Sakhir. Vor dem Großen Preis von Bahrain fordern die Fahrer eine Rückbesinnung der Formel 1 zu ihrer früheren Einfachheit

Sebastian Vettel gewinnt auch auf der sportpolitischen Bühne an Profil. Der viermalige Formel-1-Weltmeister sitzt vor den internationalen Medienvertretern und redet nur die wenigste Zeit über seine Siegaussichten beim Großen Preis von Bahrain am Sonntag (17 Uhr/RTL und Sky). Nein, es geht um die Zukunft der Formel 1. Und Vettel will mit seinen Kollegen mithelfen, sie zu gestalten.

Schließlich gehört er auch zu den Führungskräften der Fahrergewerkschaft GPDA – wie einst sein Kindheitsidol Michael Schumacher. Der Weg, den die Formel 1 im Moment gehe, sei vielleicht nicht der richtige, betont Vettel: „Man hat uns schon in den letzten Jahren die Möglichkeit gegeben, unsere Meinung zu äußern. Hier und da konnten wir, glaube ich, auch helfen. Man kann aber noch ein bisschen was verbessern.“

Außendarstellung wie zuletzt der peinliche Schlingerkurs in Sachen Qualifikation ist das eine. Das, was auf der Strecke passiert, das andere. Und da kommt bei Vettel wie einst bei Schumacher der Racer durch. Wenn es nach Vettel ginge, würde noch mit Zehnzylindern gefahren. Die neuen, sogenannten Power Units, seien einfach auch zu teuer. Dabei sind sie auch Aushängeschilder der Hersteller, also auch seines Arbeitgebers. Zudem hat Ferrari beim Ausgeben von reichlich Geld, um sportlich an die Spitze zu kommen, von jeher kein allzu großes Problem gehabt. Vettel sagt es dennoch.

Er wünsche sich die Rückkehr zu etwas Normalerem, sagt Vettel: „Was wir ankreiden, ist, dass im Rennen nicht mehr der Speed gefahren wird, weil die Autos schwerer sind. Weil die Reifen schneller abbauen und nicht so konstant sind wie noch vor Jahren. Wenn man die Autos jetzt generell schneller macht, macht es die eine Runde in der Qualifikation schneller. Und wenn man noch einen weicheren Reifen bringt, noch schneller. Aber im Rennen ist uns damit nicht geholfen.“

Auch der dreimalige Weltmeister Lewis Hamilton sehnt sich nach einer ursprünglicheren Formel 1: „Wir Fahrer lieben, was wir tun, weil wir Autos lieben. Wir lieben das Rennfahren, Rad an Rad“, sagt der Mercedes-Pilot. „Die Menschen, die sich die Rennen anschauen, wissen doch gar nichts von all den Kontrollschaltern. Sie wollen Zweikämpfe sehen, Rauch, wenn du dich verbremst. Das ist aufregend. Wenn du jetzt fährst und du nicht so gefordert bist durch dein Auto, wie du es solltest, körperlich und mental, kannst du nicht einfach still dasitzen und es geschehen lassen.“ Das Gleiche gelte für Regeln, die in die falsche Richtung gehen würden.

In diesem Punkt herrscht sogar seltene Einigkeit mit seinem Stallrivalen Nico Rosberg. Der sagt: „Wir fahren hauptsächlich für die Fans. Nächstes Jahr sollen die Autos mehr Anpressdruck bekommen, obwohl wir eigentlich das Überholen unterstützen sollten. Es ist bekannt, dass mehr Anpressdruck das Überholen jedoch schwerer macht, ebenso wie das direkte Hinterherfahren. Das ist nicht unbedingt der richtige Weg.“

Vettel verpackt seine Kritik gern mit nahezu lausbübischen Charme. Das Festhalten am umstrittenen Qualifikationsformat wird da auch schon mal mit einem Eisverkäufer verglichen, der auch dann noch ausschließlich Vanilleeis im Sortiment hat, wenn alle nur nach Schoko fragen. Ferrari taufte es das „Vanille-Paradox“. Oder Vettel redet mit einem Schmunzeln von „Quark“, wenn er Neuerungen wie das Qualifikationsformat oder das Funkverbot beurteilt.

Vettel führt zusammen mit dem ehemaligen Piloten Alex Wurz und Ex-Weltmeister Jenson Button die GPDA an. Der offene Brief jüngst an die Verantwortlichen der Formel 1 war von den dreien unterzeichnet. Vettel engagiert sich in einer Phase, die kritisch ist für die Formel 1 und womöglich wegweisend für sie sein könnte. So wie einst Schumacher, als er einer der Antreiber für mehr Sicherheit war nach den tödlichen Unfällen von Roland Ratzenberger und Ayrton Senna in Imola 1994.

Vettel und seine Kollegen üben aber keinen Aufstand. „In keinem Sport macht der Sportler die Regeln. Wir wollen auch nicht die sein, die entscheiden, wo der Sport hingehen soll“, betonte er. Gegebenenfalls müsste aber einfach das System geändert werden. Alles, was verändert oder angepasst wurde, habe ja nicht das grundsätzliche Problem gelöst. „Es ist schlichtweg der falsche Weg, den wir gehen.“