Hamburg. Müller und Lasogga waren die Stars des Derbys. Im Sommer könnten sich die Wege trennen

Kai Schiller

Wo die Reise am Sonntag hinging, wollte Bruno Labbadia nicht verraten. Dass es ein Fußballspiel war, das der HSV-Trainer an seinem freien Tag besuchte, war nicht allzu schwer zu erraten. Nur eines ließ Labbadia vor dem Ausflug durchblicken: Es ging um die Zukunft. Nach dem 2:1-Sieg gegen Werder Bremen hielt das gesamte Trainerteam der Hamburger am Wochenende Ausschau nach neuen Spielern. „Das ist jetzt eine wichtige Phase“, sagte Labbadia nach dem Derbyerfolg, der den sportlichen Verantwortlichen erstmals mehr als nur eine gefühlte Planungssicherheit für die kommende Bundesligasaison ermöglicht.

Und so dürfte Labbadia bei seiner kleinen Sonntagsreise vor allem auch Ausschau nach Verstärkungen für die Offensive des HSV gehalten haben. Das klingt zunächst überraschend, denn es waren vor allem die beiden Offensivspieler Nicolai Müller und Pierre-Michel Lasogga, die sich am Freitagabend gemeinsam mit Torhüter Jaroslav Drobny (siehe Bericht unten) den Titel Derbyheld teilen durften. Müller aufgrund seiner mustergültigen Vorarbeit zum frühen 1:0, Lasogga aufgrund seines Doppelpacks, der das packende Nordderby entscheiden sollte. Die beiden Freunde bereiteten nicht nur den Fans Freude, sondern vor allem auch den Vereinsverantwortlichen. „Man kann sagen, ich bin wieder zurück“, sagte Lasogga nach dem Spiel.

Dass sein Name in den Personalüberlegungen des HSV eine gewichtige Rolle spielt, hat weniger mit den Toren des Stürmers vom Freitag zu tun, sondern vielmehr mit den 666 Minuten, in denen Lasogga zuvor nicht getroffen hatte. Nach seinen schwachen Leistungen in der Rückrunde gilt der 24-Jährige weiterhin als Verkaufskandidat. Durch seine Saisontore sieben und acht scheint es nun auch wieder eine realistische Chance zu geben, dass sich ein Interessent beim HSV meldet. Dass der Verein bei einem entsprechenden Millionen-Angebot gesprächsbereit wäre, gilt als offenes Geheimnis. Zum einen würde der klamme HSV bei einem Wechsel des Stürmers 3,4 Millionen Euro Jahresgehalt einsparen, zum anderen braucht der Verein dringend frisches Geld, um auf dem Transfermarkt handlungsfähig zu sein.

Dabei zeigte Lasogga in der ersten Halbzeit gegen Werder, wozu er imstande ist, wenn er die richtigen Zuspiele bekommt. „Es kamen endlich wieder gefährliche Bälle in den Sechzehner, das ist genau mein Spiel“, sagte der Doppeltorschütze. Sportchef Peter Knäbel stellte fest: „Wenn eine Nummer neun funktioniert, dann funktioniert eine Mannschaft.“ Doch die Mannschaft funktionierte gegen Bremen nur in den ersten 45 Minuten. In der zweiten Halbzeit zeigte sich dann wieder, wie wirkungslos Lasogga ist, wenn die Zuspiele ausbleiben. Vor allem aber zeigte sich, wie abhängig der HSV mittlerweile von Nicolai Müller ist, der zur Halbzeit raus musste, weil seine Oberschenkelverletzung wieder aufbrach. „Für den Sieg hat es sich gelohnt“, sagte Müller.

Und während es noch in den Sternen steht, wo die Reise seines Kumpels Lasogga (Vertrag bis 2019) hingeht, ist Müller (Vertrag bis 2018) nach einjähriger Anlaufzeit in Hamburg so richtig angekommen. „Nicolai ist ein entscheidender Spieler für uns. Seinen Wert hat man jetzt wieder gegen Bremen gesehen“, sagte Sportchef Knäbel. Auch
Lewis Holtby schwärmt von seinem Nebenmann. „Nico ist ein fantastischer Spieler. Seine Schnelligkeit ist unglaublich – das hat er auch vor dem 1:0 gezeigt.“ Trainer Labbadia lobt die Effektivität des Topscorers, der jetzt acht Tore und fünf Vorlagen auf seinem Konto hat. „Er besitzt die Fähigkeit, die Mitspieler einzusetzen. Mit seinen tiefen Läufen kann er eine Abwehr auseinanderreißen“, sagte Labbadia, der Müller in der zweiten Halbzeit schmerzlich vermisste. „Da haben wir die Konter nicht gut ausgespielt.“

Der HSV hofft auf eine Anfrage für Lasogga aus der Premier League

Auch Lasogga konnte ohne Müller nicht mehr für Entlastung sorgen. Im Gegensatz zum Flügelflitzer verfügt der Sturmbulle nicht gerade über eine große Geschwindigkeit. Und genau dieses Defizit macht Lasogga im laufintensiven System von Labbadia zu häufig zu wirkungslos. Auch deswegen denkt der HSV an einen Verkauf. Hinzu kommen die Formschwankungen und ständigen Verletzungen, die Lasoggas Zeit beim HSV nun schon seit fast drei Jahren begleiten. In Hamburg hofft man daher auf ein Angebot aus der Premier League. In den jüngsten Transferperioden gab es immer mal wieder unverbindliche Anfragen. Lasogga selbst hatte die Premier League als seinen Traum bezeichnet, bevor ihn der HSV 2014 für 8,5 Millionen Euro fest verpflichtete. Noch gebe es allerdings kein Angebot, sagte Knäbel am Sonnabend im NDR.

Lasogga selbst geht mit der Situation gelassen um. In der Mannschaft ist der Stürmer extrem beliebt. Insbesondere bei Müller. Die beiden liefern sich nun mit jeweils acht Saisontoren in den letzten drei Spielen ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die interne Torjägerkrone. „Ich konnte das nicht mehr mit ansehen, dass er zwei Tore vor mir liegt“, sagte Lasogga nach dem Nordderby im Spaß. Am Sonnabend wird er das Rennen aber nur als Zuschauer verfolgen können. Die Reise des HSV geht dann nach Mainz. Lasogga fehlt wegen der fünften Gelben Karte.

Als Ersatz wird dann wohl wieder Sven Schipplock auflaufen. Der Stürmer hat in dieser Saison noch gar nicht getroffen. „Ich hoffe, dass Sven seine Chancen nutzt und sein erstes Tor schießt“, sagte Lasogga, der nach seinem ersten Tor gegen Bremen direkt in die Arme des Reservisten gelaufen war. Wenn es einen HSV-Spieler gibt, mit dem sich Lasogga noch besser versteht als mit Müller, dann ist es Schipplock.