Hamburg . Wie bitte? Ein Profi, dem das Kicken zu wenig ist? St. Paulis Robin Himmelmann über Flüchtlinge, Politik und Profis im Internet.

Für einen kurzen Moment war Robin Himmelmann gefangen. Seine Schnürsenkel hatten sich beim Abendblatt-Interview am Barhocker im Café Piu in Winterhude verheddert. Es war kein Bild mit Symbolcharakter. Im Gespräch verzettelte sich der eloquente Torhüter des FC St. Pauli zu keiner Sekunde. Der 27-Jährige sprach über sein politisches Interesse, und seine Zukunft beim Kiezclub.

Hamburger Abendblatt: Herr Himmelmann, welchen Teil der Zeitung lesen Sie zuerst?

Robin Himmelmann: Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich kaum Zeitungen lese. Aber ich habe auf dem Handy eine interessante Startseite, wo alle möglichen Nachrichten aufploppen und ich querbeet informiert bin. Als Kind habe ich immer den Sportteil zuerst gelesen.

Sie haben vor rund drei Wochen mit einem Facebook-Post für Aufsehen gesorgt, in dem Sie sich nach dem großen Wahlerfolg der AfD in Sachsen geäußert haben. Was war der Gedanke dahinter?

Himmelmann: Ich hatte kein gutes Gefühl, als ich am Abend die Ergebnisse gesehen habe. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, etwas bei Facebook zu verfassen. Ich habe niemanden direkt angegriffen, sondern einfach nur meine Stimmung ausgedrückt. Wenn man diese Tendenzen sieht und in welche Richtung sich die Dinge entwickeln, weiß ich nicht, ob es das richtige Signal an die Leute ist, die flüchten müssen.

Ohnehin interessieren Sie sich sehr für die Flüchtlingspolitik. Wie sehr beschäftigt Sie dieses Thema?

Himmelmann: Das Flüchtlingsthema ist seit mehr als einem Jahr allgegenwärtig. Ich habe es selbst miterlebt, als ich in der Aufnahmeeinrichtung in den Messehallen war. Wir haben in Deutschland ein Leben, in dem wir kaum erahnen können, wie es ist, wenn Krieg, Hunger und Armut an der Tagesordnung sind. Ich könnte mir nicht vorstellen, meine Heimat zu verlassen, wenn nichts Dramatisches passiert.

Sind Sie politisch aufgewachsen? Welche Rolle spielte Politik in Ihrer Familie?

Himmelmann: Es gab bei uns zu Hause keine ausgiebigen politischen Diskussionen, aber meine Eltern sind immer wählen gegangen, und auch mir war es immer ein Bedürfnis, an die Urne zu gehen. Zudem hatte ich in der Schule einen sehr engagierten Politiklehrer, sodass ich das Thema schon immer recht interessant fand. Ich sehe mich nicht als besonders politisch engagiert, an, habe aber großes Interesse, die Dinge zu verstehen.

Es ist bekannt, dass Sie sich nicht nur für Fußball interessieren. Wie wichtig ist es für Sie, sich auch mit Themen außerhalb Ihres Berufs zu beschäftigen?

Himmelmann: Wir Profis haben die eine oder andere Minute Zeit, uns für andere Dinge zu interessieren. Mir ist es zu eintönig, nur mit Fußball und Sport konfrontiert und womöglich sogar darauf reduziert zu werden.

Sie scheinen dort die Ausnahme zu sein. Man bekommt den Eindruck, dass sich viele Spieler mehr damit befassen, ein Foto von Autos und neuen Klamotten zu posten, als sich über die wirklich wichtigen Dinge Gedanken zu machen. Sehen Sie diese Entwicklung mit Sorge?

Himmelmann: Das würde ich nicht sagen, und ich finde auch nicht, dass man dieses Thema nur auf Fußballer beschränken kann. Früher gab es einfach nicht so große Möglichkeiten, Dinge zu posten. Ich kenne genug Leute aus meinem privaten Umfeld, die überhaupt nichts mit Fußball zu tun haben, wo ich mir denke: O Gott, so ein Bild kann man doch nicht posten. In unserer Branche geht es um viel Geld. Der eine oder andere Sponsor ist auch dankbar, auf Fotos verlinkt zu werden. Ich glaube nicht, dass wir uns dramatisch in eine falsche Richtung entwickeln.

In die richtige Richtung haben Sie sich in dieser Saison entwickelt. Sie haben gegen Union Berlin zum 15. Mal zu null gespielt. Wissen Sie, wo der Rekord in der Zweiten Liga liegt?

Himmelmann: Ja, der ehemalige Fürther Keeper Max Grün hat einmal 18-mal den Kasten sauber gehalten.

Sechs Spiele haben Sie noch Zeit, die Bestmarke zu übertreffen.

Himmelmann: Wenn wir die letzten sechs Spiele alle 2:1 gewinnen, werde ich sicher nicht sagen: Mist, ich habe den Rekord verpasst. Für die Bestmarke müssten wir die Hälfte der Spiele zu null spielen. Wenn wir aber mit diesem Gedanken in die Spiele gehen, wird es ohnehin nichts. Schon am Sonntag in Freiburg wird es schwer genug, ohne Gegentor zu bleiben.

Aber für Sie muss doch ein Spiel ohne Gegentor so schön sein wie für die Stürmer ein Treffer, oder?

Himmelmann: Für mich und die Abwehrspieler ist es ein schönes Gefühl, wenn wir ohne Gegentor bleiben. Ohne unseren Stürmern, die auch in die Defensivarbeit eingebunden sind, zu nahe treten zu wollen, aber sie werden sicher nicht sagen: „Geil, wir haben zu null gespielt“, sondern sie wollen Tore schießen. Aber für uns Defensivspieler ist es eine Bestätigung der Trainingsarbeit.

Wenn man so oft den Kasten sauber hält, weckt es sicher auch Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen. Sie sind ohnehin ein Spätstarter, wurden erst mit 26 Jahren Stammtorhüter in einem Profiteam. Verspüren Sie in Sachen Bundesliga-Traum nun Torschlusspanik?

Himmelmann: Nein, überhaupt nicht. Natürlich möchte man als Profi so hoch wie möglich spielen und sagt nicht: Bundesliga? Nein danke, da will ich nicht hin. Da sind alle so gut. (lacht): Wenn ich so denken würde, wäre ich fehl am Platz. Aber klar ist auch, dass ich mich bei einem anderen Verein nicht mehr auf die Bank setzen würde. Wenn es mit der Bundesliga nicht klappen sollte, werde ich nicht mit 40 Jahren in der Ecke sitzen und denken: Mist, jetzt habe ich nie in der Ersten Liga gespielt.

Das klingt bei Ihnen jetzt nicht, als würden Sie vor einem Abschied vom FC St. Pauli stehen.

Himmelmann: Das Profigeschäft ist so schnelllebig. Vor knapp zwei Jahren hätte ich nicht gedacht, jetzt in der Position zu sein, mir über so was Gedanken machen zu können. Es ist schwierig, langfristig zu planen, aber ich habe bei St. Pauli noch einen Vertrag bis 2017. Über alles andere mache ich mir keinen Kopf.