Neumünster. Unter dem Eindruck der vielen Verletzungen drängen die Handball-Spitzenclubs auf Reformen

An diesem Freitagabend darf in Nürnberg beim alljährlichen All-Star-Game der Handball-Bundesliga noch einmal gefeiert werden. Lange hat das Schau-Spiel der Nationalmannschaft und der internationalen Stars aus der wahrscheinlich besten Liga der Welt nicht mehr so viele Menschen interessiert wie diesmal, nur fünf Tage nach dem unerwarteten deutschen EM-Triumph. Die 7622 Eintrittskarten waren im Nu vergriffen, der Sender Sport1, der von 19.45 Uhr an live berichtet, darf auf eine erstklassige Einschaltquote hoffen.

Bei Alfred Gislason war am Donnerstag beim traditionellen Handball-Treff der Vereinigung Schleswig-Holsteinischer Sportjournalisten in Neumünster von EM-Euphorie wenig zu spüren. Der Trainer des THW Kiel attestierte der deutschen Mannschaft zwar, „dass sie eine sehr gute Generation von Spielern hat“. Gleich fünf von ihnen kommen ja aus seiner Mannschaft. Aber genau das ist jetzt auch Gislasons Problem: Christian Dissinger und Steffen Weinhold zogen sich bei der EM schwere Muskelblessuren zu, Kapitän Weinhold droht sogar bis Saisonende auszufallen. Patrick Wiencek und Dominik Klein hatten es aufgrund von Verletzungen erst gar nicht in den deutschen Kader geschafft.

Einzig Rune Dahmke kehrte einigermaßen wohlbehalten zum Rekordmeister zurück, obschon auch er angeschlagen ins Turnier gegangen war. Dass diese Häufung kein Zufall ist, liegt für Gislason auf der Hand: „Wir hatten bis zum Jahreswechsel 35 Spiele. Das ist zu viel.“ Vor acht Jahren, der Isländer erinnert sich noch gut, da habe man die nationalen und internationalen Verbände auf die Problematik hingewiesen. Damals habe es geheißen, bis 2016 könne man leider nichts machen, weil alle Termine bereits festgelegt seien. „Und jetzt? Haben wir 2016, und es sind noch mehr Spiele geworden.“

Gislason ist überzeugt, „dass dieses Thema auf Dauer auch die Nationalmannschaft betrifft, weil immer mehr Spieler ausfallen“. Schon im EM-Finale war von der nominell ersten deutschen Sieben nur noch Torwart Andreas Wolff übrig. Gislason hätte da einen Verbesserungsvorschlag: „EM und WM nicht mehr alle zwei, sondern alle vier Jahre. Das würde der Nationalmannschaft nicht schaden, sondern vielmehr eine angemessene Vorbereitung sicherstellen.“ Es würde allerdings auch die Einnahmen der ausrichtenden Verbände EHF und IHF halbieren, weshalb die Hoffnung darauf wohl vergeblich ist.

Weil das auch die deutschen Topvereine eingesehen haben, drängen sie auf Reformen im eigenen Land: darauf nämlich, dass künftig in der Bundesliga 16 statt 14 Spieler pro Partie eingesetzt werden dürfen, wie in der Champions League und anderen europäischen Ländern üblich. „Das würde helfen, die Belastung zu verteilen“, sagt Ljubomir Vranjes, der Trainer des Pokalsiegers SG Flensburg-Handewitt.

Eine solche Regeländerung jedoch bedarf der Zustimmung der Liga-Vollversammlung, in der die kleineren Vereine in der Mehrheit sind. Sie wiederum fürchten nicht nur höhere Kosten, sondern auch, dass ihnen Talente an die zahlungskräftigere Konkurrenz verloren gehen könnten. Deshalb haben sie sich bislang verweigert.

Am Freitag soll in Nürnberg ein neuer Vorstoß unternommen werden. Kiels Manager Thorsten Storm appellierte vorab „an die Solidarität der Clubs“. Denn bei aller Euphorie um die Nationalmannschaft seien doch der THW, Flensburg und die Rhein-Neckar Löwen „die treibenden Kräfte des Handballs in Deutschland. Uns braucht man die Frage, wie man den Boom nutzen kann, nicht zu stellen. Wir holen schon das Beste heraus.“