Hamburg. Das Stadion ist voll – doch bei einer Niederlage gegen Werder droht die Stimmung endgültig zu kippen

Fassungslosigkeit. Gefolgt von Sarkasmus. So beschreibt Detlef Riedel die Stimmung, die in seinem Wohnzimmer am vergangenen Sonntag vorherrschte, als der HSV in Dortmund nach ordentlichem Beginn noch mit 0:3 unterging. Der 59-Jährige ist seit seinem neunten Lebensjahr HSV-Fan. Ins Stadion geht er jedoch schon länger nicht mehr. Zu aufwendig, zu wenige lohnenswerte Momente.

Doch wie das nun einmal so ist, der Verein bleibt Herzenssache, egal wie sehr dieser einen immer wieder enttäuscht. Das geht Riedels Freunden genauso, deshalb gucken sie immer noch jedes Spiel zusammen vor dem Fernseher. „Wir waren vor der Partie beim BVB guter Hoffnung, viele haben auf Unentschieden oder Auswärtssieg getippt, doch diese ist jetzt dahin. Ein Abstieg wäre vielleicht nicht verkehrt, um die Verantwortlichen beim HSV mal wachzurütteln“, sagt Riedel.

Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt, das geht offenbar nicht nur dieser Ohlsdorfer TV-Gemeinschaft so. Doch auch wenn der Trend deutlich nach unten zeigt, steht der HSV nach wie vor auf Platz zwölf, drei Punkte vor dem Relegationsrang. In der vergangenen Saison verharrten die Hamburger zu diesem Zeitpunkt auf Rang 16, hatten sechs Zähler weniger auf ihrem Konto. Dennoch war unter den Anhängern eine „Jetzt erst recht“-Mentalität spürbar, die heute kaum auszumachen ist. Schon vor der Niederlage gegen Dortmund glaubten fast drei Viertel von mehr als 2000 Teilnehmern einer Umfrage auf abendblatt.de, dass der HSV maximal sechs Punkte aus den fünf verbliebenen Spielen holen würde. Aktuell befürchten 70 Prozent, dass der Club wieder in die Relegation muss.

„Wir waren in dieser Spielzeit eben schon mehrmals gefühlt durch mit dem Thema Abstieg“, sagt Supporters-Chef Timo Horn. „Jetzt macht sich unter einigen Fans vielleicht so eine lähmende Angst breit, dass nach einer Niederlage gegen Bremen gar nichts mehr gehen würde.“ Horn hat jedoch keine Bedenken, dass die Unterstützung gegen Werder ausbleiben könnte – auch wenn eine Aktion wie in der vergangenen Saison, als die Supporters unter dem Motto „Alle Mann an Bord“ zum gemeinsamen Beistand aufgerufen hatten, aktuell nicht geplant sei. Doch das Stadion ist ausverkauft, zudem werde wohl eine Choreographie zu sehen sein. Auch zwei Fanmärsche, die jeweils um 18 Uhr von der Elbgaustraße sowie vom Bahnhof Stellingen starten sollen, stimmen auf das Derby ein. „Doch wenn der HSV nach einer lustlosen Vorstellung verlieren sollte, glaube ich schon, dass der eine oder andere Fan sehr sauer sein wird“, befürchtet Horn.

Detlef Riedel wird auch am Freitagabend gegen Werder Bremen wieder mit Freunden vor dem Fernseher sitzen, das Pay-TV anschalten und aufs Neue hoffen und bangen. „Doch dieses Mal tippe ich auf Niederlage. Ich habe den Glauben verloren.“