Hamburg. Jaroslav Drobny rettete den HSV vor zwei Jahren in der Relegation. Im Nordderby gegen Werder Bremen kommt es nun erneut auf den Ersatztorwart an

Es war durchaus mutig von Hakan Calhanoglu, als er im Gefühl der Euphorie seinem Torwart das Mikrofon und die Kamera vor die Nase hielt. „Herr Drobny, was sagen Sie zum Spiel?“, fragte also der junge Mittelfeldspieler in der Rolle als Kabinenreporter. Und schaute durchaus verdutzt, als er eine deutliche Antwort erhielt. „Du hast scheiße gespielt. Du musst besser werden. Aber sonst alles gut.“

Alles gut, das galt in diesem Moment vor allem für den HSV. Durch das nervenaufreibende 1:1 im Relegationsrückspiel bei Greuther Fürth hatte der Club soeben den erstmaligen Abstieg aus der Fußball-Bundesliga verhindert. Fast genau zwei Jahre ist das jetzt her. Und der Mann, der den HSV zuvor mit seinen Paraden gerettet hatte, saß nun entspannt in der Kabine, trank einen großen Schluck Bier und genoss den Moment, während Calhanoglu und seine Kollegen hemmungslos feierten.

Jaroslav Drobny, der Torwart aus Tschechien, ist kein Mann der großen Worte vor der Kamera. Das hat in der Vergangenheit nicht nur Hakan Calhanoglu erfahren. Drobny ist ein Mann für die großen Momente. So wie im Mai 2014, als er in den Relegationsspielen gegen Fürth kurzfristig den verletzten René Adler ersetzen musste und so cool und unaufgeregt spielte, als kenne er weder Nerven noch Nervosität.

Wie es die Geschichte so will, steht Drobny nun erneut im ersten großen Nervenspiel der HSV-Saison im Fokus. Weil Adler nach seiner Roten Karte am vergangenen Sonntag in Dortmund gesperrt ist, kehrt Drobny an diesem Freitag (20.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) im Nordderby gegen Werder Bremen ins HSV-Tor zurück. Verhinderte Drobny vor zwei Jahren den Abstieg in der Relegation, könnte er diesmal dazu beitragen, dass die Hamburger ihrer dritten Relegation in Folge und einer erneuten Nervenschlacht entgehen. Und so viele Sorgen den Fans nahezu alle Mannschaftsteile des HSV auch bereiten – über die Position im Tor sorgt sich niemand. Schon gar nicht Bruno Labbadia. „Drobo weiß genau, worum es geht. Er passt gut zum Derby“, sagte der HSV-Trainer vor dem Spiel und wählte eine ebenso prägnante wie passende Bezeichnung. „Drobo ist ein abgewichster Hund.“

Was Labbadia damit meint? Vermutlich die Fähigkeit Drobnys, die absolute Sicherheit auch in Stresssituationen auszustrahlen. Und davon gab es in der jüngeren Vergangenheit des Vereins einige. Seit sechs Jahren spielt der dienstälteste HSV-Profi nun schon in Hamburg. Unter Armin Veh zunächst die Nummer zwei, machte ihn Michael Oenning zur eins. Unter Thorsten Fink dann Nummer zwei, machte ihn Mirko Slomka wieder zur eins. Unter Labbadia ist er jetzt die zwei, sein Stellenwert in der Mannschaft entspricht aber der einer eins. Gegen Werder macht Drobny schon sein achtes Saisonspiel. Er ist da, wenn er gebraucht wird.

„Drobo ist immer zuverlässig und marschiert vorneweg“, sagt ein Mann, der es wissen muss: David Jarolim. Schon in der tschechischen U18 spielten die beiden Freunde zusammen. Ab 2010 kämpften sie zwei Jahre lang gemeinsam für den HSV. Die ersten drei Monate wohnte Drobny bei Jarolim im Haus in Nienstedten. Noch heute telefonieren die beiden fast jede Woche miteinander. Jarolim ist sich sicher: „Drobo wird dem HSV gegen Bremen helfen. Die Mannschaft weiß, dass sie einen richtig guten Torwart hinter sich hat. Die gegnerischen Stürmer haben großen Respekt vor ihm“, sagt Jarolim im Gespräch mit dem Abendblatt.

Doch es gibt da noch die andere Seite des 1,92-Meter-Hünen mit der markanten dunklen Stimme. „In der Kabine ist er manchmal wie ein kleines Kind. Ein echter Spaßvogel“, verrät Jarolim. So verschlossen und wortkarg sich Drobny in der Öffentlichkeit gibt, so offen und redselig verhält er sich hinter den Kulissen des Teams. „Er macht die Stimmung. So einen Typen mag einfach jede Mannschaft“, sagt Jarolim. Am liebsten aber hat Drobny seine Ruhe. Die findet er in der Sauna, beim Angeln oder bei Bootsausflügen mit seiner Familie. Drobny, der Kapitän auf dem Wasser. Auch im Mannschaftsrat übernimmt er Verantwortung.

Geht die Kabinentür auf, zeigt Drobny dann wieder sein Pokerface. Seine Stärke, sich in wichtigen Momenten auf den Punkt konzentrieren zu können, macht ihn für den HSV immer wieder wertvoll. In seinem sechsten Jahr geht es für ihn zum vierten Mal gegen den Abstieg. Dass ihn diese Zeit nicht kalt gelassen hat, verriet er in einem der wenigen Interviews, die er in dieser Zeit gegeben hat. „Der Abpfiff war mein emotionalster Moment als Profi“, sagte Drobny nach der Relegation in Fürth. Ein Jahr später, nachdem er die Relegationsspiele gegen Karlsruhe verletzt verfolgen musste, sagte er: „Ich möchte das nie mehr erleben. Nach dem Spiel in Karlsruhe wollte ich weinen, so erleichtert war ich.“

Drobny weiß, wie man Derbys gegen Werder Bremen gewinnt

Nun könnte es doch wieder passieren. Der Vorsprung des HSV auf Relegationsrang 16, den Bremen belegt, ist auf nur noch drei Punkte geschmolzen. In der Rückrundentabelle ist der HSV bereits 16. Gut für den Verein, dass er sich in so einer Situation auf eine Säule wie Drobny verlassen kann. „Wir wissen, dass wir mit ihm einen exzellenten und erfahrenen Torwart haben, der von null auf 100 da ist“, sagte HSV-Boss Dietmar Beiersdorfer am Donnerstag. Auch Drobnys ehemaliger Konkurrent Frank Rost sieht den Ausfall Adlers nicht als Problem. „Jaroslav hat oft bewiesen, dass er solche Situationen meistern kann“, sagte Rost, der zwischen 1992 und 2002 zehn Jahre für Werder spielte, dem „Kicker“.

Beim letzten Heimspiel gegen Bremen im November 2014 feierte der HSV auch dank des fehlerfreien Drobny einen 2:0-Derbysieg. Damals dachten alle, dass die Hamburger mit der Relegation nichts zu tun haben werden. Es kam anders. Und diesmal? Verlassen kann man sich eigentlich nur auf zwei Dinge. Erstens: Drobny wird auch in dieser Situation nicht nervös werden. Und zweitens: Sprechen wird er vor der Kamera auch nach diesem Spiel nicht.