Hamburg. Der formstarke Offensivspieler schießt die Hamburger mit seinen zwei Toren gegen Hertha BSC vorerst aus der Abstiegszone

Kai Schiller

Nicolai Müller wählte den direkten Weg in die Berliner Kabine. Noch bevor sich der Mann des Abends von seinen Mitspielern feiern ließ, sicherte sich Müller bei den Gästen das Trikot von Vedad Ibisevic. Der Hertha-Stürmer, der in der Vergangenheit so gerne und so häufig gegen den HSV getroffen hatte, war im Volksparkstadion ausnahmsweise mal leer ausgegangen. Müller wiederum hatte dem Bosnier vor 46.136 Zuschauern die Show gestohlen Mit seinem ersten Doppelpack im HSV-Trikot sorgte der Flügelstürmer im Alleingang für den 2:0 (0:0)-Sieg gegen Hertha BSC.

„Oh, wie ist das schön“, sangen die HSV-Fans, als der Matchwinner in der 88. Minute den Platz verließ. Auf den Tag genau sechs Jahre nach dem bisher letzten Heimsieg gegen Hertha gelang dem HSV wieder ein Erfolgserlebnis gegen den Angstgegner. Der Trainer damals wie heute: Bruno Labbadia. „Das war eine gute Antwort auf das Schalke-Spiel, ein schöner Tag für die Fans“, sagte Labbadia vier Tage nach der 2:3-Niederlage auf Schalke.

Dank des zweiten Heimsieges des Jahres konnte der HSV den Vorsprung auf Relegationsplatz 16 auf sieben Punkte ausbauen und machte in der Tabelle einen Sprung auf Rang zehn. „Wir haben heute ein echt gutes Spiel gemacht, sehr geduldig gespielt und zum richtigen Zeitpunkt die Tore gemacht“, sagte Müller, der seine Saisontore sechs und sieben erzielte und sich an die Spitze der internen Torjägerliste setzte. Schon auf Schalke war er mit einem Tor und einer Vorlage einer der wenigen Hamburger in Normalform.

Wie sehr Labbadia das Spiel auf Schalke enttäuscht hatte, konnte man schon an seiner Aufstellung ablesen. Der nicht gerade als Liebhaber von Umstellungen bekannte Trainer veränderte seine Mannschaft gleich auf fünf Positionen. Für den gelb-rot-gesperrten Kapitän Johan Djourou rückte Cléber in die Innenverteidigung. Für die auf Schalke schwachen Pierre-Michel Lasogga und Josip Drmic kehrten Ivo Ilicevic und Artjoms Rudnevs in die Startelf zurück. Zudem musste Gojko Kacar für Aaron Hunt weichen. Für die größte Überraschung sorgte Labbadia allerdings mit der Aufstellung von Albin Ekdal. Viereinhalb Monate nach seinem letzten Spiel in Hoffenheim feierte der Schwede sein HSV-Comeback, Gideon Jung musste auf die Bank.

Wie sehr Ekdal den Hamburgern gefehlt hatte, ließ sich schon in der ersten Halbzeit beobachten. Im zentralen Mittelfeld übernahm er gleich wieder die Chefrolle (siehe Bericht unten). Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn die Hertha zeigte zunächst, warum sie sich in dieser Saison den Titel Überraschungsteam der Liga erarbeitet hat. Mit einem gut organisierten Mannschaftsverbund machen es die Berliner dem Gegner extrem schwer, Räume zu finden. So auch dem HSV. Der hatte in der Spitze zwar bis zu 70 Prozent Ballbesitz, bis auf drei Fernschüsse von Gotoku Sakai (1./44.), Lewis Holtby (41.) und einen Kopfball von Rudnevs (16.) kamen die Hamburger in Halbzeit eins aber kaum in Tornähe. Auf der anderen Seite gab Hertha-Stürmer Ibisevic eine Kostprobe der Berliner Effektivität, als er seinem Landsmann Emir Spahic entwischte und René Adler mit einem Kopfball vor Probleme stellte. Es sollte seine einzige Szene bleiben.

Der HSV zeigte nach langer Zeit mal wieder, dass er ein Spiel dominieren und auch entscheiden kann. In der 57. Minute brauchten die Hamburger aber die Mithilfe des Berliners Niclas Stark, der eine Hereingabe von Lewis Holtby von der linken Seite vor die Füße von Müller weiterleitete. Der legte sich den Ball 16 Meter vor dem Tor auf seinen schwächeren linken Fuß und zielte präzise in die rechte untere Ecke. Die Erlösung für den HSV.

Anders als zuletzt zog sich die Mannschaft nach der Führung aber nicht zurück. Vor allem der starke Sakai initiierte auf der rechten Seite immer wieder gute Angriffe. „Der Trainer hat gesagt, dass ich mein Glück vorne versuchen soll. Das hat ganz gut geklappt“, sagte Sakai, der auf rechts mit Müller immer besser harmoniert.

Die Entscheidung fiel dann aber wieder über die linke Seite. Wieder war es Holtby, der nach einem Spielzug über Ilicevic und Hunt die Vorlage leistete. Wieder war es Müller, der vollendete (75.). Diesmal mit rechts. „Nico hat einen echten Lauf“, sagte Hunt über den Doppelpacker. Zuletzt war Müller dieses Kunststück vor drei Jahren in Mainz gelungen.

Für den HSV bedeuteten seine Tore die Punkte 29, 30 und 31. Mit so einer Punkteausbeute nach 25 Spieltagen ist im Zeitalter der Drei-Punkte-Regel noch niemand aus der Bundesliga abgestiegen. Auch wenn Müller das Thema Abstiegskampf noch nicht beenden wollte. „Wir sind noch nicht durch. Aber heute kann ich beruhigt in die Kabine gehen“, sagte Müller und wählte den Weg in die richtige Kabine, um sich gebührend feiern zu lassen.