Hamburg. Viele offene Fragen nach der Ankündigung des Weltverbands Aiba, schon für Rio alle Profis zuzulassen

Am Tag nach der Revolution war allerorten Besinnung angesagt. Die radikale Kehrtwende des olympischen Box-Weltverbands Aiba, der auf seinem Kongress im englischen Manchester am Mittwochabend beschlossen hatte, schon die Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) für Profis der anderen Weltverbände zu öffnen, mussten die Protagonisten zunächst einmal einordnen.

„Wir haben mit diesem Schritt, der überfällig war, die Tür für eine historische Kooperation geöffnet“, sagte Jürgen Kyas, Präsident des Deutschen Boxsport-Verbands (DBV) und als Mitglied des Aiba-Exekutivkomitees im Manchester vor Ort. „Jetzt sind wir gespannt, welche Resonanz wir bekommen.“ Bislang durften bei Olympischen Spielen nur Profis teilnehmen, die sich über die Aiba-Profischiene APB qualifiziert hatten. Das sind bislang Erik Pfeifer (Lohne/Superschwer), David Graf (Heidelberg/Schwer) und Artem Ha­rutyunyan (Hamburg/Halbwelter).

Im Profilager stieß die Ankündigung der Aiba auf gemischte Reaktionen, vor allem das Tempo, mit dem die Pläne umgesetzt werden sollen, befremdet viele. „Das ist ein Hammer. Ob das gut oder schlecht ist, kann ich noch nicht abschätzen“, sagte Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB). Er sei in jedem Fall bereit für Gespräche mit dem DBV und dem Deutschen Olympischen Sportbund. Kalle Sauerland, Mitinhaber des Berliner Sauerland-Teams, sieht die Öffnung viel kritischer. „Ich denke, dass es die klassische Ausbildung, die junge Sportler bei den Amateuren genießen, kaputt machen wird“, sagte er.

Zwar könne die Aufwertung des olympischen Turniers dem Boxsport generell nur guttun. „Aber die Umstellung vom Profimodus mit zwölf Runden à drei Minuten auf die dreimal drei Minuten bei Olympia ist für Profis, die mitten in ihrer Karriere stecken, kaum zu leisten.“ Lediglich Sportler wie Wladimir Klitschko, die am Ende ihrer Laufbahn einen goldenen Abschluss suchten, könnten davon profitieren. Klitschko, 39, möchte allerdings Anfang Juni lieber den Rückkampf mit dem Briten Tyson Fury bestreiten, der ihm im November seine drei WM-Titel im Schwergewicht entrissen hatte.

Bis in Rio Profis anderer Verbände mitboxen, müssen viele Fragen geklärt werden. Der Qualifikationsprozess müsste um Ausscheidungskämpfe zwischen Amateuren und Profis erweitert werden. Die Handhabe darüber will die Aiba den nationalen Verbänden überlassen, die in Absprache miteinander Kandidaten benennen sollen. Vor allem aber müssten sich alle Profis den Antidoping-Richtlinien des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) unterwerfen, was derzeit die im BDB registrierten Sportler nicht tun. Dass die Meldelisten bereits geschlossen sind, sei kein unüberwindbares Problem. Aiba-Präsident Ching-kuo Wu sagte, er werde diese Thematik mit dem IOC erörtern. Ein IOC-Sprecher bestätigte, dass Ausnahmen möglich seien.