Zürich. Der Fußball-Weltverband Fifa wählt Freitag einen neuen Präsidenten. Viel wichtiger ist aber die angestrebte Strukturreform

Wenn stimmt, was der Weltverband Fifa als größte Reform seiner 112-jährigen Geschichte preist, dann ist völlig unwichtig, wer am Freitag Präsident wird.

Zwar stehen fünf Kandidaten zur Wahl: die beiden Favoriten Gianni Infantino aus der Schweiz und Scheich Salman bin Ebrahim al-Khalifa aus Bahrain sowie die drei Außenseiter Jérôme Champagne aus Frankreich, Tokyo Sexwale aus Südafrika und Prinz Ali bin al-Hussein aus Jordanien. Doch der Wahlausgang ist fast zweitrangig.

„Der Freitag“, sagten Fifa-Offizielle mutig in ihren Hintergrundgesprächen, „wird ein historischer Tag.“ Freitag soll auf dem außerordentlichen Fifa-Kongress in Zürich eine Revolution verabschiedet werden.

Nach dem Druck durch diverse Korruptionsskandale unter dem inzwischen gesperrten und fortgejagten Präsidenten Joseph „Sepp“ Blatter, den Ermittlungen des FBI, Festnahmen von Spitzenfunktionären und in Folge all dessen einem existenzbedrohenden Imageschaden hatte der Verband mit seinen internen Aufräumarbeiten begonnen. Im Dezember 2015 stimmte das Exekutivkomitee einem Paket zu, das von der Fifa-Reformkommission 2016 unter Vorsitz von Dr. François Carrard erarbeitet wurde. „Diese Prinzipien und Empfehlungen ebnen den Weg für bedeutende und dringend erforderliche Veränderungen der Governance-Strukturen der Fifa“, schreibt der Verband auf seiner Website.

Der neue Präsident hat demzufolge keine Macht mehr wie Blatter, sondern allein die Aufgabe, das zu tun, was zum Beispiel der Bundespräsident in der deutschen Politik tut. Als protokollarische Nummer eins im Staat repräsentieren: reden und mahnen, moralische Linien vorgeben – und ansonsten lächeln. Die eigentliche Arbeit wird vom Kanzler erledigt, einem Angestellten – dem Generalsekretär.

Die Gewaltenteilung, Grundprinzip jeder Demokratie seit Baron de Montesquieu 1748, markiert den Bruch mit der Ära des allmächtigen Blatter, der beides in sich vereinte, Repräsentanz und Geschäftemacherei. Sein Nachfolger darf allenfalls einen Generalsekretär vorschlagen: Wenn nicht am Freitag, so doch spätestens bis zum ordentlichen Fifa-Kongress am 12./13. Mai in Mexiko.

Damit die Revolution stattfindet, müssen drei Viertel von 207 stimmberechtigten Fifa-Staaten (Kuwait und Indonesien sind gesperrt) dem umfassenden Reformplan am Freitag zustimmen, also 156. Sollte keine Dreiviertelmehrheit zustande kommen, hätte dies wahrscheinlich verheerende Konsequenzen für den Weltverband. Vor allem die US-Justiz dürfte ein Scheitern der Reformen als Signal nehmen, Maßnahmen gegen die Fifa einzuleiten.

Wenn die Mitglieder die neuen Regeln jedoch abnicken, wird aus dem berüchtigten Exekutivkomitee, das zuletzt einem Selbstbedienungsladen ohne Kontrolle glich, ein 36-köpfiger Fifa-Rat („Council“), der als eine Art Aufsichtsrat darauf aufpasst, dass der Präsident nicht mehr bei den kommerziellen Deals mitmischt. Die Amtszeit des Präsidenten und der Ratsmitglieder ist auf zwölf Jahre begrenzt. Sechs Ratsmitglieder müssen Frauen sein. Die Fifa betont: mindestens sechs.

Die Kontrolle des Generalsekretärs wird einem Compliance Officer übertragen, wie man es aus großen Firmen kennt: Eine integre Aufsichtsperson achtet darauf, dass alle Entscheidungen im Einklang mit Recht und Gesetz stehen, und wird ihrerseits von Audit- und Ethik-Kommissionen sowie einer unabhängigen Revision begleitet. Transparenz soll jeden Zweifel am Reformwillen beseitigen. Zuerst wird das Gehalt von Blatter, der bis Freitag noch immer seine alten Bezüge als Fifa-Präsident kassiert, Mitte März in einem Finanzbericht für 2015 offengelegt. Nächstes Jahr wird die Aufwandsentschädigung für den neuen Fifa-Präsidenten und das Jahresgehalt des Generalsekretärs veröffentlicht.

Der Willen zur Umsetzung dieser Reform ist, so hört man aus der Fifa-Verwaltung, ungewöhnlich ausgeprägt. Alle Mitgliedsverbände, von Europa bis zu den weniger strukturierten Verbänden in Afrika, sollen das Prinzip der Gewaltenteilung (mit unabhängiger Rechtsprechung) durchsetzen und jährlich kontrollierte Geschäftsberichte veröffentlichen. Auch der DFB in Deutschland. Sonst gibt es keine Zuschüsse mehr, die bei 250.000 US-Dollar anfangen und auch Millionenhöhe erreichen können. Sogar Suspendierungen werden nicht ausgeschlossen.

Der Zeitplan ist ambitioniert. Bis 2018 soll die Reform weltweit umgesetzt sein, Man kann fast den Eindruck gewinnen: Die Fifa meint es wirklich ernst. Sie hat auch keine andere Wahl.