Hamburg. Dietmar Beiersdorfer und FCI-Sportchef Thomas Linke erarbeiteten einst Konzepte für Red Bull. Mit ihren neuen Clubs setzen sie den Weg fort – mit unterschiedlichem Erfolg

Es war der 1. November 1992, als Thomas Linke im Trikot des FC Schalke 04 im Spiel bei Werder Bremen sein Bundesligadebüt feierte. Ihm gegenüber stand Bremens Dietmar Beiersdorfer. Zwei ähnliche Spielertypen. Zweikampfstark. Technisch nicht gerade brasilianisch geschult, dafür mit einer großen Athletik ausgestattet. Am Ende stand es an diesem Tag auch dank der beiden Abwehrspieler 0:0.

17 Jahre später sollten sich die Wege von Linke und Beiersdorfer erneut kreuzen. Vizeweltmeister Linke ließ seine Karriere bei Red Bull Salzburg ausklingen und wechselte anschließend in die sportliche Leitung von RB. 2009 wurde Beiersdorfer dort sein Chef. Zwei ähnliche Managertypen. Ruhig, im Hintergrund agierend, auf inhaltliche Arbeit ausgerichtet. „Thomas ist ein meinungsfester Typ, ein Teamplayer, der immer inhaltlich arbeiten will“, sagt Beiersdorfer über Linke. Linke sagt über Beiersdorfer: „Didi hat Visionen und langfristige Ideen und treibt diese mit jeglicher Ruhe und Gewissenhaftigkeit voran.“

In zwei gemeinsamen Jahren in Salzburg und in Leipzig schufen die beiden neue Strukturen, richteten vor allem den Nachwuchsbereich des Fußball-Gesamtprojekts von Red Bull strategisch neu aus und legten einige Grundlagen für den heutigen Erfolg des RB-Fußball-Imperiums. Letztlich litten aber beide unter der Dominanz des Red-Bull-Gründers Dietrich Mateschitz. Im April 2011 musste Beiersdorfer gehen, wenige Wochen später trat Linke in Leipzig zurück.

Neun Jahre später kreuzen sich ihre Wege erneut. Vorstandschef Beiersdorfer trifft mit dem HSV am Sonnabend (15.30 Uhr/Sky) auf den FC Ingolstadt mit Sportdirektor Thomas Linke. Seit vier Jahren arbeitet Linke nun schon bei den Schanzern, hat den Club gemeinsam mit Trainer Ralph Hasenhüttl aus dem Tabellenkeller der Zweiten Liga in die Bundesliga geführt. Mit einem Konzept, das dem von Red Bull durchaus ähnelt. In einem stabilen System werden junge Spieler gezielt gefördert. Der FCI, der mit 29 Punkten zu den besten Aufsteigern der vergangenen Jahre zählt, hat über mehrere Spielzeiten ein stabiles Gerüst gebildet und gehört zu den unangenehmen Gegnern in der Liga. Nur Bayern München kassierte weniger Gegentore als die junge Ingolstädter Mannschaft.

Der HSV wird auch in Zukunft erfahrene Spieler verpflichten müssen

Linke verfolgt mit seinem Club eine klare Transferstrategie. „Wir haben in den letzten Jahren immer Spieler geholt, die jung sind und am Anfang ihrer Karriere stehen. Es ist nicht unser Weg, einen 36-Jährigen zu verpflichten“, sagt Linke. Ein Weg, den auch Beiersdorfer mit dem HSV gehen will. So hat es der Verein erst kürzlich in einem verbindlichen Leitbild definiert. „Wir fokussieren uns auf Spieler zwischen 18 und 23 Jahren, die ihren Leistungshöhepunkt noch vor sich haben“, heißt es darin. Die Realität sieht anders aus.

Im Gegensatz zu RB Leipzig, das erst kürzlich durch Trainer und Manager Ralf Rangnick betonte, ein 28 Jahre alter Neuzugang käme nicht infrage, wird der HSV auch in Zukunft erfahrene Spieler verpflichten. Das stellt Beiersdorfer im Abendblatt klar. „An unserem Standort wird man immer auch erfahrene Spieler brauchen, die dem emotionalen und medialen Umfeld gewachsen sind. Daher werden wir auch in Zukunft Spieler verpflichten, die sich auf dem Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit befinden.“ Mit Leipzig und Ingolstadt sei der HSV daher nur bedingt vergleichbar. „Jeder Club hat einen eigenen Ansatz, seine eigene Historie. Auf Sicht ist es natürlich unser Ziel, junge und entwicklungsfähige Spieler einzubinden“, so Beiersdorfer.

Bei der Suche nach Talenten wird der HSV mit dem FC Ingolstadt in Zukunft einen Konkurrenten vorfinden, der sich in der Bundesliga etablieren könnte. Mit Audi hat der FCI einen wichtigen strategischen Partner. Mit Red Bull ist dieser aber nicht vergleichbar. Während RB Leipzig in dieser Saison 42 Millionen Euro für Neuzugänge ausgab, investierte Ingolstadt nur sechs Millionen Euro. „Wir sind kein Verein, der überteuerte Gehälter zahlt oder Superstars kauft. Wir leben davon, dass sich eine eingespielte Gruppe gefunden hat, in der sich junge Spieler entwickeln können“, sagt Sportchef Linke.

Eine geschlossene Gruppe hat auch der HSV in dieser Saison gefunden. Die Teamfähigkeit der Hamburger ist der Schlüssel für die bisherige Punkteausbeute. Nun geht es darum, junge Talente wie Mats Köhlert, der unter der Woche einen Profivertrag unterschrieb, sukzessive in der Bundesliga einzubauen. Ingolstadt hat es dem HSV vorgemacht. Auch darüber dürften sich Linke und Beiersdorfer unterhalten, wenn sich ihre Wege am Wochenende im Volksparkstadion wieder kreuzen.