Hamburg. ... spielt der HSV. Diesmal gegen die Hertha. Die Fans sind von den Anstoßzeiten genervt, dem Club entgehen Einnahmen. Doch ein Konsens ist nicht in Sicht

Bruno Labbadia ist Traditionalist. Der Trainer erinnert sich gerne an die Zeiten zurück, als Fußballer die Haare hinten lang und vorne kurz trugen, die Arme der Profis noch keinen bemalten Kunstwerken glichen, die ersten Bewegtbilder vom Spieltag in der Sportschau liefen – und die Bundesliga ausschließlich am Freitagabend und am Sonnabend um 15.30 Uhr spielte. „Ich muss gestehen, dass ich den Sonnabend, 15.30 Uhr, bevorzuge. Das ist mein Bundesligatag“, sagt Labbadia, der aber lange genug dabei ist, um zu wissen, dass die Bundesliga kein Wunschkonzert ist: „Wir müssen die Anstoßzeit akzeptieren, wie sie ist.“

Die Anstoßzeit akzeptieren, das klingt leichter, als es ist. Mit Ausnahme der Europapokalteilnehmer muss kein Bundesligaclub in dieser Rückrunde so häufig am nicht nur von Labbadia ungeliebten Sonntag spielen wie der HSV. An diesem Sonntag empfangen die Hamburger im Volkspark um 17.30 Uhr Hertha BSC. Auch gegen Gladbach und gegen Köln mussten die Hamburger in der Rückrunde bereits zu Hause am Sonntag ran. Und dreimal darf man raten, an welchem Tag der HSV in der kommenden Woche in Leverkusen spielen muss. Na klar, am Sonntag.

Jedes Sonntagsspiel kostet den HSV im Schnitt 150.000 bis 250.000 Euro

„Die Ansetzungen der DFL sind zunehmend fanunfreundlich. Wir haben nicht nur jede Menge Sonntagsspiele, sondern müssen leider auch sehr oft am Freitag ran“, klagt Supporterschef Tim-Oliver Horn, der keinen Hehl daraus macht, dass der Unmut an der Basis zunehmend wächst. „Für uns HSV-Fans sind die aktuellen Ansetzungen schon der Wahnsinn“, so Horn. „Der Grund, warum gerade der HSV immer wieder sonntags und freitags spielen muss, liegt ja auf der Hand: Attraktive Traditionsvereine wie der HSV garantieren mehr TV-Zuschauer bei Einzelspielen als die kleineren Vereine.“

In diesem Punkt ist sich HSV-Fan Horn mit HSV-Marketingvorstand Joachim Hilke einig, der bereits in der vergangenen Saison die Vielzahl der Sonntagsansetzungen beklagt hatte. „Wir werden als Traditionsclub benachteiligt“, hatte Hilke in einem Abendblatt-Interview kritisiert, und konkretisiert: „Der quotenschwierigere Sonntagnachmittag kann nur durch attraktive Spiele mit Traditionsclubs wie dem HSV aufgewertet werden. Dabei verlieren wir pro Sonntagsspiel Einnahmen zwischen 150.000 und 250.000 Euro.“

Weil der HSV in der vergangenen Saison sieben Heimspiele an einem Sonntag austragen musste, zogen die Clubverantwortlichen seinerzeit die Reißleine. Hilke beschwerte sich offiziell bei der DFL und wurde – teilweise – erhört. So ist die Partie gegen Hertha in dieser Spielzeit gerade mal das vierte HSV-Sonntagsheimspiel. Insgesamt mussten nur die Bayern und Ingolstadt am Sonntag noch seltener spielen.

Anders als Horn und eine Vielzahl von Fans verteufelt Hilke den Sonntagstermin aber nicht grundsätzlich, ganz im Gegenteil. Dem HSV-Vorstand ging es bei seiner DFL-Beschwerde lediglich um eine Gleichbehandlung aller Clubs. „Im Rahmen der Optimierung der Erlöse, insbesondere aus TV, werden wir auch in Zukunft nicht umhin kommen, weitere Anstoßzeiten zu etablieren“, sagt nun Hilke, der sich unlängst bei einem DFL-Treffen für eine weitere Zerstückelung des Spieltags ausgesprochen haben soll. So sollen auch der Sonntagmittag und der Montag denkbare Alternativtermine sein, um das Produkt Bundesliga besser im In- und Ausland zu vermarkten.

Vorbild der Bundesliga ist die englische Premiere League, wo für ein Livespiel umgerechnet 13,5 Millionen Euro von Sky und BT Sport gezahlt werden. Ein deutsches Bundesligaspiel ist dagegen nur niedliche 800.000 Euro wert. Ein krasser Unterschied, der natürlich auch seinen Preis hat. Doch statt vor „englischen Verhältnissen“ müssten Fanvertreter sehr viel eher vor „spanischen Verhältnissen“ warnen. Denn anders als in der Premiere League, in der in der Regel sechs von zehn Spielen am Sonnabendnachmittag stattfinden, werden die zehn Partien der Primera Division in Spanien oft tatsächlich zu zehn unterschiedlichen Anstoßzeiten angepfiffen.

„Wir müssen uns nichts vormachen, die Entwicklung wird leider immer schlimmer. Auch der Montagstermin ist ja nur noch eine Frage der Zeit“, sagt Horn, den besonders das Einnahme-Wetteifern der Verantwortlichen mit den englischen Clubs stört. „Ich halte diesen irren Wettlauf für völlig falsch. In Gesprächen mit unseren Vorständen haben wir immer wieder darauf hingewiesen, dass man die Bedürfnisse der Fans nicht vergessen sollte. Solange die Stadien allerdings weiterhin voll sind, die Stimmung einigermaßen gut ist und die Leute das Überangebot an Fußball im Fernsehen nicht satt haben, werden unsere Befürchtungen leider nicht ernst genommen.“

Dabei könnte das aktuelle Heimspiel des HSV gegen Hertha durchaus als mahnendes Beispiel für Horns These herangezogen werden. So waren bis Freitagnachmittag lediglich 43.800 Karten für das Sonntagsspiel gegen den Tabellendritten verkauft – Saisonminusrekord! Und unabhängig von den fehlenden Einnahmen dürfte sich laut Horn das mangelnde Zuschauerinteresse perspektivisch auch auf die Stimmung im Stadion auswirken. „Ich habe die subjektive Wahrnehmung, dass die Stimmung am Sonntag im Stadion schlechter ist als an einem Sonnabend. Es herrscht eine Art Sofaatmosphäre“, sagt der Supporterschef, der für die Zukunft schwarz sieht: „Wahrscheinlich wird man erst aufwachen, wenn es zu spät ist und wir ähnliche Verhältnisse wie in englischen Stadien haben.“