Las Vegas. Es wird vermutlich der letzte Kampf von Manny Pacquiao und gleichzeitig der Abschluss der Trilogie zwischen ihm und Tim Bradley.

Die Bühne des David Copperfield Theaters, auf der den Besuchern des MGM Hotels für gewöhnlich Zaubertricks geboten werden, gehörte am Mittwochmittag Manny Pacquiao. Und es war ein magischer Moment, als der Mann, der als einer der größten Stars in die Boxsporthistorie eingehen wird, auf die Bedeutung des Kampfes gegen WBO-Weltergewichtschampion Tim Bradley (USA) zu sprechen kam, der in der Nacht zu Sonntag (2 Uhr MESZ/Sky Select und ranfighting.de live für 17,99 Euro) viele Millionen Fans weltweit in seinen Bann ziehen wird. Es ist der Abschluss einer Trilogie, im Juni 2012 siegte Bradley, 32, umstritten durch Mehrheitsentscheid, zwei Jahre später gewann Pacquiao den Rückkampf deutlich nach Punkten. Vielmehr aber ist es der Schlussakkord einer mehr als beeindruckenden Gesamtkomposition.

„Es wird sehr wahrscheinlich mein letzter Kampf sein“, sagte der 37-Jährige, und es wurde still im Auditorium, „und dann möchte ich wieder das einfache Leben leben wie die Menschen dort, wo ich herkomme.“ Fast klang es wie eine Predigt, als der bekannteste der 100 Millionen Einwohner der Philippinen mit den Worten schloss: „Ich danke Gott für die Möglichkeiten, die er mir gegeben hat. Ich habe im Boxen alles erreicht, jetzt habe ich nur noch ein Ziel: ein bescheidener Mensch zu bleiben.“

„Ich weiß genau, wie es ist, wenn man nichts hat“

Dass ihm dies gelingen wird, daran hat sein Promoter Bob Arum keinen Zweifel. Im Gegenteil: Der 84-Jährige, der 1975 den „Thrilla in Manila“ zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier organisierte und seitdem eine besondere Beziehung zu den Philippinen pflegt, befürchtet eher, dass es Emmanuel Dapidran Pacquiao, den alle nur Manny nennen, mit seiner Gutmütigkeit übertreiben könnte. Um seine Sorgen zu untermauern, erzählt er, dass Pacquiao von den rund 100 Millionen Dollar, die er im Mai 2015 im „Kampf des Jahrhunderts“ mit Floyd Mayweather kassiert hatte, nichts geblieben sei. „Er hat mich sogar um einen Vorschuss aus seiner Börse für den anstehenden Kampf gebeten, weil er so viel verschenkt hat“, sagt Arum, „so einen Boxer wie ihn wird es kein zweites Mal geben.“

Die Sorge, dass der Mann, der in acht Gewichtsklassen Weltmeister war, sein Leben dort beenden wird, wo es begann – mittellos auf der Straße -, ist selbstverständlich unbegründet. Aber er hat nie vergessen, wie es sich anfühlt, Hunger zu leiden und kein Geld zu haben. So wie damals, als er als Zwölfjähriger aus seinem Heimatdorf Kibawe aufbrach, um in der Hauptstadt Manila für zwei Dollar Boxkämpfe zu bestreiten. Die Hälfte des verdienten Geldes schickte er nach Hause, damit die vier Geschwister ernährt werden konnten. „Ich weiß genau, wie es ist, wenn man nichts hat“, sagt er.

Ob dieser Volkstümlichkeit trauen ihm Wegbegleiter zu, in einigen Jahren Präsident seines Heimatlandes zu sein. Den nächsten Schritt dazu will er am 5. Mai machen, wenn er zu den nationalen Senatorenwahlen antritt. Alle sechs Jahre werden in dem 7107 Inseln umfassenden südostasiatischen Staat zwölf von 24 Senatoren neu gewählt. Pacquiao, der seit 2010 als Kongressabgeordneter der Provinz Sarangani, aus der seine Ehefrau Jinkee stammt, im Parlament sitzt, wird in Umfragen an Position sechs geführt. Wenn er tatsächlich gewählt wird, will er seine Karriere beenden und sich komplett in den Dienst des Volkes stellen.

„Das Sozialversicherungssystem der Philippinen heißt Manny Pacquiao“

Das allerdings hat er auch in den vergangenen Jahren schon getan. Mit dem Geld, das er als mit Abstand bekanntester Sportstar seines Landes verdient, finanziert er eine Reihe an wohltätigen Projekten. „Jeder Dollar, den die Fans in Amerika für meine Kämpfe bezahlen, hat Menschen in meiner Heimat geholfen, die sonst nichts hätten“, sagt er. „Das Sozialversicherungssystem der Philippinen heißt Manny Pacquiao“, sagt Promoter Arum.

Pacquiao finanziert Krankenhäuser, er lässt Schulen und Kinderheime errichten und setzt sich für die Armen und Schwachen ein. Und die Filippinos danken es ihm mit grenzenloser Zuneigung. Wenn seine Kämpfe im Fernsehen laufen, sinkt die Kriminalitätsrate gen null. Als sich der fünffache Vater vor einigen Monaten in einer Hasstirade gegen Homosexuelle verzettelte und dadurch seinen langjährigen Sponsor Nike verlor, verbrannten seine Anhänger so lange Produkte des US-Sportartikelherstellers, bis Pacquiao sie zur Ordnung rief.

Die politisch unkorrekte Attacke hat den tief gläubigen Christen weltweit zu Recht einige Sympathien gekostet. Und auch wenn er klagte, seine Worte („Schwule sind schlimmer als Tiere“) seien aus dem Zusammenhang gerissen worden, steht er der gleichgeschlechtlichen Ehe unversöhnlich kritisch gegenüber. Angesichts eines Katholikenanteils von 70 Prozent der Bevölkerung dürfte es viele Wähler geben, die seine Meinung teilen, was die Ansicht zwar nicht erträglicher, aber verständlicher erscheinen lässt. Und an den Verdiensten um seinen Sport und seine Heimat ändert sie nichts.

Ein perfekter Abgang?

Seit der Punktniederlage gegen Mayweather, nach der er sich mit der Aussage unbeliebt machte, er sei mit chronischen Schulterproblemen in den Kampf gegangen und habe sich in der vierten Runde schwer verletzt, hat er nicht mehr geboxt. Natürlich wäre ein Sieg, der ihn als Weltmeister abtreten ließe, der perfekte Abgang von der Bühne, auf der Manny Pacquiao so gut ist wie nirgendwo sonst; auch wenn er sich einen Start bei den Olympischen Spielen im August in Rio de Janeiro als Option offen hält.

Aber ob er den Sieg braucht, um mit Rückenwind in sein Politikerleben zu starten? Unsinn sei das, sagte sein mutmaßlich letzter Gegner in einem dieser zauberhaften Momente im Copperfield-Theater. „Das, was Manny geleistet hat, spricht für sich. Er hat schon so oft bewiesen, dass er der richtige Präsident für die Philippinen wäre. Ich wünsche ihm alles Glück der Welt, dass er es schafft.“