Dortmund. Der HSV verliert neben dem Spiel in Dortmund auch Torhüter Adler (Platzverweis) und die verletzten Lasogga, Müller und Ekdal. Das Zittern geht wieder los

Pierre-Michel Lasogga verschwand wortlos mit einem Sandwich in der Hand im Mannschaftsbus. Kein Wort über seine Verletzung, kein Wort über die kritische Situation des HSV. Dabei stand der Abgang des Stürmers sinnbildlich für einen ganz bitteren Tag für ihn und seinen Verein. Nach dem 0:3 bei Borussia Dortmund steckt der HSV nicht nur wieder mitten im Abstiegskampf, er verlor mit den verletzten Lasogga, Albin Ekdal, Nicolai Müller sowie Torhüter René Adler durch eine Rote Karte auch noch vier Spieler, die am kommenden Freitag im Nordderby gegen Werder Bremen möglicherweise alle fehlen werden. „Das beschäftigt mich in diesem Moment am meisten“, sagte Trainer Bruno Labbadia nach dem Spiel, das seine Mannschaft am Ende mit nur noch neun Mann auf dem Platz bestritt.

Warum der Partie am Freitagabend plötzlich eine ungeahnt hohe Bedeutung zukommt, zeigt der Blick auf die Tabelle nach dem 30. Bundesligaspieltag. Der HSV verlor nicht nur zwei Plätze an Darmstadt und Köln und ist nun Zwölfter, der Vorsprung auf Relegationsplatz 16, den Bremen belegt, ist zudem auf nur noch drei Punkte geschmolzen. „Gegen Werder müssen wir uns beweisen und zeigen, dass wir Charakter haben“, sagte Lewis Holtby.

Im ausverkauften Signal Iduna Park von Dortmund hatte die Sache mit dem Charakter bei den Hamburgern zuvor überhaupt nicht geklappt. Vor 81.359 Zuschauern zeigte der HSV gegen die B-Elf der Borussia nur in der ersten halben Stunde, dass er mit dem Abstiegskampf in dieser Saison nichts mehr zu tun haben will. BVB-Trainer Thomas Tuchel hatte seine Mannschaft drei Tage nach dem dramatischen Ausscheiden aus der Europa League beim FC Liverpool auf nahezu allen Positionen verändert und mit Christian Pulisic und Felix Passlack gleich zwei 17-Jährige aufgestellt. Auch Ilkay Gündogan, der sich mit Manchester City einig sein soll, durfte mal wieder von Anfang an spielen. Und tatsächlich fand der rundum veränderte BVB gegen den HSV eine halbe Stunde lang keine Mittel. „Heute war es einfach, hier etwas zu holen“, sagte Nicolai Müller, der in der zweiten Halbzeit mit einer Zerrung ausgewechselt werden musste.

Dass der HSV am Ende nichts holte, hatte viel mit dem ersten Abgang des Pierre-Michel Lasogga an diesem Tag zu tun. Labbadia hatte den Stürmer nach mehreren Wochen mal wieder von Beginn an spielen lassen und vermutlich gehofft, dass der 24-Jährige gegen seinen Lieblingsgegner wie zuletzt immer trifft. Doch nach 35 Minuten war das Startelfcomeback von Lasogga, der beim 3:1-Sieg im Hinspiel sein bislang letztes Tor für den HSV schoss, schon wieder beendet. In der neunten Minute hatte er einen Schlag von Sven Bender auf sein Knie abbekommen, in der Folge schleppte sich Lasogga bis zu seiner Auswechslung mit Schmerzen durch das Spiel. „Die Bänder sind etwas betroffen“, sagte Labbadia in einer ersten Diagnose. Ob Lasogga gegen Bremen wieder spielen kann, scheint mehr als fraglich.

Aber auch ohne den Stürmer wäre für den HSV in Dortmund viel mehr möglich gewesen. Es bleibt im Bereich der Spekulation, wie das Spiel ausgegangen wäre, hätte Sven Schipplock nur eine Minute nach seiner Einwechslung eine andere Entscheidung getroffen. Nachdem er Bender den Ball geklaut hatte, stand er plötzlich frei vor Roman Bürki, entschied sich aber für einen Querpass auf Müller und blieb schließlich an Mats Hummels hängen. „Das ist sehr ärgerlich. In so einem Spiel hätte es gut getan, in Führung zu gehen“, sagte Schipplock später.

Stattdessen ging Dortmund im Gegenzug mit seiner ersten Chance in Führung, als Pulisic aus elf Metern ins kurze Eck traf (38.). Wenig später tanzte der BVB-Kolumbianer Adrian Ramos den HSV-Brasilianer Cléber aus und markierte mit einem Schlenzer das 2:0 (44.). „Wir wussten, dass wir Zeit brauchen“, sagte Trainer Tuchel.

Für den HSV sollte es noch schlimmer kommen. Kurz nach der Pause holte Torhüter René Adler Dortmunds Shinji Kagawa vor dem Strafraum von den Beinen (52.). Schiedsrichter Marco Fritz entschied sich nach Funkanweisung seines Assistenten auf Rot für Adler – eine strittige Entscheidung (siehe Bericht unten). Das Spiel war spätestens jetzt entschieden. Nachdem sich auch noch Albin Ekdal am Knie verletzte, musste der HSV die letzten 13 Minuten mit neun Mann zu Ende spielen, da Labbadia zu diesem Zeitpunkt bereits dreimal gewechselt hatte. So hatte Ramos leichtes Spiel, als er kurz vor Schluss mit seinem zweiten Tor zum 3:0-Endstand traf (86.).

Der HSV hat nun fünf Tage Zeit, sich auf das Spiel gegen Bremen vorzubereiten, dem Sportchef Peter Knäbel bereits „Endspielcharakter“ verlieh. „Wir müssen jetzt Ruhe bewahren“, sagte Trainer Labbadia, der genau vor einem Jahr mit dem Spiel gegen Bremen in die Mission HSV-Rettung startete. Und den Ernst der Lage scheinen die Verantwortlichen auch diesmal erkannt zu haben. „Gegen Bremen geht es um alles“, sagte Schipplock. Und verschwand zu seinem Freund und Sturmkollegen Lasogga im Mannschaftsbus.

Restprogramm der HSV-Konkurrenten:12. HSV (34 Punkte, -8 Tore): Bremen (H), Mainz (A), Wolfsburg (H), Augsburg (A); ; 13. Hoffenheim (34, -10): Gladbach (A), Ingolstadt (H), Hannover (A), Schalke (H); 14. Augsburg (33, -10): Wolfsburg (A), Köln (H), Schalke (A), HSV (H); 15. Stuttgart (33, -14): Dortmund (H), Bremen (A), Mainz (H), Wolfsburg (A); 16. Bremen (31, -19): HSV (A), Stuttgart (H), Köln (A), Frankfurt (H); 17. Frankfurt (27, -20): Mainz (H), Darmstadt (A), Dortmund (H), Bremen(A).