Hamburg. Der Trainer des FC St. Pauli sieht den vor Kurzem gefeuerten Trainer des SC Paderborn nicht als gescheitert an. Lob für nächsten Gegner

Ewald Lienen kann sich noch genau daran erinnern, wann er Stefan Effenberg zum ersten Mal bewusst wahrgenommen hat. Der talentierte Mittelfeldspieler lief seinerzeit für den SC Victoria auf und hoffte auf seine erste große Chance, sich im Profifußball einen Namen zu machen. „Stefan kam direkt aus Hamburg zum Probetraining bei Borussia Mönchengladbach. Als er dann unterschrieben hatte, bin ich nach Duisburg gewechselt, so dass wir nie zusammengearbeitet haben“, sagte der Trainer des FC St. Pauli.

Am Freitagabend (18.30 Uhr, Millerntor) hätte es beim Duell mit dem SC Paderborn zum Wiedersehen an der Seitenlinie kommen können. Doch vor knapp einer Woche zogen die akut abstiegsgefährdeten Ostwestfalen die Reißleine und entließen „Effe“, der Glanz und Erfolg nach Paderborn bringen sollte, nach nur fünf Monaten im Amt des Cheftrainers. Seit der Demission steht Ex-Profi René Müller beim Bundesliga-Absteiger in der Verantwortung. Das Projekt Effenberg, so die bittere Erkenntnis, ist gescheitert, bevor es richtig begonnen hatte.

Dem ehemaligen Weltklasse-Mittelfeldspieler wurde zum einen die Erfolglosigkeit zum Verhängnis, vor allem aber störte es Paderborns Präsidenten Wilfried Finke, welche Negativschlagzeilen der Verein über Monate produziert hatte. Von dem Skandal im Trainingslager, als sich Stürmer Nick Prosch­witz im Hotel entblößte, über Social-Media-Einträge von Effenbergs Frau Claudia bis hin zur versäumten Erneuerung der Trainerlizenz: Paderborn wurde landesweit als Chaosclub bekannt und vor allem belächelt.

Neben Effenberg musste auch der langjährige sportliche Leiter Michael Born seinen Platz räumen. Trotz allem nimmt Lienen seinen Trainerkollegen in Schutz. „Das war kein einfacher erster Job für ihn. Bei all den Turbulenzen im Verein hat die Mannschaft sehr stabil gespielt und sich sehr viele Chancen erspielt. Sie haben nur keine Ergebnisse produziert“, sagte der 62-Jährige, der den ehemaligen Weltklassespieler des FC Bayern München nicht als gescheitert ansieht. Im Gegenteil: „Stefan wird seinen Weg gehen, nur eben woanders als in Paderborn. Es gehört als Trainer dazu, solche Erfahrungen zu machen. Sie dienen dazu, sich weiterzuentwickeln und sie für die nächsten Jobs zu nutzen.“

Auch ohne Effenberg erwartet Lienen gegen den vermeintlichen Außenseiter ein Spiel, das sich vor allem über die Mentalität entscheiden wird. „Die werden alles in die Waagschale werfen. Sie haben nichts mehr zu verlieren, aber noch alles zu gewinnen“, sagte Lienen, der großen Respekt vor der individuellen Klasse des Tabellen-17. hat. Paderborn verfügt über einen der nominell besten Kader aller Kellerkinder in der Zweiten Liga. Vor allem vor der kreativen und schnellen Offensive um Ex-St.-Pauli-Profi Mahir Saglik und Neuzugang Nicklas Helenius warnt St. Paulis Trainer. „Das ist eine richtig gute Mannschaft, die René Müller hingestellt hat. Sie werden uns alles abverlangen und ums Überleben kämpfen“, warnt Lienen, der bei Paderborn Parallelen zu St. Paulis Vorsaison sieht.

Wie Paderborn in dieser Saison kämpfte St. Pauli in der vergangenen Spielzeit bis zum Schluss um den Klassenerhalt. Lienen traut auch Paderborn die Trendwende noch zu. „Das, was wir erlebt haben, ist ein gutes Lehrbeispiel für Paderborn. Es ist alles möglich. Darauf müssen wir eingestellt sein“, sagte Lienen, der auf ein Duell mit „Effe“ eben noch ein wenig warten muss.