Mönchengladbach. 3:1 in Gladbach – Borussia Dortmund hat sich von seiner Konkurrenz abgesetzt, aber die Bayern bleiben unerreichbar

Dass er nicht Kleinkindern gegenüberstehen würde, dürfte Mats Hummels bereits vor dem Rückrundenauftakt der Fußball-Bundesliga geahnt haben. Es sind ja gestandene Profis, die Borussia Mönchengladbach unter Vertrag hat. Und doch, das verriet der Kapitän von Borussia Dortmund am späten Sonnabend nach dem 3:1 (1:0) am Niederrhein, hat seinem Team offenbar ein kleiner verbaler Kniff Thomas Tuchels zu einem Entwicklungssprung verholfen. „Der Trainer hat gesagt, dass es ein Spiel für Männer werden würde“, erklärte Hummels und lächelte. Waren sie etwa noch keine echten Kerle? Nun aber schon, so muss es der Trainer nach dem Reifeprozess empfunden haben, als er zufrieden erklärte: „Das war eine sehr erwachsene Leistung. Wir hatten uns vorgenommen, Männer-Fußball zu spielen.“

Mannsein, das klang nach jener Stärke, Sicherheit und Orientierung, für die der BVB in Gladbach stand. Mit einer Mischung aus taktischer Meisterleistung und fußballerischer Raffinesse kürte er sich unmissverständlich zur besten Borussia dieser Saison. Der Effekt, der sich aus dem ersten Auswärtssieg in Gladbach seit 2009 auf die Ligatabelle ergab, gefiel dem schwarz-gelben Tross noch mehr: Der Abstand zu den Verfolgern wuchs aufgrund deren Ausrutscher weiter an. „Das ist fantastisch“, sagte Hummels strahlend.

Die Ergebnisse des 18. Spieltags brachten jedoch auch eine Nebenerscheinung mit sich, die sich so gar nicht maskulin anhört: Dortmund ist, tabellarisch gesehen, das einsamste Team der Bundesliga.

Sich zwischen den Welten der 18 Erstligisten zu bewegen, mutet auf den ersten Blick fatal an, weil es Langeweile impliziert. Man darf es nach hart getaner Arbeit aber auch als Privileg verstehen. Wenn man mal davon absieht, dass der Ruhrgebietsclub nur bedingt Spannung in den Meisterschaftskampf einbringen kann. Mit 41 Punkten wäre ein Club üblicherweise ein natürlicher Anwärter auf die Tabellenführung, aber es gibt nun einmal noch die Bayern.

„Die letzten vier Jahre lassen nichts Gutes hoffen“, befand Tuchel anlässlich der süddeutschen Übermacht und richtete den Blick auf das interne Wirken: „Wir machen unser Ding.“ Tatsächlich hat es sich die Borussia im Tableau als Tabellenzweiter mit acht Punkten hinter dem FC Bayern und vor dem Rest der Liga sehr gemütlich eingerichtet. „Das ist ein toller Tag für die BVB-Familie“, betonte Ilkay Gündogan.

Der überragende Nationalspieler war eine der drei Symbolfiguren für das Dortmunder Spektakel. Auch die beiden anderen lassen Bundestrainer Joachim Löw auf einen erfolgreichen EM-Sommer hoffen, sie hießen Marco Reus und Mats Hummels. Gündogan dribbelte und passte sich durchs Mittelfeld, dass es eine Augenweide war. Er bereitete Reus’ 1:0-Führung (41.) vor, leitete den von Henrikh Mkhitaryan vollendeten Traumkonter zum 2:0 (50.) ein und stellte nach Raffaels Anschlusstreffer (58.) selbst mit dem 3:1 (78.) die Weichen auf Sieg.

Dass Reus an früherer Wirkungsstätte das Führungstor vorbehalten war, konnte kein Zufall sein. Der 26-Jährige erzielte zum 30. Mal das 1:0 für den BVB – bei 67 Toren ein erstaunlicher Wert. Wie er das nur mache, wurde Reus gefragt. Er antwortete glücklich, aber schulterzuckend: „Ich habe wirklich keine Ahnung. Ich weiß nur, dass es wieder unheimlich wichtig war.“ Tuchel lobte: „Ich bin sehr glücklich, dass er gesund aus dem Urlaub zurückgekehrt ist und gut gearbeitet hat. Er fühlt sich sehr selbstbewusst.“ Die Mitspieler sind jedenfalls froh, dass er wieder zu alter Form findet. „Er ist vor dem Tor eiskalt. Sein 1:0 war der Dosenöffner“, befand Gündogan.

Hummels’ Zweikampfstärke (70 Prozent gewonnen) und Balleroberung vor dem zweiten Treffer erleichterten es, angesichts des Gladbacher Pressings das gewohnte Ballbesitzspiel außen vor zu lassen und sich des Klopp’schen Umschaltspiels zu besinnen. Worin Tuchel ebenfalls einen Entwicklungsschritt erkannte: „Wir haben Antworten auf die Fragen gefunden, die das Spiel an uns gestellt hat.“

Der BVB hat nun 41 Punkte auf seinem Konto – das ist keinem anderen Bundesligisten zuvor nach 18 Spieltagen gelungen. In zwei Wochen, nach dem Heimspiel gegen Ingolstadt, können die Dortmunder im Spitzenspiel beim Dritten Hertha BSC weiter vereinsamen. Zumindest, was den Abstand nach unten angeht. Echte Männer, die die Schwarzgelben ja nun sind, wissen damit aber umzugehen.

Der anderen Borussia könnte hingegen eine holprigere Rückrunde bevorstehen. Gegen den BVB offenbarten die Gladbacher, die ihre erste Heimniederlage unter Trainer André Schubert hinnehmen mussten, deutliche Schwächen in der Defensive. „Wir haben gegen eine Top-Mannschaft ein paar Fehler gemacht. Jetzt müssen wir die Balance wieder finden“, sagte Gladbachs Sportdirektor Max Eberl. Doch auch er weiß: die riskante Spielweise birgt Gefahren.