Hamburg. Nach dem respektablen 1:2 gegen die Bayern appelliert der Hamburger Trainer an die Mentalität seiner Spieler. Die Botschaft scheint anzukommen

Kai Schiller

Bruno Labbadia wirkte nicht unzufrieden. Gute Ansätze habe er gesehen bei der Niederlage gegen Bayern München. Und auch seine Spieler schlichen nicht völlig enttäuscht vom Platz. Vor allem die erste Halbzeit habe man gut mitgehalten, sagte Albin Ekdal. Ziemlich genau fünf Monate ist das jetzt her. Der HSV hatte gerade das Auftaktspiel der Fußball-Bundesliga mit 0:5 verloren. Null zu fünf! Und doch waren die Hamburger irgendwie froh, nicht höher verloren zu haben.

Was sich seit diesem Abend des 14. August beim HSV verändert hat, ließ sich am Freitag gegen 22.30 Uhr sehr deutlich an den Aussagen der Mannschaft in der Interviewzone des Volksparkstadions heraushören. Außerordentlich knapp hatten die Hamburger gegen das Starensemble der Münchner mit 1:2 verloren und den deutschen Meister mit einer mutigen Taktik an den Rand des dritten Punktverlusts der laufenden Saison gebracht. Zufrieden wollte darüber aber keiner sein. „Zum Kotzen“ fand Torhüter René Adler das Ergebnis. „Verlieren ist immer scheiße“, sagte Kapitän Johan Djourou. „Total genervt“ war Mittelfeldchef Lewis Holtby. Und Trainer Labbadia beschrieb seinen Gefühlszustand mit einem einzigen Wort: „Kacke.“

Auch mit einer Nacht Abstand wollte der Trainer so gar nicht auf die vielen Loblieder mit einstimmen, die unter anderem Bayerncoach Pep Guardiola und Bundestrainer Joachim Löw von sich gegeben hatten. Beide hatten während des Spiels einen „anderen HSV“ beobachtet als noch im Hinspiel oder vor einem Jahr. Und beide hatten mit dieser Einschätzung recht. Der HSV ergab sich nicht in sein Schicksal, wie der kampfstarke Holtby bemerkte, sondern attackierte die Münchner ungewohnt früh und verteidigte hoch. Eine riskante Taktik, die Labbadia entworfen hatte. Vor allem die offensiv agierenden Außenverteidiger Dennis Diekmeier und Matthias Ostrzolek wurden von den pfeilschnellen Kingsley Coman und Douglas Costa mehrfach überlaufen. Im taktischen Kollektiv aber arbeiteten die Hamburger klug und konzentriert. „Wir können daraus Selbstvertrauen schöpfen“, sagte Stürmer Pierre-Michel Lasogga.

Mehr aber auch nicht. Denn Punkte für eine gute Leistung verteilt die DFL auch in Hamburg nicht. Und so war es verständlich, dass Labbadia sich über die vergebene Chance eines Punktgewinns ärgerte. Mehr noch. Er warnte seine Mannschaft ausdrücklich, mit der Leistung gut leben zu können. „Ich möchte nicht, dass wir eine Mentalität reinbekommen zu meinen, ein 1:2 gegen Bayern wäre gut.“ Seine Spieler haben diese Botschaft offenbar verinnerlicht. „Wir dürfen nicht zufrieden sein“, sagte Spielmacher Aaron Hunt.

Während der HSV durch die couragierte Leistung Sympathien gewann, verlor er in der Tabelle einen Platz und an Vorsprung auf die unteren Regionen. Seit Ende November ist es von Rang sieben auf Platz elf abwärts gegangen. Auf einen Sieg warten die Hamburger seit vier Partien. In den kommenden zwei Wochen geht es für den HSV (22 Punkte) gegen die Konkurrenten Stuttgart (18) und Köln (24). Danach dürfte deutlich sein, ob es auch in dieser Saison nur um den Klassenerhalt geht. „Jetzt kommen die Spiele, in denen wir punkten müssen“, sagte Lasogga. Spiele, in denen es nicht mehr ausreichen wird, sich einfach nur gut zu verkaufen. Der HSV wird wieder gezwungen sein, Lösungen mit dem Ball zu finden. „Die Ordnung hat gegen Bayern gestimmt. Aber wir brauchen noch mehr Vertrauen in unsere Qualität. In Stuttgart brauchen wir den Ball“, sagte Djourou. Denn eines wurde am Freitag ebenso sichtbar wie der defensive Matchplan: In der Offensive fehlte dem HSV die absolute Überzeugung, um die Bayern zu bezwingen.

Mut dürfte den Hamburgern machen, dass zwischen dem 0:5 im Hinspiel und dem 1:2 im Rückspiel tatsächlich etwas passiert ist. „Wenn man die Spiele vergleicht, dann kann man feststellen, dass da ein anderer HSV auf dem Platz stand“, sagte Aaron Hunt. Und sein Trainer erklärte: „Wir wollten uns gegen Bayern nicht hinten reinstellen, wie wir es noch im Sommer gemacht haben. Wir haben uns weiterentwickelt“, sagte Labbadia. Voraussetzung für den Erfolg seien aber weiterhin die Tugenden, mit denen man bereits in der Hinrunde mehr Punkte als erwartet holte. „Unsere Grundlagen sind die Bereitschaft und die taktische Disziplin. Wenn wir die beibehalten, werden wir auch unsere Punkte holen.“

Lewis Holtby war lauf- und zweikampfstärkster Spieler des HSV

Lewis Holtby, der neben Münchens Doppeltorschützen Robert Lewandowski die meisten Zweikämpfe gewann (15) und die meisten Kilometer aller Akteure auf dem Platz abspulte (11,88), bestätigte die Worte seines Trainers. „Diese Galligkeit müssen wir auch in den kommenden 16 Spielen zeigen.“ Sein Mittelfeldpartner Hunt bekräftigte: „Wenn wir nur fünf Prozent nachlassen, haben wir ein großes Problem.“

Anders als in früheren Jahren scheinen die HSV-Profis verstanden zu haben, wie schnell es in der Liga wieder nach unten gehen kann. Die Ergebnisse des Wochenendes – nach den Siegen von Frankfurt und Bremen beträgt der Vorsprung auf Relegationsrang 16 nur noch vier Punkte – sollten mit Nachdruck verdeutlicht haben, dass die Spieler Labbadias Mahnung nicht vergessen. Glaubt man Torhüter René Adler, wird dem HSV der Fehler der Nachlässigkeit in dieser Saison nicht passieren. Von guten Leistungen werde man sich nicht blenden lassen. „Wir können nicht sagen, dass wir ein ordentliches Spiel gemacht haben“, sagte Adler und versprach: „Sie können sicher sein, dass sich keiner ausruht.“