

    Statt Braun wird Kuffner im Achter sitzen. Der 1,96 Meter große und 93 Kilo schwere Modellathlet war bis 2012 Eric Johannesens Zweierpartner. Nach einer Zwangspause wegen einer Bandscheiben-Operation saß er mit Torben Johannesen im Kleinboot. „Andreas verkörpert einen unglaublichen Siegeswillen. Deshalb gebe ich ihm die Chance“, sagt Holtmeyer. Und sagt sinngemäß das, was auch Eric Johannesen über Kuffner denkt: „Wir müssen jetzt noch einmal eine Schippe drauflegen. Wir brauchen Typen, die das verinnerlichen. Andreas ist genau der Richtige. Wir wollen schließlich wieder Olympiasieger werden.“