Las Vegas. Nach seiner Niederlage geht der Boxer im Abendblatt-Interview hart mit sich ins Gericht. An seinem Trainer will Abraham festhalten.

Aus dem Fenster seines Apartments im 28. Stock des Signature-Hotels sind die vom McCarran-Airport startenden Flugzeuge zu sehen. Auf dem Wohnzimmertisch stehen frisches Obst und Tropi-Frutti-Weingummis. Doch nichts von dem findet Arthur Abrahams Beachtung.

Der entthronte Boxweltmeister im Supermittelgewicht hat den Tag nach seiner niederschmetternden Punktniederlage gegen den Mexikaner Gilberto Ramirez, 24, auf seinem Zimmer verbracht. Freunde und Familie versuchten, den 36-Jährigen aufzubauen. Warum das nicht gelingen konnte, erklärt der gebürtige Armenier vom Berliner Sauerland-Team im Interview.

Hamburger Abendblatt: Herr Abraham, mit ein wenig Abstand zum Kampf: Welches Gefühl überwiegt? Enttäuschung, Wut oder Scham?

Arthur Abraham: Es ist eine Mischung von allem. Körperlich geht es mir gut, ich habe keine harten Schläge abbekommen. Aber seelisch tut mir die Niederlage sehr weh. Ich bin über meine Leistung sehr enttäuscht.

Haben Sie schon eine Erklärung dafür gefunden, wie es sein konnte, dass Sie bei allen drei Punktrichtern keine einzige Runde gewonnen haben?

Abraham: Ich kann es mir nur dadurch erklären, dass ich viel zu fest und verkrampft war. Ich war darauf eingestellt, dass ich nach Punkten nicht würde gewinnen können, weil Ramirez der aktivere Boxer sein würde und die Punktrichter in den USA Aktivität am höchsten bewerten. Deshalb wollte ich ihn unbedingt ausknocken. Ich wollte zu viel, und leider hat dadurch viel zu wenig funktioniert.

Waren Sie überrascht von Ramirez’ Taktik? Alle hatten erwartet, dass der Mexikaner zwölf Runden lang Druck machen würde. Stattdessen war er viel im Rückwärtsgang und hat gekontert.

Abraham: Überrascht hat mich das nicht. Wenn ich ihm den Raum gelassen hätte, dann hätte er auch mehr Druck gemacht. Aber ich habe Druck gemacht, also musste er weglaufen. Leider habe ich weder die Distanz gefunden noch ordentlich nachgesetzt, wenn ich ihn mal getroffen hatte. Ich habe viel zu wenig investiert.

Merkt man so etwas nicht im Kampf? Warum konnten Sie nicht reagieren und Ihre Fehler abstellen?

Abraham: Im Kampf habe ich das nicht gespürt, da habe ich bis zur letzten Sekunde daran geglaubt, ihn ausknocken zu können. Aber er hat das sehr gut gemacht, und ich habe einfach schlecht geboxt. Ich war nicht gut genug. Deshalb bin ich sehr unzufrieden mit mir.

Ihr Trainer Ulli Wegner hat Sie in drastischen Worten kritisiert und sogar die weitere Zusammenarbeit infrage gestellt. Ist das für Sie denkbar, in dieser späten Phase Ihrer Karriere einen Trainerwechsel zu vollziehen?

Abraham: Nein, das ist überhaupt kein Thema. Ich vertraue meinem Trainer und möchte mit ihm weiterarbeiten.

Er hat gesagt, Sie hätten ein psychisches Problem. Hat er recht?

Abraham: Ich denke schon, denn körperlich war ich bestens in Form. Mein Problem war, dass ich mir zu viel Druck gemacht habe und darüber verkrampft bin.

Ihr Trainer glaubt, dass Ihnen Opferbereitschaft fehlte. Ein harter Vorwurf, aber was ist daran wahr? Sind Sie wegen Ihrer verschiedenen beruflichen Unternehmungen nicht mehr ausreichend aufs Boxen fokussiert?

Abraham: Nein, das ist Unsinn. Ich brauche das Boxen, denn alles andere macht mir nicht solch einen Spaß wie mein Sport. Sehen Sie, ich habe für meine Unternehmen ein sehr gutes Team, das hinter mir steht und mir alles abnimmt. Im Boxen aber, da kann mir keiner helfen. Im Ring bin ich auf mich allein gestellt. Boxen ist meine einzige Aufgabe, und ich bin sehr enttäuscht darüber, dass ich diese nicht annähernd erfüllen konnte.

War die Niederlage gegen Ramirez die schlimmste Ihrer Laufbahn?

Abraham: Jede Niederlage ist schlimm, glauben Sie mir. Eine Niederlage fühlt sich immer gleich schlimm an.

Immerhin kennen Sie sich mit Comebacks aus, es war ja bereits Ihre fünfte Niederlage. Dass Sie zurückkommen wollen, haben Sie gleich nach dem Kampf gesagt. Aber was ist für Sie denn noch möglich im Boxen?

Abraham: Für mich gibt es jetzt erst einmal nur ein Ziel, und das ist der Rückkampf mit Ramirez. Ich möchte, dass er nach Deutschland kommt. Und dann werde ich ihn schlagen.

Glauben Sie, dass er das tut?

Abraham: Dafür wird mein Management schon sorgen.

Glauben Sie, dass Sie den ersten Kampf in Deutschland gewonnen hätten?

Abraham: Nein, dafür war ich zu schwach und er zu gut. Aber ich weiß genau, was ich im Rückkampf anders machen muss. Seit der Nacht nach dem Kampf denke ich an nichts anderes. Dieser Rückkampf steht ganz oben auf meiner Liste.

Den Urlaub, den Sie in Las Vegas geplant hatten, werden Sie nicht machen. Was steht in den nächsten Tagen an?

Abraham: Ich werde noch bis Mittwoch hierbleiben und mich erholen. Dann fliege ich nach Berlin, um meine Eltern zu besuchen, danach zu meiner schwangeren Ehefrau nach Eriwan. Aber glauben Sie mir: Die Vorbereitung auf den Rückkampf hat schon begonnen.