Hamburg. Volleyballteam Aurubis muss im Pre-Play-off-Rückspiel gegen Köpenick siegen

Man möchte nicht Volleyball sein, wenn man kurz vor dem Aufschlag in Nina Braacks Finger gerät. Mit der ganzen Kraft ihrer flachen Hand schlägt die Mittelblockerin mehrmals auf das Spielgerät, bevor sie es über das Netz peitscht. Ein wenig liebevoller geht es immerhin zu, wenn Denise Imoudu zur Spieleröffnung an der Linie steht. Dann wird die gelb-blaue Kunststoffkugel rund zehnmal in kurzer Folge aus kleiner Höhe auf den Boden getippt, ehe die Zuspielerin sie kunstvoll in Richtung gegnerische Spielfeldhälfte bugsiert.

So unterschiedlich, wie sich Braack, 22, und Imoudu, 20, auf den ersten Angriffsball vorbereiten, so ähnlich effektiv sind sie mit dem, was sie mit ihrem Service erreichen. Die beiden sind sozusagen die Asse unter den Aufschlägerinnen im Volleyballteam Aurubis Hamburg, sie haben im Verlauf der Hauptrunde die meisten direkten Punkte gemacht oder den Gegner zu fehlerhafter Annahme gezwungen. Diese Qualität ist an diesem Sonnabend (18 Uhr, CU-Arena) auch – und vielleicht sogar besonders – gefragt. Im zweiten Spiel der Pre-Play-off-Serie gegen den Köpenicker SC braucht das Team von Cheftrainer Dirk Sauermann zwingend einen Sieg, wenn die Bundesligasaison 2015/16 nach dem 2:3 am vergangenen Mittwoch in Spiel eins in Berlin nicht beendet sein soll. Ein Erfolg würde ein Entscheidungsspiel am kommenden Mittwoch in Berlin ermöglichen.

Wie wichtig der Aufschlag für den Erfolg eines Volleyballteams ist, hängt von der Qualität der Aufschlägerinnen ab. „Man kann über einen starken Aufschlag sehr viel machen, zum Beispiel den Schnellangriff des Gegners aus dem Spiel nehmen oder dem eigenen Block im Positionsspiel helfen“, sagt Trainer Sauermann. Zwei grundsätzliche Herangehensweisen gebe es: Zum einen könne man versuchen, mit dem Aufschlag stets den Schwachpunkt des Gegners anzuvisieren und damit so viel Druck wie möglich auf dessen Angriffsaufbau auszuüben. Zum anderen könne man durch taktisches Anspielen das Zuspiel auf eine bestimmte Angriffsspielerin verhindern, die man aus dem Spiel heraushalten will.

Grundsätzlich muss bis auf die Libera – die Spielerin, die keine Angriffsschläge ausführen darf – jede Akteurin aufschlagen. Wer wann dran ist, ist durch die Positionsrotation nach jedem Aufschlagspiel festgelegt. Einfluss hat der Coach lediglich darauf, welche Spielerin als erste aufschlagen soll. Sauermann sagt vor jedem Aufschlag die Richtung an, in die serviert werden soll. Allerdings sind diese Ansagen nicht verbindlich. „Wir stellen es unseren Spielerinnen frei, anders aufzuschlagen, wenn sie sich in der von mir gewählten Richtung nicht sicher fühlen oder etwas beim Gegner entdecken, auf das sie reagieren wollen“, sagt er. Außerdem gebe es zwei Spielerinnen, die grundsätzlich vorm Aufschlag nicht zum Trainer schauten, um nicht in der Konzentration gestört zu werden.

Diese Konzentration ist für die Qualität des Aufschlags immens wichtig. Deshalb hat – bis auf Top-Außenangreiferin Jana-Franziska Poll – auch jede Spielerin ihr eigenes Ritual, um in den sogenannten Tunnel zu gelangen, in dem alle Nebengeräusche ausgeblendet werden. So prellt beispielsweise Außenangreiferin Saskia Radzuweit den Ball mit einer Hand dreimal auf den Boden, dreht sich am Aufschlagpunkt angekommen um und schlägt den Ball mit beiden Händen dreimal auf den Boden, um dann aufzuschlagen. Mittelblockerin Liz Field dagegen lässt den Ball viermal aufspringen, atmet tief ein, rollt auf die Zehenspitzen und legt den linken Mittelfinger auf das Ballventil, bevor sie aufschlägt. „Rituale sind extrem wichtig“, sagt Sauermann, der jeder jungen Spielerin rät, sich einen festen Ablauf anzueignen.

Geübt werden die Aufschläge in jeder Trainingseinheit, hauptsächlich, um die Annahmesituationen zu verfestigen. Auch im Aufwärmprogramm vor jedem Spiel dürfen sie nicht fehlen. Warum es trotzdem mehrfach in jeder Partie passiert, dass der Eröffnungsschlag im Netz oder im Aus endet, kann Sauermann einleuchtend erklären. „Es kommt immer darauf an, mit wie viel Risiko man den Aufschlag spielt“, sagt er. Wenn beispielsweise ein schwacher eigener Block dem Topangriff des Gegners gegenübersteht, muss der Aufschlag mit mehr Risiko kommen. Ebenso ist das nötig, wenn man hoch zurückliegt. Dagegen gelte es bei eigener hoher Führung oder vorangegangener Aufschlagfehler, mit mehr Sicherheit zu servieren, um im Spielrhythmus zu bleiben oder ihn zurückzuerlangen. „Und wer mit mehr oder auch weniger Risiko als gewohnt aufschlagen muss, der ist anfälliger für Fehler“, sagt Sauermann. Davon sind selbst Nina Braack und Denise Imoudu nicht ausgenommen.

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