Raphael Brinkert, Mitinhaber der Agentur Jung von Matt/sports, erläutert, warum Unternehmen nun in Randsportarten investieren sollten

Ein Wochenende fürs Geschichtsbuch: Angelique Kerber gewinnt die Australian Open, die Handballer werden Europameister, die Rodler sechsfache Weltmeister. Dazu noch EM-Silber im Eiskunstlauf, Siege bei den nordischen Kombinierern und im Alpinski – Sportdeutschland hatte mehr als einen Grund zum Anfeuern und Feiern! Und zu Recht stahlen die Sensationssiege im Tennis und Handball König Fußball an diesem Wochenende die Show.

Doch wie nachhaltig ist der Erfolg, wenn Sportarten mit Millionen aktiven Mitgliedern von der medialen Öffentlichkeit nur dann Beachtung erhalten, wenn sich Sensationen ankündigen? Wer von uns hat in der ersten Woche Kerber bei der Abwehr des gegnerischen Matchballs beim Erstrundenmatch die Daumen gedrückt? Wer hat die Handballer vor dem entscheidenden Gruppenspiel gegen Dänemark angefeuert? Die Wahrheit findet sich im Netz: kaum einer. Seit Freitag sind wir also wieder Handball- und Tennisnation. Aber ob aus Randsport Hallen- und Sandsport wird, liegt nicht nur in den Händen von 800.000 Mitgliedern im Handball und 1,4 Millionen im Tennis. Das obliegt auch den Marketingentscheidern, Werbern, Vermarktern, der Politik und den Funktionären auf Vereins- und Verbandsseite.

Der einfache Grund: Um Höchstleistungen abzuliefern, braucht es professionelle Rahmenbedingungen. Das beginnt bei der Förderung statt der stückweisen Abschaffung des Schulsports, setzt sich über Kooperationen von Ganztagsschulen mit lokalen Vereinen fort und endet bei Nachwuchsleistungszentren und gezielter Förderung im Nachwuchs-, Amateur- und Profibereich durch private und öffentliche Sponsoren.

Aktuell erinnert die Mehrheit der Sponsoring-Entscheider jedoch an Lemminge, die unwissend in den Tod laufen. Andernfalls würden sich mehr Sponsoren die Frage stellen, ob sich Investitionen in Logen, Banden und Trikotbrüste abseits der Topclubs im Fußball noch lohnen oder ob nicht die Entdeckung der profitablen Nische die bessere Alternative ist. Dafür muss man jedoch strategisches Sportmarketing statt Mäzenatentum betreiben und den Mut haben, Entscheidungen gegen persönliche Neigungen zu treffen.

Mit weitaus geringeren Investitionen können Marken so im Rand-, Trend-, Fun- und Amateursport weitaus größere Wirkung erzielen. Es können nicht nur ganze Sportarten gefördert, sondern auch die eingesparten Summen in die Aktivierung der Sportinteressierten gesteckt werden. Zwei Beispiele: Für den durchschnittlichen Preis eines Trikotsponsorings bei einem Fußball-Erstligisten kann man alleiniger Sponsor der Handball-Champions-League werden – inklusive internationaler Präsenz und kreativem Spielraum bei der Aktivierung. Und für den Preis einer Loge gäbe es immerhin das Namensrecht der Tischtennis-Bundesliga und den Kontakt zu 9300 Vereinen mit 590.000 Mitgliedern.

Die größte Chance liegt neben dem qualitativen Sponsoring von Querdenkern in den Händen der Verbände: Aus vielen Einzelinteressen muss endlich ein Team werden, das sich in den Dienst des Sports stellt und Sponsoren, Fans und Mitglieder aktiv zurückerobern will. Wie das geht, zeigen Interessensvertretungen, Genossenschaften, Unternehmen wie Edeka oder das Handwerk mit der Kampagne „Die Wirtschaftsmacht. Von Nebenan“.

Ich würde mich freuen, wenn wir als Dank für die Feiern des Wochenendes etwas Arbeit in den Sport steckten: mit qualitativem statt quantitativem Sportsponsoring, mit mutigen Querdenkern auf Unternehmens- und Verbandsseite und mit gezielten Investitionen in Nachwuchs-, Breiten- und Amateursport.